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Farmarbeiter Glenn McCosker auf einer Schafsfarm in Tamworth im australischen Bundesstaat New South Wales. Die Tiere müssen gefüttert werden, Pflanzen finden sie seit Monaten nicht. Das Bild stammt vom 2. Juni 2018.

© REUTERS/David Gray

Dürre in Australien: Bauern ist die Welle der Hilfsbereitschaft peinlich

Auch in Australien kämpfen Farmer derzeit mit Regenmangel. Bürger, Firmen und sogar Schüler sammeln Geld. Viele Landwirte fürchten ein Heulsusen-Image

Verbranntes Gras, ausgetrocknete Wasserlöcher, Kühe, die sich verzweifelt um einen Lastwagen drängen, der Wasser bringt: Seit Tagen berichten die australischen Medien über die anhaltende Dürre im Land. Der Bundesstaat New South Wales, in dem auch die Weltmetropole Sydney liegt, ist offiziell zu 100 Prozent betroffen, auch in Queensland leiden die Farmer unter der für die Wintermonate harschen Trockenheit.

Einige Medien sprachen bereits von der „schlimmsten Dürre des Jahrhunderts“. Der konservative Premierminister Malcolm Turnbull hat während eines Farmbesuches ein Hilfspaket in Höhe von 190 Millionen australische Dollar (mehr als 120 Millionen Euro) angekündigt. 12.000 Dollar (fast 8000 Euro) soll jeder betroffene Bauer sofort erhalten. „Wir können es nicht regnen lassen“, hieß es in einer Regierungserklärung. „Aber wir können sicherstellen, dass bäuerliche Familien und ihre Gemeinden alle Unterstützung bekommen, die sie brauchen, um die Dürre zu überstehen, sich zu erholen und wieder auf die Beine zu kommen.“

Die Verzweiflung mancher Farmer ist selbst an den abendlichen Esstischen in Sydney oder Melbourne inzwischen Gesprächsthema und hat im Volk eine Welle der Sympathie und Hilfsbereitschaft ausgelöst. So sammeln die Mitarbeiter eines Supermarktes derzeit an der Kasse Geld und auch die australische Fluglinie Qantas hat mehrere Millionen Dollar versprochen, um den Dürre geplagten Landwirten beim Futterkauf oder Ernteausfall unter die Arme zu greifen. Künstler planen Wohltätigkeitskonzerte und Schüler spenden – verkleidet als Farmer anstatt in ihrer üblichen Schuluniform – bei Schulaktionen „einen Fünfer für einen Farmer“. (Hier die Homepage dieser Initiative).

Das gesammelte Geld fließt in Soforthilfe für die Farmer. Derzeit ist ein Konvoi von etwa 20 mit Heuballen beladenen Lastwagen auf dem Weg von Westaustralien nach New South Wales. Das Heu kann 1000 Kühe oder 20.000 Schafe über zwei Wochen hin ernähren.

In der Ladwirtschaftsindustrie wächst das Unbehagen

Diese Hilfsbereitschaft von allen Seiten in Australien ist überwältigend. Es ist eine "verkehrte Welt": Während es in Deutschland der Bauernverband ist, der mit dramatischen Schilderungen Nothilfen vom Bund einfordert, bringen immer mehr australische Landwirte ihr Unbehagen zum Ausdruck angesichts der erdrückenden Solidarität, die ihnen zuteil wird. Die Darstellung von Bauern als Opfer der Dürre sei irreführend, schädige den internationalen Ruf der Industrie und könnte zu schlechten politischen Entscheidungen führen, warnen inzwischen einige führenden Stimmen aus der Industrie.

Farmer May McKeown füttert ihre verbleibenden Rinder auf ihrem Grundstück am Rande des Städtchens Walgott in New South Wales (Aufnahme vom 20. Juli 2018).
Farmer May McKeown füttert ihre verbleibenden Rinder auf ihrem Grundstück am Rande des Städtchens Walgott in New South Wales (Aufnahme vom 20. Juli 2018).

© REUTERS/David Gray

Die Dürre ist damit für viele zum Dilemma geworden. „Wir wollen als ein zuverlässiger Handelspartner gesehen werden, und wenn man momentan die Fernsehnachrichten sieht, glaubt man dies nicht“, sagte Richard Taylor, der Gründer von Growth Farms, das landwirtschaftliche Vermögenswerte verwaltet, der Australian Financial Review. Auch Tim Burrow, der Geschäftsführer von Agribusiness Australia, warnte vor der „Panikmache“. Dürren gäbe es in Australien regelmäßig und die aktuelle nicht so außergewöhnlich, wie manche sagen. „Man könnte argumentieren, dass es keine Naturkatastrophe ist“, sagte Burrow.

Landwirte wollen kein Heulsusen-Image

Einige Farmer stören sich auch an der Art und Weise, wie manche ihrer Kollegen in den Medien auftreten, wo Landwirte bereits kundtaten, es sei billiger „die Kühe zu erschießen“ und sich eine Helferin in Tränen aufgelöst in die Arme des Premierministers warf. „Obwohl ich für die Leute fühle, die sich in Schwierigkeiten gebracht haben, ist die Art, wie sie Bauern in der Öffentlichkeit darstellen, recht gewöhnlich“, twitterte Tom Quigley, ein Baumwoll-, Kichererbsen-, Weizen- und Rapsbauer. „Kein Wunder, dass jeder Stadtmensch denkt, wir wären ein Haufen Heulsusen.“

Farmer Clive Barton auf der verdorren Weide mit seinen Tieren beim Städtchen Duri in New South Wales.
Farmer Clive Barton auf der verdorren Weide mit seinen Tieren beim Städtchen Duri in New South Wales.

© AFP PHOTO / Saeed KHAN

Auch Sam Heagney, ein Farmmanager aus Mungindi an der Grenze zwischen New South Wales und Queensland schrieb auf Twitter: „Wir sind nicht alle Wohlfahrtsfälle, die die Hand aufhalten und nicht für Naturereignisse vorsorgen.“ Ein Agrarökonom warnte zudem, dass Subventionen wie die der australischen Regierung als eine De-facto-Versicherungspolice gesehen werden könnten, die Landwirte in der Zukunft nochmal anfälliger machen würde. „Die Landwirte werden sich entscheiden, in den Jahren, in denen alles gut läuft, keine Reserven für die Jahre anzulegen, in denen alles schiefläuft“, schrieb Jeff Bennett in einem Kommentar für die Australian Financial Review.

Doch keine staatliche Hilfe bei Dürre zu zahlen, ist laut Bennett politisch mit Gefahren verbunden. „Die Bilder in den Medien von hungerndem Vieh und Artikel über am Boden zerstörte Bauern sind stark und je extremer, desto besser, wenn es um die Verkäufe von Zeitungen und Fernsehnachrichten geht.“ Für die Politiker seien die Unterstützungspakete deswegen wichtig, um die nächsten Wahlen zu gewinnen.

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