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Economist: "Deutschland, Europas Motor"

Die Kollegen vom "Economist" haben ein Händchen für antizyklisches Timing. Die 14-seitige Titelgeschichte des neuen Hefts findet keine spätrömische Dekadenz in Deutschland, sondern sieht das Land als "Europas Motor".

Berlin - Es ist fünf Jahre her, da löste die hohe Arbeitslosigkeit in Deutschland Schockwellen aus, die am Ende Gerhard Schröder um die Kanzlerschaft brachten. Doch das britische Magazin "Economist" sah die Lage gar nicht katastrophal, so dass Schröder in einer Talkshow eine aktuelle Ausgabe aus der Anzugtasche ziehen konnte, die den Bundesadler mit dicken Muckis zeigte und die Agenda 2010 lobte. Es war eine Kehrtwende, denn wenige Jahre zuvor hatte das Magazin das damals noch sehr selbstbewusste Deutschland als kranken Mann Europas gegeißelt.

Jetzt ist wieder so ein „Economist“-Moment, bei dem die Wahrnehmungen von innen und außen weit auseinanderfallen. Die 14-seitige Titelgeschichte des neuen Hefts findet keine spätrömische Dekadenz in Deutschland, sondern sieht das Land als „Europas Motor“ – und macht sich Gedanken darüber, wie die Welt mit einem stärkeren Deutschland leben kann. Ein paar kritische Punkte sehen die Autoren schon – etwa Angela Merkel, die als ewige Kanzlerin mit allen regieren kann, aber keine Reformen anschiebt. Oder die Ausgrenzung von Ausländern auf dem Arbeitsmarkt, für die der Neuköllner Bürgermeister Heinz Buschkowsky als Kronzeuge bemüht wird. Ansonsten schwelgen die Briten in Respekt für den Standort Deutschland und benutzen dafür sogar original deutsche Begriffe wie „Mittelstand“ und „Tüftler“.

Wie damals bei Schröder liefert der „Economist“ Argumentationshilfen für die Politik. Strukturreformen für mehr Wachstum werden angemahnt. „Deutschland kann sich auch wachstumsfördernde Steuersenkungen leisten, ohne seine öffentlichen Haushalte zu ruinieren“, lautet der Rat aus London. So muss man wahrscheinlich nicht lange warten, bis der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle das Heft in die Fernsehkameras hält, um seine Forderungen zu untermauern. Allerdings hat das Schröder damals wenig geholfen.

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