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Wirtschaft: Duisenbergs Rücktritt: Der Zentralbankchef ist einer der mächtigsten Männer in Europa

Wenn ein Wachwechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt (Main) ansteht, geht es nicht um die Neubesetzung eines zweitrangigen Funktionärspostens in einer nachgeordneten Behörde. Der Präsident der EZB gilt als einer der mächtigsten Politiker in ganz Europa - denn er bestimmt die Geschicke der noch jungen Euro-Einheitswährung, eines der kühnsten Währungsprojekte der jüngeren Geschichte.

Wenn ein Wachwechsel an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt (Main) ansteht, geht es nicht um die Neubesetzung eines zweitrangigen Funktionärspostens in einer nachgeordneten Behörde. Der Präsident der EZB gilt als einer der mächtigsten Politiker in ganz Europa - denn er bestimmt die Geschicke der noch jungen Euro-Einheitswährung, eines der kühnsten Währungsprojekte der jüngeren Geschichte. Und als Chef der Euro-Notenbank ist er keinem Wahlvolk, keinem Parlament und keiner Regierung zu Rechenschaft oder Gehorsam verpflichtet, nur seinem eigenen geldpolitischen Gewissen. Wegen dieser immensen Machtfülle ist die Wahl des Duisenberg-Nachfolgers ein wichtiges Politikum.

Denn vom Chef der Notenbank kann das wirtschaftliche Schicksal der elf Euro-Volkswirtschaft abhängen. Er befindet zusammen mit seinen 17 Kollegen im EZB-Rat über die Stabilität des Geldes, das mehr als 300 Millionen Menschen Tag für Tag benutzen. Dazu sind ökonomische Sachkenntnis und viel Fingerspitzengefühl nötig. Denn um die Inflationsrate niedrig zu halten, stehen der EZB nur wenige Instrumente zur Verfügung - das wichtigste davon ist der Leitzins, der den Preis des Geldes bestimmt. Die Kunst der Geldpolitik besteht darin, den Zinssatz gerade so hoch zu setzen, dass er die Konjunktur nicht abwürgt. Er darf aber auch nicht so niedrig sein, dass er die Wirtschaft über die Maßen ankurbelt, denn damit stiege die Inflationsgefahr. Die Entscheidungen des EZB-Chefs spürt daher jeder Kleinanleger anhand der Zinsen auf seinem Sparbuch.

Wegen dieser hohen Verantwortung ziehen es die Staats- und Regierungschefs der EU vor, den EZB-Präsident hinter verschlossenen Türen zu bestimmen. Ein formales Verfahren für die Wahl gibt es nicht. Der Maastrichter Vertrag regelt allein, dass der EZB-Präsident "von den Regierungen der Mitgliedstaaten... einvernehmlich ausgewählt und ernannt" wird. Einzige Einschränkung: Der Kandidat muss aus "dem Kreis der in Währungs- und Bankfragen anerkannten Persönlichkeiten stammen".

Doch trotz aller Machtfülle wird der oberste Euro-Banker vorerst nicht an den Einfluss von Alan Greenspan, des US-Notenbankpräsidenten, heranreichen können. Denn zum einen bewegt der Fed-Chef mit seinen Zinsentscheidungen die Lage der gewichtigste Wirtschaftsnation der Welt. Zum anderen hat Greenspan einen viel weiter reichenden Auftrag als Duisenberg und sein Nachfolger. Das Gesetz verpflichtet ihn nicht nur dazu, den Dollar stabil zu halten, er soll auch versuchen, das Wirtschaftswachstum Amerikas in Gang zu halten. Bestes Beispiel dafür sind die aggressiven Zinssenkungen seit Beginn des US-Abschwungs Anfang 2001. Die Europäischen Zentralbank muss weitaus mehr Zurückhaltung an den Tag - sie reagierte auf die Konjunkturschwäche in Europa viel später und zögerlicher, weil sie die Stabilität des Geldes nicht gefährden wollte.

brö

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