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Wirtschaft: Durch geschicktes Umschichten des Anleihevermögens lassen sich Steuern sparen

Das Jahresende naht - und damit der Zeitpunkt, an dem sich die Sparerfreibeträge halbieren. Wer Gefahr läuft, allein oder gemeinsam mit seinem Ehepartner im nächsten Jahr mehr als 3100 beziehungsweise 6200 Mark an Zinsen und Dividenden einzunehmen, sollte jetzt sein Wertpapiervermögen auf Steuerfreiheit trimmen.

Das Jahresende naht - und damit der Zeitpunkt, an dem sich die Sparerfreibeträge halbieren. Wer Gefahr läuft, allein oder gemeinsam mit seinem Ehepartner im nächsten Jahr mehr als 3100 beziehungsweise 6200 Mark an Zinsen und Dividenden einzunehmen, sollte jetzt sein Wertpapiervermögen auf Steuerfreiheit trimmen. Dies gilt erst recht für Anleger, denen schon jetzt das nur noch in diesem Jahr gültige Freibetragskorsett von 6100 beziehungsweise 12200 Mark zu eng wird.

Das Patentrezept gegen Steuern auf Kapitalerträge heißt: Kursgewinne statt Zinsen und Dividenden. Dies wäre mit Aktien am einfachsten zu erreichen. Doch deren Kurse schlagen - gemessen an Anleihen - nicht nur stärker nach oben, sondern auch stärker nach unten aus. Zudem machen die seit Mai steigenden Renditen am Rentenmarkt Anleihen zunehmend attraktiver (siehe Grafik).

Ob innerhalb des Anleiheportefeuilles umgeschichtet wird oder am Rentenmarkt neu angelegt wird - wer geschickt auswählt, kann seine Steuerlast senken oder von Anfang an niedrig halten. Die Leitlinie lautet jetzt: Hochprozenter sind nicht mehr angesagt. Denn hohe Zinsen bedeuten nicht gleichzeitig hohe Renditen, aber auf jeden Fall hohe Steuerzahlungen.

Wenn die Bonität des Emittenten und die Restlaufzeit annähernd gleich sind, liegen die Renditen vor Steuern eines Hochprozenters und einer niedrig verzinsten Anleihe dicht beieinander. Nach Steuern klaffen sie dagegen weit auseinander. Das liegt daran, dass sich die Anleiherendite aus zwei Teilen zusammensetzt: der Verzinsung und dem Kurs. Liegt der Kupon über dem Kapitalmarktzins, notiert die Anleihe über 100 Prozent (über pari). Am Laufzeitende bekommt der Anleger vom Anleiheschuldner weniger, als er für die Anleihe bezahlt hat (Kursverlust). Liegt der Kupon unter dem Kapitalmarktzins, ist es umgekehrt. Es winkt ein Kursgewinn. Während Zinsen versteuert werden müssen, sind Kursgewinne steuerfrei, wenn das Papier ein Jahr gehalten wird.

Wer Kursgewinne "kauft", sollte darauf achten, dass sowohl die am Markt unter pari gehandelte Anleihe, sofern sie mit einem Disagio ausgegeben wurde, oder die aktuelle Neuemission mit Emissionsdisagio (Abgeld) die Vorgaben der Disagio-Staffel erfüllen. Sonst werden die Kursgewinne steuerpflichtig. Außerdem sollte der Anleihe-Käufer aufpassen, dass er kein Papier mit einer Restlaufzeit von weniger als einem Jahr kauft. Reinhard Friedl, Steuerspezialist der Münchener Dresdner-Bank-Niederlassung, warnt: Obwohl die Fälligkeit kein Verkauf sei, habe die Finanzverwaltung noch nicht entschieden, ob ein Kursgewinn bei Fälligkeit einer Anleihe während der Spekulationsfrist von einem Jahr zu versteuern ist.

An die Grenzen der Disagio-Staffel stoßen seit Sommer Daueremittenten wie die Hypothekenbanken. Die Kurse ihrer im Rahmen der Staffel begebenen Pfandbriefe sackten auf Grund steigender Zinsen unter die Ausgabekurse. Als sie ihre Emissionen nun aufstocken wollten, standen sie vor einem Dilemma. Zum ursprünglichen Kurs würde kein Anleger die Aufstockung zeichnen, weil bei gleichem Kupon und gleicher Endfälligkeit die Rendite hinter der des Marktes bliebe. Andererseits befürchteten sie, dass eine Ausgabe zum jetzt niedrigeren Marktpreis vom Fiskus als Neuemission gewertet würde, die - für den Käufer steuerschädlich - gegen die Staffelvorgabe verstößt.

Seit kurzem herrscht Klarheit: Die Disagio-Staffel gilt nicht für die Aufstockung einer Anleihe, wenn diese Aufstockung innerhalb eines Jahres seit der Erstemission vorgenommen wird und der Emittent seinerzeit die Disagio-Staffel eingehalten hat. Rentenhändler rechnen damit, dass Hypothekenbanken nun häufiger ihre zurzeit außerhalb der Staffel notierenden Pfandbrief-Emissionen vom Jahresanfang aufstocken werden. Den Anfang machte die Allgemeine HypothekenBank. Die AHB stockte schnell vor Fristablauf ihren am 23. Oktober 1998 begebenen und am 20. August 2001 fälligen 3,25-Prozent-Jumbo (WKN: 202795) um 250 Millionen auf zwei Milliarden Euro auf.

Zwar fällt der steuerfreie Kursgewinn für die Investoren, die die Aufstockung zeichnen, höher aus als für die Erstzeichner. Doch deshalb muss keiner auf solche Aufstockungen lauern. Auch der Kauf jeder anderen, ursprünglich innerhalb der Disagio-Staffel begebenen, aber jetzt niedriger notierenden Anleihe garantiert steuerfreie Kursgewinne.

Eine weitere Möglichkeit, die Steuern zu steuern, bieten Stückzinsen. Wird eine Anleihe zwischen den Zinszahlungsterminen verkauft, so muss der Verkäufer die rechnerisch seit der letzten Zinszahlung aufgelaufenen Zinsen versteuern. Für den Käufer gilt: Er hat diese Zinsen gezahlt. Sie mindern deshalb seine Zinseinkünfte.

Eine Beispielrechnung dazu: Anleger Meier ist ledig, geht bei der Geldanlage keine Risiken ein und hat deshalb sein Geld ausschließlich in die Anleihe eines Schuldners erster Bonität investiert. Jeweils zum 15. April werden ihm 6,5 Prozent Zinsen auf den nominalen Anleihebetrag von 70 000 Mark gezahlt. Das sind 4550 Mark. Behält er die Anleihe, muss er im Jahr 2000 davon 1550 Mark versteuern. Verkauft er die Anleihe heute, fallen für die sechs Monate seit dem letzten Zinstermin 2275 Mark Stückzinsen an. Seine Zinseinnahmen addierten sich so auf 6825 Mark. Dass er davon 825 Mark in diesem Jahr versteuern müsste, wäre das kleinere Übel, muss aber nicht sein. Meier kauft für den gleichen Nominalbetrag von 70000 Mark eine am gleichen Tag mit 3,25 Prozent verzinste Anleihe. Die anfallenden Stückzinsen von 1137,50 Mark senken seine Kapitalerträge unter den Sparerfreibetrag, und mit 2275 Mark bleibt er deutlich unter dem Sparerfreibetrag des nächsten Jahres. Als Bonbon gibt es noch steuerfreie Kursgewinn aus der verkauften, über pari notierenden Anleihe.

Reiner Reichel

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