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Wirtschaft: Eichel will jetzt pauschal kassieren

Spekulationssteuer von 15 Prozent auf Aktien und Immobilien/Altbestände werden mit 1,5 Prozent besteuert

Berlin (hej/hop). Gewinne aus Aktien und Immobilienverkäufen sollen zukünftig pauschal mit 15 Prozent besteuert werden. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundesfinanzminister Hans Eichel (beide SPD) kündigten am Montag einen entsprechenden Gesetzentwurf an, der am Mittwoch vom Bundeskabinett verabschiedet werden soll. Eichel erhofft sich von der Spekulationssteuer für das Jahr 2004 Einnahmen von 325 Millionen Euro, ab 2005 sollen die jährlichen Einnahmen auf 650 Millionen steigen. Die Oppositionsparteien im Bundestag kündigten bereits ihren Widerstand im Bundesrat an. Interessenvertreter übten harsche Kritik an der geplanten Neuregelung.

Immobilienbesitzer sprachen von einer „kalten Enteignung“. Der Präsident des Grundeigentümerverbandes „Haus und Grund“, Rüdiger Dorn, sagte, etwa 80 Prozent der in Deutschland vermieteten Wohnungen würden von privaten Investoren gehalten. Deutliche Kritik übten Vermieter und Aktionärsvertreter an dem Vorhaben, Altbestände rückwirkend mit einer Pauschalsteuer von 1,5 Prozent zu belegen. „Da habe ich verfassungsrechtliche Bedenken“, sagte der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW), Ulrich Hocker. Anlagestrategen wiesen zudem darauf hin, dass eine pauschale und unbefristete Besteuerung von Aktiengewinnen dem Ziel einer börsengestützten Altersvorsorge zuwider liefe. Die Börse ließ sich jedoch nicht schocken und bewegte sich am Donnerstagabend etwa auf Vortagsniveau.

Nach langem Hin und Her einigte sich die Koalition jetzt auf folgende Regelung: Alle Veräußerungsgewinne aus Geschäften mit Immobilien, Aktien oder Fondsanteilen, die nach dem 21. Februar 2003 getätigt werden, sollen pauschal mit 15 Prozent besteuert werden. Für Aktien oder Immobilien, die vor diesem Stichtag erworben wurden, soll eine Pauschalsteuer von 1,5 Prozent auf den gesamten Verkaufserlös erhoben werden, falls der Anleger nicht nachweisen kann, wie hoch der Gewinn oder Verlust tatsächlich ist. Von der Regelung nicht betroffen sind Zinseinkünfte und Dividenden.

Der Stichtag könne sich allerdings noch verschieben, sagte eine Sprecherin des Bundesfinanzministeriums dem Tagesspiegel. Am 21. Februar sei die dritte Lesung und Verabschiedung des neuen Gesetzes im Bundestag zwar geplant, das könne sich aber durchaus ändern. Um tatsächlich in Kraft zu treten, ist allerdings die Zustimmung des Bundesrats nötig – und dort sind die Unions-Länder in der Mehrheit. Bayerns Ministerpräsident Stoiber (CSU) kündigte am Montag bereits an, die Spekulationssteuer im Bundesrat zu Fall bringen zu wollen. Dann wäre ein Vermittlungsausschussverfahren nötig.

Trotz der rechtlichen Bedenken glaubt DSW-Chef Hocker, dass „der Kapitalmarkt zähneknirschend mit der Regelung leben kann.“ Tatsächlich sind die neuen Pläne milder als die von der Koalition ursprünglich ins Auge gefasste Aufhebung der Spekulationsfristen im Aktien- und Immobilienbereich, bei der die Steuerpflichtigen die Spekulationsgewinne mit ihrem persönlichen Einkommensteuersatz hätten versteuern müssen. Derzeit müssen Kursgewinne nur versteuert werden, wenn sie innerhalb einer Spekulationsfrist von einem Jahr realisiert werden und den Freibetrag von 512 Euro übersteigen. Für Spekulationsgewinne bei nicht selbst genutzten Immobilien beträgt die Spekulationsfrist zwölf Jahre.

Die nun geplante Besteuerung sei verhältnismäßig milde, sagte Reinhild Keitel von der Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK). Allerdings seien die Anleger verunsichert. Beim Deutschen Institut für Altersvorsorge in Köln hieß es, generell sei jede Besteuerung von Altersvorsorgevermögen kontraproduktiv. Wenn Eichel argumentiere, dass ein Steuersatz von 15 Prozent im Vergleich zu anderen Ländern niedrig sei, stimme das nur bedingt: Zwar würden Kapitalerträge im Ausland teilweise höher besteuert, gleichzeitig liege aber dort oft die Einkommensteuer niedriger. Das bedeute, dass dem Einzelnen mehr Geld übrig bleibe.

Wolfgang Gerke, Professor für Banken- und Börsenwesen an der Universität Nürnberg-Erlangen, begrüßte dagegen die Regierungspläne: „Eine gewisse Steuergerechtigkeit muss sein.“ Die aktuelle Fassung der Steuerpläne sei wesentlich besser als die ursprüngliche Version, sagte er dem Tagesspiegel. Sie sei außerdem eine „einfache Lösung“. Auch Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Tendenz für richtig. In Deutschland gehe der Trend insgesamt zu niedrigeren Steuersätzen. In dem Zusammenhang müsse dann die Bemessungsgrundlage verbreitert werden. Für bedenklich hält er allerdings die Besteuerung von langfristigen Anlagen. Und schädlich sei auch das Hickhack gewesen, bis die Regierung zu diesem Ergebnis gekommen sei.

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