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Viele Ladestationen sind entscheidend für den Ausbau der Elektromobilität.

© Getty Images/iStockphoto

E-Mobilität: Deutsche Autohersteller bauen Ladenetz für E-Autos

BMW, Daimler, Audi, Porsche und Ford - fast alle deutschen Hersteller machen mit beim Aufbau eines Ladesäulennetzes für E-Autos – viele Fragen sind aber noch offen. Eine Übersicht.

Fast alle großen deutschen Autohersteller und der US-Konzern Ford haben sich auf den Bau von 400 Schnellladesäulen für Elektroautos geeinigt. BMW, Daimler, Ford und die Volkswagen-Marken Porsche und Audi unterzeichneten eine entsprechende Absichtserklärung zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens, an dem alle gleichberechtigt beteiligt sein sollen. Dies teilten die Autobauer am Dienstag gemeinsam mit. Nicht mit dabei sind die Volkswagen-Kernmarke VW und Opel. Mit dem Aufbau der ultraschnellen Ladesäulen an Autobahnen und Schnellstraßen soll im ersten Quartal 2017 begonnen werden. Dem Gemeinschaftsprojekt, das die schleppende Nachfrage nach E-Autos hierzulande ankurbeln soll, waren komplizierte Verhandlungen vorausgegangen.

Die Autohersteller stehen unter erheblichem Druck, weil sie nach 2020 deutlich strengere Abgasnormen in Europa einhalten müssen. Ohne einen signifikanten Anteil von Elektroautos bei den Neuwagenverkäufen sind die von der EU-Kommission verbindlich vorgeschriebenen CO2-Grenzwerte nicht zu schaffen. Es drohen hohe Strafzahlungen.

Wieviel die Hersteller investieren, ist offen

Das Netz von öffentlich zugänglichen, superschnellen Ladepunkten mit einer Ladeleistung von bis zu 350 Kilowatt soll bis 2020 auf einige tausend Säulen wachsen. Das Ladenetz wird auf dem Combined Charging-System-Standard (CCS) basieren, der nach dem Willen vor allem der deutschen Autokonzerne in Europa die Grundlage für einen einheitlichen Steckeranschluss schaffen soll. Fahrzeuge mit einem serienmäßigen CCS-Anschluss gibt es allerdings noch nicht.

Wie viel die Hersteller in den Aufbau der Infrastruktur investieren, ist offen. Ziel des Vorhabens ist es, die Elektromobilität attraktiver zu machen, weil E-Autos künftig innerhalb weniger Minuten aufgeladen werden und so lange Strecken bewältigen können. Aktuell sind Elektroautos mit einer Reichweite von nicht mehr als 200 Kilometern auf dem Markt. Die Hersteller haben aber Fahrzeuge mit größerer Reichweite angekündigt.

Die Ausbaupläne des neuen Konsortiums laufen parallel zu dem Vorhaben von Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), 400 Schnellladestationen für Elektrofahrzeuge an Autobahnraststätten aufzustellen. Zur Verbesserung der Ladeinfrastruktur stellt der Bund 300 Millionen Euro bis 2020 zur Verfügung – davon zwei Drittel für Schnellladesäulen. Die Autobauer folgen dem Beispiel des E-Auto-Pioniers Tesla, der weltweit bereits mehr als 700 Ladestationen mit fast 5000 einzelnen Ladeplätzen betreibt.

„Eine breite und leistungsfähige Ladeinfrastruktur ist für den Erfolg der Elektromobilität entscheidend“, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA. „Der Durchbruch von E-Mobilität erfordert vor allem zwei Dinge: überzeugende Fahrzeuge und eine flächendeckende Ladeinfrastruktur“, erklärte Daimler-Chef Dieter Zetsche. BMW-Chef Harald Krüger sprach von einem „bedeutenden Meilenstein“.

Autokonzerne laden sich auf

Ende Oktober waren rund 30 000 rein elektrisch angetriebene Fahrzeuge auf deutschen Straßen unterwegs. Hinzu kamen einige zehntausend an der Steckdose aufladbare Plug-in-Hybride, die parallel noch einen Verbrennungsmotor an Bord haben, aber als Elektroautos gezählt werden.

Die Statistik zeigt: Elektromobilität ist angesichts eines Fahrzeugbestandes von insgesamt 40 Millionen Autos immer noch eine Randerscheinung in Deutschland. Auch die seit Mai abrufbare staatliche Kaufprämie („Umweltbonus“) in Höhe von 4000 Euro (Privatkäufer) pro E-Auto hat daran nichts geändert. Nur knapp 5800 Prämien wurden bis Ende Oktober vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle ausgezahlt – ganze 123 an E-Auto-Käufer aus Berlin. Der Fördertopf reicht theoretisch für 400 000 Elektroautos. Eine Million davon soll in weniger als fünf Jahren nach dem Willen der Bundesregierung hierzulande zugelassen sein. 2020 ist auch das Jahr, von dem an deutlich strengere CO2- Vorgaben für Benziner und Diesel in der EU gelten. Die Zeit drängt also, wollen die deutschen Hersteller großer und PS-starker Limousinen keine hohen Strafzahlungen riskieren.

