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Wirtschaft: Editorials: Deutschland als Neinsager

Der Inbegriff von wirtschaftlicher Unvernunft ist es, wenn Nichteigentümer etwas kontrollieren möchten, was ihnen nicht gehört. Das gilt besonders für die geplante Übernahmerichtlinie der Europäischen Union.

Der Inbegriff von wirtschaftlicher Unvernunft ist es, wenn Nichteigentümer etwas kontrollieren möchten, was ihnen nicht gehört. Das gilt besonders für die geplante Übernahmerichtlinie der Europäischen Union. Die Gesetzesinitiative könnte in dieser Woche am Widerstand besorgter Manager, Politiker und Gewerkschaftsführer scheitern - also an Personen, die wenige oder gar keine Anteile besitzen.

Obwohl die Übernahmeregelungen längst nicht perfekt sind, werden sie dringend gebraucht. Derzeit regeln in Europa 15 verschiedene Gesetze die Übernahme von Unternehmensbeteiligungen. Dies macht Investitionen über die Grenzen kompliziert und wegen der hohen Genehmigungskosten sehr teuer. Bessere und einfachere Regelungen würde den Leistungen der Unternehmen mit Sicherheit einen Schub verleihen und Großinvestoren nach Europa locken. Der für den Binnenmarkt verantwortliche EU-Kommissar Frits Bolkenstein und andere haben lange an einem Entwurf einer Richtlinie gearbeitet, welche die Stellung der Bieter verbessert und den Minderheitsaktionären die Möglichkeit gibt, ihre Anteile zu einem attraktiven Preis zu veräußern.

Jetzt, kurz vor der Zielgerade, droht das Vorhaben am "Nein" Deutschlands zu scheitern. Für die anderen Mitgliedsstaaten kommt diese Kehrtwende überraschend, da die Deutschen lange zu den eifrigsten Befürwortern der Regelung gehörten. Was ist also passiert? Offensichtlich kamen Politik und Spezialinteressen ins Spiel. Zuerst in Gestalt ängstlicher Manager bei Daimler-Chrysler, BASF und anderen Chemieunternehmen. Sie erfasste ein schauriger Gedanke: Mag sein, sagen sie, dass von "feindlichen Übernahmen" die Aktionäre profitieren. Aber denkt auch jemand an das Management? Schließlich könnten die neuen Investoren auch eine Auswechslung der Unternehmensführung erwägen. Fürchterlich.

Die vielleicht effektivste Lobbyarbeit kam wohl von Volkswagen. Jede fünfte Aktie an dem Fahrzeughersteller gehört dem Land Niedersachsen, das vor allem an dem Erhalt der Stellen interessiert ist und sich gegen einen Sparkurs gewandt hat. Auch aus dem Grund bleibt der Aktienkurs hinter dem anderer Autobauer zurück. Bei einer Übernahme könnte VW gezwungen sein, im Interesse seiner Privataktionäre wie jedes andere Unternehmen zu wirtschaften. Die Stimme des Unternehmens hat in der Politik großes Gewicht - war Gerhard Schröder doch einst selbst Aufsichtsratschef. Aber ist das, was für die VW-Manager gut sein mag auch nützlich für Europa?

Das größte Ungemach sieht man in dem geplanten Artikel 9 der Richtlinie. Danach können die Gesellschaften eine "feindliche Übernahme" nur abwehren, wenn die Anteilseigner zustimmen. Als es den Deutschen nicht gelang, Artikel 9 zu verhindern, versuchten sie es mit einem Änderungsvorschlag: Eine von den Aktionären einmal beschlossene Ablehnung "feindlicher Übernahmen" soll für alle Zeit wirken und solche Übernahmen für alle Zukunft abwehren. Doch wo liegt der Sinn dieser Bestimmung? Warum sollten die Anteilseigner heute über eine Übernahme im Jahr 2009 entscheiden, deren Bedingungen sie längst noch nicht übersehen können. Außerdem können Regierungen als Aktionäre den neuen Investoren auf diese Weise selbst nach einer Privatisierung das Leben schwer machen. Europa braucht endlich Grundrechte für Aktionäre. Hindernisse, wie Abwehr- und Sonderrechte sollten für jene aus dem Weg geräumt werden, die mit ihren schwer verdienten Euros die Zukunft ihrer Investitionen bestimmen wollen.

Aus The Wall Street Journal[übersetzt von Kr]

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