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Wirtschaft: Editorial: Ein Rendezvous im Elsass

Der deutsch-französische Gipfel in der vergangenen Woche in der Nähe von Straßburg zeigte - wie "Le Monde" schrieb -, dass das Verhältnis der beiden Staate getrübt ist. Dafür gibt es viele Gründe.

Der deutsch-französische Gipfel in der vergangenen Woche in der Nähe von Straßburg zeigte - wie "Le Monde" schrieb -, dass das Verhältnis der beiden Staate getrübt ist. Dafür gibt es viele Gründe. Am meisten sticht ins Auge, dass sich Deutschland jetzt - wie ein Riese, der sich plötzlich seiner Größe bewusst wird, vorsichtig in Europa und international behaupten will. Darauf reagiert die französische Regierung mit Besorgnis.

Einen symbolträchtigeren europäischen Ort als Blaesheim hätten Jacques Chirac und Gerhard Schröder für ihr Treffen nicht wählen können: In den vergangenen 130 Jahren hat das elsässische Dorf vier Mal zwischen deutscher und französischer Staatszugehörigkeit gewechselt. Und es ist wohl kein Zufall, dass Staatsmänner wie Robert Schumann und Konrad Adenauer, die mit dem Europäischen Gedanken auch die deutsch-französische Freundschaft verankert haben, vieles mit dieser Gegend verbunden haben.

Zweifellos ist das malerische Dorf im Elsass ganz bewußt ausgesucht worden, um den wachsenden Graben zu überbrücken. Dazu müssen allerdings beide Staaten die jetztigen Realitäten akzeptieren und ein neues Gleichgewicht schaffen. Denn die Nachkriegszeit, in der Deutschland in Trümmern lag und Frankreich sich immer noch als siegreiche Kolonialmacht verstand, ist längst Vergangenheit. Heute ist Deutschland eine bedeutende Wirtschaftsmacht und seit der Wiedervereinigung um ein Drittel größer als Frankreich.

Das Verhältnis zwischen Schröder und Chirac ist angespannt, das war auch auf dem letzten EU-Gipfel in Nizza deutlich zu erkennen. Dort lehnte Frankreich die deutsche Forderung kategorisch ab, eine höhere Stimmenzahl bei der qualifizierten Mehrheitsentscheidung zu erhalten, die Deutschlands Bevölkerungszahl und seiner Rolle als größtem Zahlmeister der EU entsprochen hätte. So erhielt Deutschland letztendlich nur 29 Stimmen - genauso viele wie Frankreich, Großbritannien und Italien. Nicht dementierten Meldungen der spanischen Tageszeitung "El Pais" zufolge soll Schröder in den frühen Morgenstunden des Treffens ausgerufen haben: "Das macht mich krank." Am vergangenen Mittwoch in Blaesheim schlugen Deutschland und Frankreich dagegen einen anderen Ton an. "Wir hatten eine sehr grundsätzliche Aussprache über das, was wir falsch gemacht haben - und insbesondere über das, was wir richtig gemacht haben und in Zukunft richtig machen werden", sagte Schröder diesmal. Deutschland hat deutlich gemacht, dass es im Zuge der Er-Erweiterung ein Stärkung der europäischen Institutionen und Regionen wünscht, wenn es sein muss auch zu Lasten des Nationalstaates.

Aber es macht keinen Sinn, jetzt so zu tun, als wäre alles wieder beim Alten. Auch wenn die Haltung Deutschlands nicht in allen Punkten nachvollzogen werden kann sollte Frankreich mehr Rücksicht auf die deutsche Position nehmen. Das heißt nicht, dass Frankreich Vorschläge akzeptieren soll, die es nicht billigt oder sich von Berlin ein Maß eine Stärkung der Regionen und eine Schwächung des Nationalstaates aufzwingen lassen muss, das dem französischen Charakter nicht entspricht. Die Zeit, in der die Politik über den Rhein hinweg diktiert werden konnte, ist vorbei. Ein neues selbstsicheres Deutschland, dessen Staatsmänner keine direkte Erinnerung an den Krieg haben, entsteht. Das Land mag immer noch die romantische Vorstellung hegen, dass es die Welt auf mehr als eine Weise erschüttert hat. Deutschland ist aber ebenfalls ein demokratischer Rechtsstaat, der eingebunden werden muss.

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