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Wirtschaft: Durch Börsensimulationen versuchen Wissenschaftler, Insidern das Handwerk zu legen - 70 Prozent fallen durch ungewöhnlich hohe Orderzahl auf

Es ist warm, die Luft ist verbraucht. 15 Augenpaare starren auf Computerbildschirme, Vorhänge zwischen den Terminals verhindern den Sichtkontakt untereinander.

Es ist warm, die Luft ist verbraucht. 15 Augenpaare starren auf Computerbildschirme, Vorhänge zwischen den Terminals verhindern den Sichtkontakt untereinander. Unablässig flimmern Zahlenkolonnen über den Monitor - An- und Verkaufsgebote, brandheiße Nachrichten und Kurse. Was so aussieht wie der Handelsraum einer Bank, befindet sich in Wirklichkeit an der Universität Mannheim: Börse im Labor - Professor Martin Weber und sein Assistent Markus Nöth machen es möglich.

Unter möglichst realen Bedingungen sollen die Studenten in den zum Brokersaal umfunktionierten Seminarräumen Wertpapiere handeln. Jeder Marktteilnehmer kann dabei wie ein echter Profi agieren. Die Probanden verdienen, wie an realen Aktienmärkten auch, durch Transaktionen ihr Geld. "Damit die Motivation höher ist, werden die Teilnehmer in Abhängigkeit ihres Erfolges entlohnt", erklärt Weber. Die Teilnehmer erhalten einen Prozentsatz der Gewinne in bar ausgezahlt: Börse statt Bafög.

Durch die Börsensimulation in den Uniräumen erhofft sich der Wissenschaftler neue Erkenntnisse bei der Suche nach Insidern. Dazu versorgt er durch einen Zufallsgenerator jeweils einen Teilnehmer mit Informationen, die den anderen Handelspartnern nicht bekannt sind. Wer einen solchen Insider erkennt und bei der Spielleitung "anschwärzt", erhält eine zusätzliche Prämie. Falsche Verdächtigungen werden mit Punktabzug bestraft. Daneben haben die Akteure noch die Wahl, auf einem bekanntermaßen Insider-freien Markt zu handeln. Zusätzlich gibt es eine Aufsichtsbehörde, die alle Gebote und Transaktion mit genauen Zeitangaben erhält. Die Bezahlung der Aufsicht richtet sich danach, wie viele Insider sie richtig identifiziert.

Ein zentrales Ergebnis des Mannheimer Experiments: Insider zeichnen sich oft durch ihr großes Handelsvolumen aus. Besser informiert zu sein als der Rest des Marktes erzeugt offenbar eine gewisse Gier, dieses Wissen auch in bare Münze zu verwandeln - und das im großen Stil. Ein einfaches regelbasiertes Computerprogramm erkannte in dem Experiment rund 70 Prozent der Insider anhand ihrer ungewöhnlich großen Orderzahl. Die Aufsichtsbehörde hingegen erzielte lediglich eine Trefferquote von 53 Prozent. "Bei der Jagd nach Insidern sollte sich die Aufsicht als ersten Anhaltspunkt genau das Handelsvolumen anschauen", erläutert Weber die Konsequenz für die praktische Umsetzung der Forschungserkenntnisse. Sobald jedoch auch nichtinformierte Händler einen großen Umsatz aufweisen, reicht dieser Indikator allein nicht mehr aus. Dann entscheidet der Zeitpunkt der Ad-Hoc-Meldung, einem wichtigen Steuerungselement der Börse: Steigt das Handelsvolumen vor offizieller Bekanntgabe einer Nachricht bei einzelnen Akteuren sprunghaft an, liefert das einen Anhaltspunkt für Insiderhandel.

Überraschende Erkenntnisse lieferte das Experiment in Bezug auf die Entwicklung des Handelsvolumens: Die Marktliquidität sank auf dem Insider-Markt nicht. Eigentlich war zu erwarten, dass der Handel zurückgeht, weil die uninformierten Akteure befürchten mussten, über den Tisch gezogen zu werden. Allerdings gibt es ähnliche Experimente, die zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Der Bamberger Professor Andreas Oehler fand heraus, dass Nicht-Insider vorsichtigere Orders stellten, sobald bekannt wurde, dass Insider aktiv sind. Die Marktliquidität sank deutlich. "Bei unseren Teilnehmern war eine Angst davor festzustellen, übervorteilt zu werden", erklärt Oehler.

Grundsätzlich bestätigen die Mannheimer und Bamberger Experimente, dass Insider den Finanzplatz schädigen. "Eine kleine Gruppe verdirbt der großen Mehrheit den Spaß am Markt", lautet Oehlers Fazit. Daher sei eine noch klarere Gesetzgebung wünschenswert. "Zur Zeit muss man sich sehr ungeschickt anstellen, um aufzufliegen." Dass Behörden Insidern überhaupt auf die Schliche kommen, liegt häufig nicht an ausgefeilten Gesetzender Aufsichtsmethoden, sondern an zwischenmenschlichen Streitereien. Nach Erkenntnissen der US-Börsenaufsicht (SEC) flogen 41 Prozent der bekanntgewordenen Insider-Geschäfte durch Anzeigen von Angehörigen, Berufskollegen oder Nachbarn auf. Lediglich neun Prozent der Fälle hatten die Ermittler der Börsenaufsicht selbst ermittelt und angezeigt.

nac

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