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Wirtschaft: Dreieinhalb Minuten Einigkeit

Die VW-Chefs Pischetsrieder und Piëch geben sich auf der Hauptversammlung harmonisch

Hamburg - Mit freundlicher Miene schütteln sich die beiden Herren die Hände. Gekonnt lächeln sie in die Kameras. Die VW-Welt ist in Ordnung, lautet die Botschaft. Dreieinhalb Minuten demonstrative Einigkeit. Dabei hat nur einer der beiden Herren Grund zur Freude: VW-Konzernchef Bernd Pischetsrieder hat seit wenigen Stunden einen neuen Fünfjahresvertrag in der Tasche – sein Aufsichtsratsvorsitzender Ferdinand Piëch, der ihn vor zwei Monaten versucht hat, sturmreif zu schießen, hat eine Niederlage erlitten. Pischetsrieder genießt diesen Triumph so, wie es seine Art ist: ruhig, aber intensiv. Nur kurz schaut er seinem Gegenüber ganz tief in die Augen, dann drehen die Kameras ab und mit ihnen Herr Piëch. Die Hauptversammlung im Congress Centrum Hamburg beginnt.

24 Stunden zuvor trafen sich am Dienstagvormittag die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat im noblen Hamburger Fünf-Sterne-Hotel Atlantic. Jürgen Peters, IG-Metall-Vorsitzender und Vize-Aufsichtsratschef, wollte den Vertrag des Konzernchefs nicht verlängern. Er schloss hinter sich die Reihen und teilte dies in der Präsidiumssitzung, die drei Stunden später begann, mit.

Doch Peters traf auf eine ebenso harte Gegenseite. Die Vertreter der Großaktionäre, Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff, machten Druck: Sie drohten, auf jeden Fall abstimmen zu lassen. Das Ergebnis wäre gewesen: Pattsituation zwischen Kapital und Arbeitnehmern, Vermittlungsausschuss, neue Wahl in einigen Wochen. Dann hätte die einfache Mehrheit gereicht. Pischetsrieder hätte seine Vertragsverlängerung bekommen, Gewerkschaft und Betriebsräte als Blockierer und Verlierer da gestanden. Wiedeking machte das unmissverständlich klar. Der auf 17 Uhr festgelegte Termin der Aufsichtsratssitzung wurde immer später in den Abend geschoben und begann schließlich gegen 20 Uhr.

In den Stunden vor dem Ende herrschte auf den Fluren zwischen den Konferenzräumen im Erdgeschoss und dem dritten Stock des Atlantic reger Verkehr: Immer wieder Vier-Augen-Gespräche, Treffen kleiner Gruppen, getrennte Strategietreffen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern. Immer wieder Beratungen mit Pischetsrieder. Kurz vor neun Uhr hatte Pischetsrieder seine Vertragsverlängerung – einstimmig, weil sich die Arbeitnehmer Zusicherungen in Zusammenhang mit den bevorstehenden Sanierungsmaßnahmen geben ließen.

In seiner Rede zum Start des Aktionärstreffens am Mittwochmorgen sagt Piëch kein Wort über die Vertragsverlängerung seines Nachfolgers. Unter dem Applaus der Aktionäre fordert schließlich Ulrich Hocker, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung der Kapitalanleger, Piëch auf, Pischetsrieder zu gratulieren. Piëch schweigt. „Unser Vertrauen in Sie, Herr Piëch, ist schwer beschädigt“, kritisierte DWS-Fondsmanager Henning Gebhardt. Der Aufsichtsrat wird aufgefordert, dem Vorstand keine „weiteren Knüppel zwischen die Beine zu werfen“. Ein anderer Anteilseigner: „Herr Piëch, kaufen sie den Laden auf, dann können Sie sich auch benehmen, wie Sie wollen.“

Piëch schweigt. Sein Kontrahent, Ministerpräsident Wulff, gibt sich redseliger. „Herrn Piëchs Mandat für den Aufsichtsrat endet im April 2007. Es ist mir nicht bekannt, dass jemand plant, ihn für eine weitere Amtszeit vorzuschlagen.“ Gegen Ende äußerte sich Piëch doch: „Über meine Lebensplanung werde ich Sie zu gegebener Zeit informieren.“ Später am Abend wird er mit 98,2 Prozent der abgegebenen Stimmen entlastet. hof/hz/HB

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