Mit der immer wieder ernüchternden Zwischenbilanz will die Autoindustrie nun Schluss machen. Das am Dienstag angekündigte Joint-Venture von BMW, Daimler, Ford, Porsche und Audi zum Aufbau von 400 Schnellladesäulen entlang der Hauptverkehrsadern in Europa soll dabei helfen, die Elektromobilität „im Massenmarkt zu etablieren“. Die lückenhafte Infrastruktur und die Angst vieler Autofahrer, mit einer leeren Batterie auf der Strecke zu bleiben, gelten als die größten Hürden für die Durchsetzung der sauberen Antriebe. Neben dem hohen Anschaffungspreis für die Elektrofahrzeuge.

Aufladen auch für die lange Strecke

„Wir tragen Sorge dafür, dass unsere Kunden auch auf langen Strecken ihr Elektroauto aufladen können“, sagte eine Daimler-Sprecherin am Dienstag. Dabei seien die Unternehmen nicht an einer exklusiven Insellösung interessiert, die zum Beispiel der US-Hersteller Tesla seinen Kunden anbiete. „Wir kommen nur mit etwas Gemeinschaftlichem ans Ziel. Wir sind offen für alle.“ Gespräche über eine Erweiterung des geplanten Joint Ventures würden geführt – einschließlich ausländischer Hersteller. „Man kennt sich“, sagte die Daimler-Sprecherin.

So bemerkenswert es ist, dass die Unternehmen nun gemeinsam agieren, so offen sind noch viele Fragen. Zur Höhe ihres Investments schwiegen die Konzerne am Dienstag ebenso wie zu der Frage, ob sie in den Genuss staatlicher Fördergelder kommen werden. Denn der Bund will 300 Millionen Euro für den Aufbau von 400 Ladesäulen ausgeben, zwei Drittel davon für Schnellladesäulen. „Förderung ist nicht unser Ziel“, sagte die Daimler-Sprecherin lediglich. Klar sei aber, dass das Vorhaben kein Zuschussgeschäft werden darf. „Wir sehen das als Investment und haben nicht vor, den Strom kostenlos anzubieten.“ Auch Tesla beendet die Gratis-Abgabe von Strom und bittet Neukunden in Zukunft zur Kasse.

Nicht entschieden ist außerdem, wer die Ladesäulen (inklusive der Peripherie) baut, betreibt und mit Strom versorgt. Die Energieversorger haben sich bislang beim Aufbau der Infrastruktur nicht engagiert, weil kein Geschäftsmodell in Sicht war. Nun gehen die Autokonzerne in die Offensive. So soll die Infrastruktur ausgeschrieben und der Bau an überregionale und regionale Stromversorger vergeben werden. „Da sind noch einige Gespräche zu führen“, heißt es.

Bisher erst 150 Schnelladepunkte

Zur Jahresmitte zählte der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bundesweit gerade einmal 6500 einzelne Ladepunkte (rund 2600 Säulen) – aufgestellt von Kommunen und Energieversorgern, aber inzwischen auch von Supermarktketten. Laut dem Autoverband VDA gibt es darüber hinaus aber erst 150 Schnellladepunkte. Dem stehen etwa 14 000 herkömmliche Tankstellen in Deutschland gegenüber, die über eine entsprechend größere Zahl von Zapfsäulen verfügen. „Die Autobauer tun gut daran, sich nicht mehr auf Stromkonzerne und Regierung zu verlassen“, sagt Ferdinand Dudenhöffer vom CAR-Institut.

„Damit E-Autos künftig auch für längere Strecken attraktiv sind, muss es vor allem an Autobahnen ausreichend Schnellladesäulen geben“, sagte VDA-Präsident Matthias Wissmann. Wegen der mangelnden Reichweite galt als bevorzugter Einsatzort für Elektroautos bisher vor allem der Stadtverkehr. Die höchste Dichte an Ladepunkten findet sich in großen Städten wie Berlin (530 Ladepunkte/260 Säulen) und Hamburg.

Die deutschen Autobauer wollen sich auch bei der Leistung von Tesla abheben, um nicht den Eindruck zu erwecken, hinter dem US-Konkurrenten herzufahren. Statt der 120 Kilowatt Ladeleistung, die Tesla bietet, sollen ihre Ladesäulen 350 Kilowatt bieten. Damit sollen E-Auto-Batterien in wenigen Minuten zu 80 Prozent aufgeladen werden können. An einer normalen Steckdose dauert das bis zu acht Stunden. Außerdem setzen die Autokonzerne auf den in Europa als Standard angedachten CCS-Stecker. Dieser erlaubt das Laden mit Gleich- und Wechselstrom und ist mit verschiedenen Systemen kompatibel. „Das ist ein wichtiger Schritt“, resümiert Dudenhöffer. Aber: „Schade, dass es so spät passiert.“ (mit dpa)

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