zum Hauptinhalt
Am Ziel. Bis eine Ladesäule nebst Parkplätzen eingerichtet ist, sprechen viele mit: der Senat, die Bezirke, Gründflächenämter, die Polizei oder der Denkmalschutz. Foto: dpa

© picture alliance / dpa

E-Mobility: Berlin müsste bei Elektromobilität viel weiter sein

Der Ausbau der Infrastruktur für Elektroautos kommt nur schleppend voran – und steckt in Berlin bisweilen im Behördendschungel fest.

Der schleppende Fortschritt der Elektromobilität wird hierzulande gerne mit der unbeantworteten Frage nach Henne und Ei begründet: Weil niemand sagen kann, ob es zu wenige Elektroautos gibt (und deshalb zu wenige Ladesäulen) oder zu wenige Säulen (und darum zu wenige E-Autos), dreht sich die Diskussion im Kreis. Der Markt wächst im Schneckentempo.

Mit bundesweit gut 5800 Ladepunkten und rund 50 000 Fahrzeugen mit elektrischem Antrieb (Ende 2015) ist Deutschland von seinem Ziel weit entfernt, internationaler „Leitmarkt“ der Elektromobilität zu sein. Im Jahr 2020 sollen es 70 000 öffentliche Ladepunkte, 7100 Schnellladesäulen und eine Million E-Autos sein.

Der „Ausbau der Infrastruktur verliert an Dynamik“ konstatierte kürzlich der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und richtete ein Hilfegesuch an die öffentliche Hand. Zwar werde das von der EU empfohlene Verhältnis von öffentlichen Ladesäulen zu E-Autos von 1:10 erreicht. Die Ziele der Regierung würden aber nicht ohne den weiteren Aufbau einer öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur gelingen. Der BDEW erinnerte an sein „Marktaktivierungsprogramm“, das den Aufbau von 10 000 Ladesäulen auch mit Steuermitteln vorsieht.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) spielte den Ball zurück: Die Wirtschaft müsse einen „erheblichen Beitrag“ leisten, wenn der Bund sich stärker engagieren solle. Dobrindt träumt von 15 000 zusätzlichen Ladesäulen vor Shopping-Centern und Baumärkten. Kosten: 300 Millionen Euro. Woher das Geld stammen soll, ließ der Minister offen. Vor Dobrindts Ministerium in der Invalidenstraße steht eine Säule mit zwei Ladepunkten. Zwei von 433 in Berlin, die der BDEW Ende 2015 bei seinen Mitgliedsfirmen gezählt hat.

Berlin müsste eigentlich viel weiter sein

Die Hauptstadt liegt damit auf Platz eins unter 900 Städten und Gemeinden. Die Berliner Agentur für Elektromobilität (Emo) kommt aktuell sogar auf 636 öffentliche Ladepunkte, weil sie weitere Betreiber dazuzählt, wie zum Beispiel die Bahn. Private, nicht öffentlich zugängliche Ladepunkte, seien nicht mitgerechnet. „Im Vergleich zum Vorjahr ergibt das eine Steigerung um 30 Prozent“, freut sich Emo-Leiter Gernot Lobenberg.

Doch mit ihrem Optimismus ist die Emo in Berlin ziemlich allein. Die Stadt müsse eigentlich längst viel weiter sein, ärgerte sich Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) kürzlich auf der Hauptstadtkonferenz Elektromobilität. In Paris finde man „alle 300 Meter eine Ladesäule“, sagte Yzer.

Trotz einiger Fortschritte haben sich die hohen Erwartungen nicht erfüllt: Als „Schaufenster der Schaufenster“ wollte die Hauptstadt eigentlich in den vergangenen drei Jahren international glänzen, als Metropole der Elektromobilität. Doch obwohl laut Emo 3000 E-Fahrzeuge in der Region unterwegs sind, wird Berlin nicht als Emobility-City wahrgenommen. „Berlin hat es trotz großzügiger Schaufenster-Förderung nicht geschafft, die notwendigen Grundlagen für Elektromobilität zu schaffen“, sagt Nicole Ludwig, wirtschaftspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. „Es ist katastrophal, wie der Senat dieses wichtige Zukunftsthema schleifen lässt.“ An vielen Stellen wuchert noch der „Behördendschungel“, berichtet auch Ulf Schulte. Er ist Geschäftsführer von Allego, einer Tochter des niederländischen Energienetzbetreibers Alliander, der Anfang 2015 den Zuschlag für Installation und Betrieb des öffentlichen Berliner Ladesäulennetzes erhielt. Mehr als zwei Jahre lang hatte die Ausschreibung gedauert. Seit Monaten kämpft sich Schulte durch das Berliner Antragswesen.

Christian Gaebler, Staatssekretär für Stadtentwicklung, rechtfertigt das komplizierte Ausschreibungsverfahren. So habe Berlin am Ende die technisch optimale und kostengünstigste Lösung gefunden. „Es hat lange gedauert – nun setzen wir es zügig um“, sagte Gaebler auf Anfrage. Ein Problem sieht auch er: Je mehr Säulen in der Stadt stehen, desto schwieriger werden die Diskussionen sein, wo noch Platz für weitere ist.

400 Ladepunkte bis Ende September geplant

Bis Ende September muss Allego im Rahmen des „Berliner Modells“ 400 Ladepunkte (rund 200 Säulen) und 20 Schnellladepunkte errichtet haben. Der Senat fördert dies mit rund einem Drittel der Kosten pro Ladestandort, die rund 10 000 Euro ausmachen. Ende März waren 93 Punkte am Netz. „Wir schaffen das“, versichert Schulte. Knapp 60 weitere Genehmigungen lägen vor, doch die Wege sind lang. „Wir müssen schon einen großen Aufwand treiben, um alle Antragsunterlagen zusammenzustellen“, sagt Schulte. Viele Bezirke hätten „lange gebraucht, um dem Thema Priorität einzuräumen“.

Bevor eine Ladesäule eingerichtet werden kann, reden der Senat, die Bezirke, die Verkehrs- und Grünflächenämter, der Denkmalschutz, die Polizei, die BSR, die Telekom und andere mit. Das dauert, und „viele Sachbearbeiter oder Amtsleiter sind nicht pragmatisch genug“, sagt Schulte. Zwar gebe es beim Stadtentwicklungssenator ein Koordinierungsbüro für die Ladeinfrastruktur. „Aber vieles bleibt an uns hängen“.

In Mitte tat sich Allego sehr schwer, in Friedrichshain-Kreuzberg oder Charlottenburg-Wilmersdorf ging es zügiger voran. Ulf Schulte ist Optimist: „Wir hoffen, dass mittelfristig ein Geschäftsmodell für uns daraus wird.“ Das Ziel: Berlin mit Ladesäulen versorgen, an denen alle E-Autonutzer Strom tanken und problemlos bezahlen können.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false