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Wirtschaft: Dufte Idee fürs Zweistromland

Im Irak liebt man die Parfums des Berliners Nasyr Birkholz. Nun baut er in Dreilinden eine eigene Fabrik.

Berlin - Ein Hauch von „Marlene“ und „Friedrich“ weht durch Bagdad. Sie duftet fruchtig, er kommt ein bisschen herb. So hat Nasyr Birkholz es gern. „Ich mag die schweren orientalischen Düfte nicht, moderne Düfte müssen leicht sein“, sagt der Berliner Unternehmer, der im Irak aufgewachsen ist. Offenbar denken und riechen viele Menschen in seiner alten Heimat inzwischen ähnlich wie er. Denn mittlerweile kaufen so viele Iraker Birkholz’ Düfte, dass er in Dreilinden am südwestlichen Stadtrand nun für rund sieben Millionen Euro eine Parfümfabrik baut. Ab dem kommenden Jahr sollen dort insgesamt 16 Düfte gemischt und abgefüllt werden. Die heißen dann Romy, Nordstern oder Adler. Bis zu 40 neue Arbeitsplätze will Birkholz dort schaffen.

Bisher hat Birkholz die Parfüms, Flaschen, Kappen und Verpackungen in Deutschland, Frankreich und Spanien herstellen lassen, sie nur noch zusammengefügt und in den Irak verschifft. Bald entsteht der Großteil davon in Berlin. Immerhin hat der findige Geschäftsmann seine Duftlinie „BB by Berlin“ genannt. Das doppelte B steht für be beautiful, sei schön. So liefert er auch ein bisschen Glanz der auch im Irak sehr angesagten deutschen Hauptstadt. „An Deutschland liebt der Iraker Berlin und Bayern München“, berichtet der 53-Jährige. Nach Jahren des Wirtschaftsembargos unter Diktator Saddam Hussein, dem Krieg und seinen Nachwehen lechzten viele Iraker nach Produkten aus dem Westen. „Das Land steckt noch immer mitten im Aufbau, deshalb gibt es dort für alle qualitativ hochwertigen Konsumgüter einen Absatzmarkt“, sagt Birkholz.

Die steigende Erdölproduktion ist die größte Triebfeder des Landes. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert für dieses Jahr ein Wachstum des irakischen Bruttoinlandsproduktes von 13,5 Prozent. So entsteht langsam, aber sicher eine zahlungskräftige Mittelschicht, die sich für hochwertige Waren interessiert und sich diese auch leisten kann. Für deutsche Exporteure ist das verlockend.

Die Liebe hielt Nasyr Birkholz in Berlin. Mit einem Bauingenieursdiplom in der Tasche wartete er Ende der 1980er Jahre auf eine Greencard, um in den USA zu promovieren, anschließend vielleicht zu habilitieren. Auf dem Weg dorthin machte Birkholz Station in Westberlin. Hier verliebte er sich in eine Frau und entschied zu bleiben. Die beiden heirateten. Er nahm den deutschen Nachnamen an, weil er fürchtete, die gemeinsamen Kinder könnten in der Schule gehänselt oder benachteiligt werden.

Beruflich schlug ihm zunächst Skepsis entgegen. Birkholz arbeitete freiberuflich für einen Architekten, löste Statikaufgaben. „Die Deutschen waren sehr kritisch“, erinnert er sich. Langsam habe er sich aber Vertrauen erarbeitet. Weil es ihm lukrativer erschien, gründete Birkholz jedoch ein Logistikunternehmen. Sieben Mitarbeiter hatte er bereits nach einem Jahr. Heute gehört Birkholz Transporte zu den größten Subunternehmen von DHL in Berlin und Brandenburg.

Die Weichenstellung für das Berlin-Parfüm kam 2003. Nach dem Sturz Saddam Husseins reiste Birkholz in den Irak. Trotz der Unwägbarkeiten und Gefahren witterte er dort ein gutes Geschäft. Er blieb mehrere Monate, reiste herum, sprach mit Unternehmern, Händlern und Handelsagenten. Schritt für Schritt knüpfte er ein Vertriebsnetz für deutsche Produkte – vom Shampoo bis zur Baumaschine. Mit seiner Birkholz International GmbH die alte Heimat zu versorgen, mit aufzubauen und daran auch noch zu verdienen, das liegt ihm längst mehr am Herzen als der Pakettransport hierzulande. Vor kurzem begleitete er eine deutsche Wirtschaftsdelegation rund um Bundesminister Philipp Rösler in den Irak. Etwa sechsmal im Jahr besucht Birkholz seine Geschäftspartner dort.

„Es hilft uns Deutschen heute, dass wir uns nicht am Irakkrieg beteiligt haben“, sagt Ralf Bischofs von der Middle East Development Company (MDC) im südirakischen Basra. Das Unternehmen mit einer Niederlassung in Berlin hilft deutschen Firmen aus dem Öl- und Gasgeschäft und dem Gesundheitsbereich, im Irak Fuß zu fassen. „Niemand macht dort ein Geschäft von zu Hause aus“, erklärt Bischofs. Viele deutsche Unternehmen scheuen sich allerdings, ihre Mitarbeiter in die Region zu schicken. Dennoch wollen sie dort Geld verdienen. Davon profitiert Nasyr Birkholz. Schon 2003 beauftragte ihn der Düsseldorfer Konsumgüterkonzern Henkel, die Marke Schwarzkopf im Zweistromland bekannt zu machen. Seitdem besitzt Birkholz das Handelsmonopol für den Irak, beliefert Supermärkte und Apotheken per Seecontainer mit Drogerieartikeln. Und seit anderthalb Jahren schickt er nun eben auch Marlene, Friedrich und Romy dorthin – wenn auch nicht jeder Iraker etwas mit diesen Namen anfangen kann.

In Deutschland hätten ihm viele von der Idee abgeraten, erzählt Birkholz. Das könne nur schiefgehen. Deutsche Scheu nennt er das. „Da habe ich einfach die Risikobereitschaft eines Irakers“, sagt er. Zugleich sei er nach 25 Jahren in Berlin mehr Deutscher als Iraker. „Ich liebe die deutsche Ehrlichkeit und, dass hier ein Händedruck gilt.“ Seit 1996 hat er die deutsche Staatsbürgerschaft, und schon lange träume er auch auf Deutsch.

Sein Traum vom Parfüm ist wahrgeworden. Inzwischen gibt es die Berlin-Düfte im halben Irak zu kaufen – und mit der Eröffnung der Berliner Fabrik auch hierzulande. Der Preis variiert je nach Intensität des Parfüms zwischen 20 und 70 Euro für 100 Milliliter. „Unser Absatz wächst von Tag zu Tag“, sagt Birkholz. Fast drei Jahre hätten er, seine Frau und seine Mitarbeiter an den Geruchsnuancen gefeilt, immer wieder hätten sie Tests gemacht. Klar, dass auch Birkholz längst riecht wie ein „Friedrich“.

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