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Wirtschaft: Ein echter "Mittel-Svensson" an der Ikea-Spitze

STOCKHOLM .Die Sozialdemokraten schufen das "Volksheim", Ikea möbliert es - so lautet ein Bon-mot über den schwedischen Möbelausstatter des Kleinen Mannes.

STOCKHOLM .Die Sozialdemokraten schufen das "Volksheim", Ikea möbliert es - so lautet ein Bon-mot über den schwedischen Möbelausstatter des Kleinen Mannes.Der dieser Tage ernannte neue Chef des Unternehmens, Anders Dahlvig, stellt sich als Bilderbuch-Beispiel dieses Image vor.Er sei ein echter "Mittel-Svensson", sagt der 41jährige Vorstandschef, das heißt ein schwedischer Normalverbraucher wie Du und ich.Sein Lebensstil ist entsprechend.Sein Jahreseinkommen liegt bei gut einer Million Schwedenkronen, was umgerechnet rund 220 000 DM entspricht.Dahlvig wohnt in einem Durchschnittshaus, fährt Ford Escort und Renault Mégane.Und in seiner knappen Freizeit widmet er sich ganz seiner Frau und seinem Sohn.Wenn dann noch etwas Zeit übrigbleibt, spielt Anders Dahlvig gerne Golf und läuft Ski.Das Sympathische: An diesen Lebensgewohnheiten wird sich auch in Zukunft wenig ändern, nachdem Dahlvig Herr über ein Imperium von 150 Möbelhäusern in 28 Ländern mit einem Jahresumsatz von knapp 57 Mrd.Schwedenkronen (umgerechnet sind das fast 13 Mrd.DM) und 40 000 Beschäftigten geworden ist.Dahlvig beschreibt sich gern als Sohn der kargen Landschaft Småland, deren Bewohner für Sparsamkeit, Erfindergeist und unternehmerischen Elan bekannt sind.Das dort vor über 50 Jahren von dem berühmtesten Småländer, Ingvar Kamprad, gegründete Stammhaus ist heute noch Hirn und Motor des Konzerns, wenngleich die Hauptverwaltung seit langem im dänischen Humlebäk angesiedelt ist.Die småländischen Tugenden prägen die Geschäftsidee des Multis, "Möbel von guter Qualität und gutem Design zum niedrigstmöglichen Preis" anzubieten.Eine Wohltätigkeitsorganisation ist Ikea damit keineswegs.Andererseits muß die Familienfirma sich aber auch nicht wie eine Börsengesellschaft dem "shareholder value" verpflichtet wissen, meint Dahlvig."Ingvar Kamprad geht es längst nicht mehr darum, das eigene Vermögen zu mehren.Das Unternehmen soll zwar ordentlich Geld verdienen, das läßt sich aber mit unserer Vision, den vielen Menschen zu dienen, auf einen Nenner bringen." Der 73jährige Firmenpatriarch Ingvar Kamprad residiert in Lausanne.Zur Sicherung seines Möbelhaus-Imperiums und aus steuerlichen Gründen hat Kamprad eine komplizierte Stiftungsstruktur mit Sitz in den Niederlanden und auf den niederländischen Antillen etabliert.Als Ikea zur Verabschiedung des nach 30 Jahren Dienst in die Vereinigten Staaten abwandernden bisherigen Chef, Anders Moberg, einlud, glaubte alle Welt, daß nun die drei Söhne, die alle in der Firma engagiert sind, das Ruder übernehmen.Doch der Vater wie sein Ältester, der 34jährige Peter, taten kund, die junge Generation fühle sich noch nicht reif für diesen Schritt.

Der stattdessen nach 16jähriger Karriere im Konzern - zuletzt als Vize-Europachef - auf den Schild gehobene Anders Dahlvig übernahm den Topposten zwar etwas "erdrückt von der Verantwortung", jedoch nicht als Platzhalter für die irgendwann nachrückenden jungen Kamprads."Meine Ambition ist es, diesen Job so lange zu behalten, wie ich Lust dazu habe und gute Arbeit leiste." Dahlvig, eine Zeit lang persönlicher Assistent des Gründers, teilt dessen Grundvorstellungen von der Ikea-Kultur."Ich hege auch eigene Gedanken, die nicht unbedingt denen Ingvars entsprechen, aber dadurch ergänzen wir uns."

Den "Alten", der nur noch Ämter im Stiftungsvorstand innehat, aber allgegenwärtig ist und ständig neue Ideen produziert, hält der neue Chef weiterhin für den stärksten Trumpf des Unternehmens."Schwer vorstellbar, was aus Ikea wird, wenn er einmal nicht mehr da ist, aber ich hoffe, daß wir uns dann als erwachsen genug erweisen, um den Betrieb auch ohne ihn weiterführen zu können." Statt großartiger Strategien verspricht Anders Dahlvig Kontinuität.Wohl aber gelte es den Ikea-Kundenkreis, in dem der Durchschnittskäufer 38 Jahre alt ist, durch anspruchsvollere Produkte stärker als bislang auf ältere, gut verdienende Schichten auszudehnen.Eine Expansion zu den noch weißen Flecken auf der Ikea-Weltkarte, Lateinamerika und Afrika, liegt nach Dahlvigs Einschätzung wegen logistischer Probleme weit in der Zukunft.Vorläufig konzentriere sich der Konzern auf West- und Osteuropa, - das erste Warenhaus in Moskau soll in diesem Jahr eröffnet werden - und auf Nordamerika und Asien, wo die ersten Häuser auf dem riesigen Markt China stehen.

"In Europa machen wir zwar 85 Prozent unseres Umsatzes, aber wir haben nur einen Marktanteil von zehn Prozent, da gibt es also noch 90 Prozent zu holen", meint der neue Chef - plötzlich gar nicht mehr so bescheiden.

JÖRGEN DETLEFSEN

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