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Wirtschaft: Duisenberg kritisiert EU-Regierungen scharf

EZB-Präsident: Nach den Zinssenkungen sind Strukturreformen nötig / Aufschwung erst ab 2004

Berlin (hop/lan). Kurz vor Ende seiner Amtszeit ist Wim Duisenberg, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), mit den Regierungen in Europa hart ins Gericht gegangen. „Das schwache Wirtschaftswachstum in der Eurozone ist auch auf den fehlenden Willen zu Steuer und Strukturreformen zurückzuführen“, sagte Duisenberg am Donnerstag vor dem Europaparlament in Straßburg. In einer aktuellen Analyse des Bundesfinanzministeriums heißt es laut „Süddeutscher Zeitung“, die Wachstumsprognosen für dieses und das kommende Jahr seien „ernsthaft gefährdet“. Und aktuelle US-Konjunkturdaten geben widersprüchliche Signale.

Mit seiner Rede schwächte Duisenberg die Hoffnungen auf eine weitere Zinssenkung. Erst Anfang Juni hatte die EZB den Zinssatz um 0,5 Prozentpunkte auf 2,0 Prozent gesenkt. Die Zinsen in der Eurozone seien heute auf einem – historisch gesehen – besonders niedrigen Niveau, sagte Duisenberg. Der EZB-Präsident mahnte: „Die Geldpolitik allein kann nicht für nachhaltiges Wirtschaftswachstum und für Beschäftigung sorgen.“ Durch das zurzeit gedämpfte Wachstum und den Anstieg des Eurokurses seien Strukturrefomen umso wichtiger geworden.

Ganz aus der Welt sind Spekulationen um noch niedrigere Zinsen jedoch nicht. Wichtigstes Kriterium für die EZB bei der Bestimmung ihrer Zinsen ist die Preisstabilität. Und für die sieht Duisenberg zurzeit keine Gefahr. Hier könnte also noch Spielraum bestehen, zumal der EZB-Präsident noch niedrigere Zinsen nicht ausdrücklich ausschloss.

Für Deutschland besteht kaum noch Hoffnung auf einen stärkeren Aufschwung in diesem Jahr. Besonders leidet die Baubranche. „Das Jahr 2003 ist gelaufen“, sagte Heinz-Werner Bonjean, Vorsitzender der Bundesvereinigung Bauwirtschaft am Donnerstag in Berlin. Dabei bezog er sich auf die Investitionsentscheidungen in der Wirtschaft. Für das Jahr 2003 rechnet seine Vereinigung mit einem Umsatzrückgang im Bauhauptgewerbe zwischen drei und vier Prozent und dem Abbau von rund 60 000 Arbeitsplätzen. Bonjean warnte davor, die Eigenheimzulage zu streichen. Zwar habe die diesbezügliche Unsicherheit der privaten Haushalte in den vergangenen Monate zu außerordentlich vielen Baugenehmigungen für Eigenheime geführt, langfristig jedoch würde diese Politik den Einbruch in der Bauwirtschaft verstärken. „Auch wenn es 2004 ein Wachstum geben sollte, wird sich das auf die Bauwirtschaft frühestens 2005 auswirken“, sagte Bonjean. Mehr Beschäftigung werde es wohl erst 2006 geben.

Etwas optimistischer ist dagegen die Chemie. „Wir haben das Prinzip Hoffnung immer noch nicht aufgegeben“, sagte der Präsident des Verbands der chemischen Industrie (VCI), Wilhelm Simson, in Frankfurt (Main). Für das laufende Jahr rechne der Verband zwar mit einem Umsatzplus von 3,5 Prozent – der Großteil sei aber auf Preissteigerungen durch teureres Erdöl zurückzuführen. Erst 2004 werde es wieder deutlicher nach oben gehen.

Auch aus den USA gab es am Donnerstag schlechte Nachrichten. Die Zahl der Erstanträge zur Arbeitslosenversicherung in der vergangenen Woche war stärker gestiegen als erwartet. Die Arbeitslosenquote stieg von 6,1 Prozent im Mai auf 6,4 Prozent. Gleichzeitig hat sich die Aktivität im amerikanischen Dienstleistungsgewerbe im Juni aber unerwartet kräftig erhöht. Das ermittelte das Institute for Supply Management (ISM).

Die Finanzmärkte reagierten überwiegend negativ auf die Nachrichten. Der Deutsche Aktienindex Dax weitete seine Verluste nach Veröffentlichung der US-Arbeitsmarktdaten innerhalb weniger Minuten aus. Die ISM–Zahlen konnten die Stimmung etwas verbessern. Aber erst kurz vor Handelsschluss schaffte der Dax den Sprung in die Gewinnzone und verbuchte bei 3241,92 Punkten ein Plus von 0,03 Prozent. Vorher hatten die US-Börsen bei verkürztem Handel mit Verlusten geschlossen.

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