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Wie weiter mit Griechenland? An der Athener Börse wird derzeit nicht gehandelt.

© Orestis Panagiotou/ dpa

Drohender Grexit: Nervös, aber nicht panisch

Die Aktien- und Anleihemärkte reagieren mit einem Kursrutsch auf das Griechenland-Drama – doch der befürchtete Crash bleibt aus.

Unsicherheit ist der größte Feind der Anleger – entsprechend groß war am Montag die Angst vor einer drastischen Reaktion der Aktien- und Anleihemärkte auf das Griechenland-Drama. Ob in Asien, Europa oder in den USA: Tatsächlich wurden überall Aktien verkauft und solide Staatsanleihen gesucht

Der Dax rutschte zum Handelsstart um 500 Punkte ab – ein Minus von mehr als vier Prozent. Deutsche Bundesanleihen verteuerten sich gleichzeitig massiv, die Staatspapiere von Italien und Spanien wurden mit deutlich höheren Risikoaufschlägen gehandelt. Verkäufe der griechischen Staatsanleihen trieben die Rendite der zweijährigen Titel um mehr als 16 Prozentpunkte in die Höhe auf 37,3 Prozent.

Deutsche Unternehmen verunsichert

Dennoch: Der befürchtete Crash blieb aus. Am Nachmittag erholten sich die Aktienkurse leicht. Der Dax schloss bei 11 083 Punkten (minus 3,6 Prozent). Auch der Euro verteuerte sich im Vergleich zum Dollar und kostete zuletzt mehr als 1,11 Dollar. „Es gibt Aufregung, aber von Panik ist nichts zu sehen“, fasste Börsenhändler Oliver Roth vom Handelshaus Oddo Seydler, die Stimmung im Gespräch mit dem Tagesspiegel zusammen.

Die Gefahr, dass Griechenland aus dem Euro ausscheide, sei zwar gewachsen. „Die Folgen sind nicht bis ins Detail vorauszusehen. Das verunsichert auch deutsche Unternehmen“, sagte Roth. Diese Unsicherheit bleibe auch noch eine Weile bestehen. Aber: „Wir erleben nicht wirklich eine nachhaltige Krise.“ Die Ansteckungsgefahr für andere Länder sei deutlich gesunken, weil die Banken nicht mehr so stark in die Schuldenkrise involviert seien und weil die Europäische Zentralbank (EZB) eingesprungen sei. Obwohl die EZB das Kreditlimit für die griechischen Banken in Höhe von rund 89 Milliarden Euro zuletzt nicht erhöhte, kappte sie die Nothilfen am Wochenende nicht.

Deutsche Geldinstitute hatten Ende 2014 nach Berechnungen der Bundesbank noch 2,4 Milliarden Euro an Griechenland verliehen. Staatsanleihen halten sie seit dem Schuldenschnitt vom Frühjahr 2012 kaum noch. Damals mussten sie rund die Hälfte ihrer Forderungen abschreiben und hohe Verluste verbuchen. Seitdem haben sie ihre Investitionen in griechische Staatstitel fast komplett zurückgefahren. Das Geld der Banken steckt vor allem in griechischen Unternehmen, sodass diese Forderungen erst bei einer privaten Pleitewelle ausfallen dürften. Laut Bank of America hatten europäische Banken zuletzt insgesamt rund 45 Milliarden US-Dollar (40,55 Milliarden Euro) in Griechenland im Feuer.

"Folgen eines Austritts Griechenlands beschränkt"

Auch Asoka Wöhrmann, Chef-Anleger der Deutsche Asset & Wealth Management – der Vermögensverwalter der Deutschen Bank, zeigte sich gelassen. Die Turbulenzen böten die Chance zum Zukaufen. „Auch wenn wir dazu raten, die Märkte und die politischen Entwicklungen auf Tagesbasis zu beobachten. Tendenziell zählen wir nach der heutigen Markteröffnung zu den Käufern“, sagte Wöhrmann, der maßgeblich die Anlage von Kundengeldern von 1,16 Billionen Euro verantwortet.

Bestätigt wurden die Einschätzungen der Börsianer von verschiedenen Branchen. Tenor: Selbst ein Austritt der Griechen aus dem Euro ist für deutsche Unternehmen, Banken, Versicherungen und die Staatskasse beherrschbar. „Für die deutsche Industrie wären die unmittelbaren Folgen eines Austritts der Griechen aus der Währungszone aufgrund des vergleichsweise geringen Handelsvolumens beschränkt“, sagte Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI).

Unsicher bleibt die Lage an den Anleihe- und Devisenmärkten. Die Zinsen auf Staatsanleihen Italiens und Spaniens stiegen. Die Rendite für zehnjährige Anleihen Spaniens kletterte von 2,15 auf 2,72 Prozent. Für Italien stieg der Satz von 2,11 auf 2,598 Prozent. Südeuropäische Länder waren vor wenigen Jahren unter der Last hoher Zinsen von über sechs Prozent in eine schwere Krise gerutscht.

Die Schweizer Notenbank sah sich am Montag zu einer Intervention gezwungen, weil Anleger verstärkt Schweizer Franken nachgefragt hatten – in der Hoffnung auf einen „sicheren Hafen“. „Der Euro war unter Abgabedruck und die Nationalbank ist in diesen Marktverhältnissen stabilisierend am Markt aufgetreten“, sagte der Schweizer Notenbankchef Thomas Jordan. Jordan wollte sich nicht zum Umfang der Interventionen äußern. Die Schweizerische Nationalbank werde die Entwicklung weiterhin beobachten.

Banken rüsten sich

Als erstes Nachbarland Griechenlands leitete Mazedonien Maßnahmen zum Schutz der eigenen Banken ein. Die Zentralbank verfügte „Präventivmaßnahmen“ und wies die Banken an, ihre bei griechischen Instituten liegenden Guthaben zurückzuholen. Auch die Notenbank Serbiens, das nördlich von Mazedonien liegt, kündigte „Vorsorgemaßnahmen“ für Institute an, die sich mehrheitlich in griechischem Besitz befinden.

Am Montag stufte die Ratingagentur Standard & Poor’s die Kreditwürdigkeit Griechenlands von CCC zu CCC- herab. Als Grund nannte sie das angekündigte Referendum. Vom Ausgang des Referendums am Sonntag machen auch Experten die weitere Entwicklung an den Märkten abhängig. „Sollten sich die griechischen Wähler tatsächlich mehrheitlich gegen weitere Reformen aussprechen, wäre eine Rückkehr zu Verhandlungen sehr unwahrscheinlich“, glaubt Stefan Mitropoulos von der Helaba. Ohne ein „beherztes Eingreifen der europäischen Führungsriege“ sowie die „Einsicht von griechischer Seite“ drohe „die Lage nachhaltig außer Kontrolle zu geraten“, fürchtet Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank. mit dpa/rtr/AFP

Lesen sie hier unseren Liveticker zur Bankenkrise in Griechenland.

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