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Schick einkaufen. Das Kulturkaufhaus wurde für zwölf Millionen Euro renoviert.

© Mike Wolff

Dussmann: Trubel und wenig Heiterkeit

Im Hause Dussmann ist viel los: Der Chef ist gegangen, das Kulturkaufhaus wird „neu“ eröffnet und die Tochter klagt die Mutter an.

Für die Gäste des Neujahrsempfangs gab es eine besondere Überraschung. Die Gastgeberin griff zum Mikrofon und sang ein selbst komponiertes Lied mit dem Titel „With your Smile“. Dirk Brouwers hörte sich die kleine Einlage von Catherine von Fürstenberg- Dussmann Ende Januar mit einem dünnen Lächeln an. Unter der Leitung von Dussmann hatte der Stiftungsrat des Unternehmens den Vorstandsvorsitzenden Brouwers kurz zuvor gefeuert. Er ließ sich nichts anmerken, begrüßte die Gäste und betonte den Erfolg des Unternehmens – unter seiner Leitung. 2005 war Brouwers von Thyssen-Krupp zu Dussmann gekommen, 2011 machte ihn Catherine Dussmann, Ehefrau und Witwe Peter Dussmanns, der nach Schlaganfällen seit 2008 ein Pflegefall war und 2013 verstarb, zum Vorstandsvorsitzenden.

60 000 Mitarbeiter ohne Chef

Brouwers und Catherine Dussmann, der Vorstandsvorsitzende und die Vorsitzende des Stiftungsrats, ergänzten sich über viele Jahre. Die aus den Südstaaten der USA stammende, gelernte Schauspielerin ist ein extrovertierter Typ; der diplomierte Maschinenbauer Brouwers ist bedächtig und solide, keiner, der auf die Bühne drängt. Ein der Eigentümerin loyal verbundener Chef von mehr als 60 000 Mitarbeitern in 16 Ländern, der nie gegen Frau Dussmann opponieren würde. Das dachten viele. Doch es kam anders.

Brouwers wollte manches vor allem in den ausländischen Gesellschaften nicht mehr mitgehen; ohne ihn und ohne Finanzvorstand Hans-Jürgen Meyer will Dussmann nun „die Neuausrichtung zu mehr Wachstum vorantreiben“. Aber mit wem? Der kommissarische Vorstandschef Jörg Braesecke kennt sich aus im Pflegegeschäft und hat wenig Ahnung von Gebäuden. So schnell wie möglich muss ein neuer Brouwers her.

Inspiration im Kaufhaus

Catherine Dussmann hat bewegende Wochen vor sich: Führungskrise, Feiern und Familienkrieg. Sie freut sich auf Ende Februar, wenn nach mehrjährigen Umbauten während des laufenden Betriebs das Kulturkaufhaus frisch renoviert ist. „Wir verstehen unser Haus als öffentlichen Ort“, beschreibt Julia Claren, Geschäftsführerin des Kaufhauses, den Anspruch. „Unser Job ist es, das Einkaufserlebnis so zu gestalten, dass Inspirationsmomente entstehen.“

Zwölf Millionen Euro hat die Modernisierung gekostet und damit fast doppelt so viel wie die Einrichtung des Hauses vor 20 Jahren. Die Entstehungsbedingungen tragen bis heute bei zum Mythos des Unternehmers Peter Dussmann, der in den 1960er Jahren mit einem Junggesellenservice in München begann, nach der Wende nach Berlin kam und von hier aus einen internationalen Dienstleistungskonzern aufbaute. Ein Kaufhaus war nicht geplant, als Dussmann in der Friedrichstraße die Unternehmenszentrale baute, doch für die Handelsflächen im Erdgeschoss fand er Mitte der 90er Jahre keine Mieter. „Ich wollte mich nicht über leere Flächen ärgern, und da mein Beruf Unternehmer ist und nicht Unterlasser, hat uns vor allem die günstige Lage bewogen, hier Kultur zu verkaufen“, erklärte Peter Dussmann später seine Motivation.

Die größte Klassikabteilung der Welt

Musik war seine Leidenschaft. „Er wollte die größte Klassikabteilung der Welt hier im Haus haben“, erinnert sich Claren, die von Anfang an dabei war in der Friedrichstraße. „Die Vorstellung von einem guten Handelsgeschäft hatte er aus den USA mitgebracht“, sagt Claren und berichtet über den Auftrag des Chefs, die Verkäuferinnen und Verkäufer gleichmäßig aus Ossis und Wessis zusammenzusetzen. Das Kulturkaufhaus sollte ein „Paradeort für das Zusammenwachsen“ werden, sagt Claren. Und dazu wollte Dussmann „künstlerisch veranlagte, inhaltlich gute Leute“.

Mit einem breiten Sortiment, fachkundigem Service und langen Öffnungszeiten behauptet sich das Kaufhaus bis heute gegen die Konkurrenz der Online- Konzerne. 600 000 Bücher, 50 000 CDs und 25 000 DVDs stehen in den Regalen. Ganz überwiegend in den Regalen, die vor 20 Jahren angeschafft wurden – Peter Dussmann hat auf Qualität gesetzt. Und auf ungewöhnliche Öffnungszeiten.

Eine Sphinx gegen den Ladenschluss

Der störrische und findige Dussmann ließ sich alle möglichen Tricks zur Umgehung der eingeschränkten Ladenöffnungszeiten einfallen. Unter anderem lieh er sich vom Ägyptischen Museum eine 3500 Jahre alte Sphinx aus, um das Kulturkaufhaus als Museumsshop mit entsprechend großzügigen Öffnungszeiten vor allem am Wochenende deklarieren zu können. Und er beförderte das Personal zu leitenden Angestellten mit Prokura, die dann über die gesetzlichen Öffnungszeiten hinaus Kundschaft bedienen durften. Das ist vorbei. Heute ist das Haus von 9 Uhr bis 24 Uhr geöffnet. „Das lohnt sich für uns und ist wichtig für die ,Mußepersonen’: Menschen, die hart arbeiten und spät abends stöbern wollen und sich inspirieren lassen“, sagt Kaufhaus-Chefin Claren. Bis zu 10 000 Kunden kommen an einem starken Sonnabend ins Haus. Claren versteht das Haus respektive das Sortiment als „einen Spiegel der Internationalität der Stadt“. Der englische Bookshop wurde vergrößert, und im ersten Stock gibt es jetzt Bücher aus aller Welt und in vielen Sprachen für Kinder. „Wie er uns inspiriert hat mit seinen Ideen – das prägt uns bis heute“, sagt Claren über den Unternehmens- und Kulturkaufhausgründer Peter Dussmann.

Alle warten auf das medizinische Gutachten

Der hatte sich frühzeitig für ein Stiftungsmodell entschieden, um die Nachfolge im Konzern einigermaßen sicher zu regeln. Es hat nicht geklappt. Die Witwe und die Tochter haben sich bitterlich zerstritten, kommunizieren nur noch über Anwälte und lassen juristisch klären, wer von den beiden wie viel des Milliardenvermögens erben darf. Wenn in zwei bis drei Monaten ein Gutachten über die Testierfähigkeit Peter Dussmanns vorliegt, trifft man sich vor Gericht.

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