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Wirtschaft: Eichel knüpft Steuersenkung an Bedingungen

Minister verlangt Gegenfinanzierung / Grüne zweifeln am Subventionsabbau, Wirtschaft warnt vor neuen Schulden

Berlin (ce/fw/brö). Die Bundesregierung ist bereit, kurzfristig ein höheres Staatsdefizit hinzunehmen, um die für 2005 geplanten Steuerentlastungen um ein Jahr vorzuziehen. Die Steuersenkungen müssten aber „in der Perspektive“ gegenfinanziert sein, forderte Finanzminister Hans Eichel (SPD) am Freitag in Berlin. Er sprach sich für einen drastischen Abbau von Subventionen aus. Die Wirtschaft begrüßte Steuersenkungen grundsätzlich, warnte die Bundesregierung aber vor einem „Freibrief für eine höhere Neuverschuldung“.

Ein Vorziehen der Steuerreform hatten Opposition und Steuerexperten seit langem gefordert. Sie erwarten, dass niedrigere Steuern zu einem freundlicheren Wirtschaftsklima und zu einer kräftigeren Binnennachfrage führt. Die Bundesregierung hatte sich bislang unter Verweis auf die prekäre Lage der Staatsfinanzen dagegen gesträubt.

Eichel warnte, es seien schon „tief greifende Einschnitte“ nötig, um 2004 einen verfassungsgemäßen Haushalt vorzulegen – auch ohne zusätzliche Steuersenkungen. Damit der Haushalt verfassungskonform ist, darf die Neuverschuldung die Investitionen des Bundes von 25 Milliarden Euro nicht übersteigen. Dafür muss Eichel noch eine Finanzierungslücke in Höhe von mindestens 15 Milliarden Euro schließen. Derzeit führt er mit seinen Kabinettskollegen Verhandlungen, in welchen Ressorts sich noch Einsparungen erzielen lassen. Ein Vorziehen der dritten Steuerreformstufe würde zusätzlich zu Steuerausfällen in Höhe von 18 Milliarden Euro führen.

Auf einer zweitägigen Klausur Ende Juni soll der Entwurf für den Haushalt 2004 festgezurrt werden. Dann wird voraussichtlich auch die Entscheidung fallen, ob vorzeitige Steuerentlastungen möglich sind. RotGrün und die Union tun sich aber noch schwer, sich auf ein Paket für den Abbau von Subventionen zu verständigen. Während Unions-Fraktionsvize Friedrich Merz erneut die Subventionen für Steinkohle und Windenergie ins Gespräch brachte, nannte Finanzminister Eichel die Eigenheimzulage sowie den Abbau von Subventionen in der Landwirtschaft. Die Grünen brachten erneut die Pendlerpauschale ins Gespräch. Zur Disposition stehen auch die steuerfreien Sonn-, Nacht- und Feiertagsarbeitzuschläge. Eichel stellte klar, dass es nicht ausreiche, binnen dreier Jahre zehn Prozent der Subventionen zu kürzen, wie es die Ministerpräsidenten Peer Steinbrück (SPD) und Roland Koch (CDU) vorschlagen.

Sollte die Bundesregierung Bürger und Unternehmen steuerlich entlasten, stiege die Gefahr, dass Deutschland erneut die Drei-Prozent-Grenze des EU-Stabilitätspaktes verletzt. Er sieht vor, dass die jährliche Neuverschuldung drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes nicht übersteigt. Die EU-Kommission zeigte sich am Freitag aber zurückhaltend: „Wie wir reagieren, hängt davon ab, wie die Steuerausfälle finanziert werden und welche weiteren Sparmaßnahmen ergriffen werden“, sagte der Sprecher von Finanzkommissar Pedro Solbes dem Tagesspiegel. Das Überschreiten der Defizitgrenze wäre nicht zwingend ein Bruch des Paktes, den die Kommission willig ist, flexibel auszulegen. Eine wachstumsorientierte Politik lehnt sie nicht per se ab, erwartet aber dafür, dass Deutschland nötige Reformen anpackt.

Das mahnten auch Vertreter der Wirtschaft an. „Der Druck auf die Reform der Sozialversicherungen darf nicht schwinden“, sagte Klaus Bräunig, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Industrieverband BDI. Der Steuerexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Alfons Kühn, äußerte gegenüber dem Tagesspiegel den Verdacht, „dass Rot-Grün mit einem Steuerbonbon vertuschen wolle, dass die Beiträge zur Renten- und zur Krankenversicherung zum Jahresende steigen müssen“.

Noch ist eine solche Maßnahme ohnehin in der rot-grünen Koalition heftig umstritten – über die Parteigrenzen hinweg. Während Grünen-Fraktionschefin Krista Sager davor warnte, „wie ein Kind vor Weihnachten immer längere Wunschzettel zu schreiben“, begrüßte der grüne Mittelstandspolitiker Hubert Ulrich die Idee. „Das wird die Stimmung in der Wirtschaft positiv beeinflussen“, sagte er. Laut Eichel könnte ein Vorziehen der Steuerreform notwendig werden, um eine dauerhafte Phase der Stagnation zu verhindern.

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