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Wirtschaft: Ein EU-Beitritt Polens nützt Berlin und Brandenburg

POTSDAM .Eine Vision, die Befürchtungen weckt: Wenn in zwei, vier oder sechs Jahren nach der Osterweiterung der Europäischen Union billige Arbeitskräfte aus Polen, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei nach Deutschland strömen, gehen in Berlin nicht nur Arbeitsplätze auf dem Bau verloren.

POTSDAM .Eine Vision, die Befürchtungen weckt: Wenn in zwei, vier oder sechs Jahren nach der Osterweiterung der Europäischen Union billige Arbeitskräfte aus Polen, Tschechien, Ungarn oder der Slowakei nach Deutschland strömen, gehen in Berlin nicht nur Arbeitsplätze auf dem Bau verloren.Sorgen, die nur zum Teil berechtigt sind.Zum anderen Teil sind es Vorurteile, Falschinformationen.Doch die Sorgen der Menschen, das wurde am Montag auf der Beschäftigungskonferenz "EU-Erweiterung: Chancen und Risiken für den Arbeitsmarkt" der europäischen Sozialdemokraten in Potsdam deutlich, müssen ernstgenommen werden.Gegen Vorurteile, darin waren sich aus Straßburg angereiste Europaparlamentarier auf Hermannswerder einig, ist aber kein Kraut gewachsen.Einfacher sei es schon, die Informationsdefizite abzubauen und sich dafür einzusetzen, daß - vor dem Beitritt Polens zur Europäischen Union - Fakten und nicht populistisches Wahlkampfgetöse das Klima auf beiden Seiten der Grenze bestimmen.

Was sich heute zum Beispiel die Polen im Vorgriff auf den Beitritt zur EU anhören müssen, erinnert den spanischen Rechtsanwalt Manuel Rojas Castro an die eigenen Landsleute, denen mit ihrem Eintritt in die Union 1986 eine Welle des Mißtrauens entgegengeschlagen sei.Aus Angst, daß Spanier wie auch Portugiesen den freien Zugang in den reichen Westen als Aufforderung zum Wettlauf über die Grenzen mißverstehen könnten, wurde eine siebenjährige Übergangsfrist festgelegt.Die Vorsichtsmaßnahme stellte sich schon bald als überflüssig heraus.Von einer Wanderungswelle konnte trotz des großen Wohlstandsgefälles gar keine Rede sein.Weniger als 60 000 spanische Arbeitnehmer gibt es zur Zeit in Deutschland und die Zahl nimmt weiter ab.

Doch die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist heute wesentlich dramatischer und die Brüsseler Behörden sind längst nicht mehr so großzügig wie früher.Ganz im Gegenteil.Kommen die östlichen Kandidaten wirklich dazu, müssen die Strukturfonds umgeschichtet, die Finanzpläne neu ausgerichtet werden.Doch die Osterweiterung, so mahnt der österreichische EU-Parlamentarier Hannes Swoboda, sei kein Nullsummenspiel, wo die eine Seite gewinnt, was die andere verliert.

Käme es in absehbarer Zeit zum Beitritt der zunächst fünf Kandidaten, so die Berechnungen, müßte Österreich mit einer Zuwanderung von rund 50 000 zusätzlichen Arbeitskräften rechnen.Swoboda geht davon aus, daß etwa die Häfte davon Pendler wären.Wenn auch nicht direkt übertragbar und sicher von der Nachfrage abhängig, könnte Brandenburg mit einer ähnlichen Zahl von Grenzgängern rechnen.Der EU-Politiker weiß aber auch, daß die prognostizierte Wanderungsbewegung deutlich niedriger ausfallen würde, wenn Übergangsfristen vereinbart werden.

Nicolas van der Pas, Generaldirektor der EU-Task-Force, rät, bei den nun beginnenden Beitragsverhandlungen rational zu bleiben.Vor verbindlichen Entscheidungen müssen 80 000 Seiten Regelwerk vermittelt, verstanden und akzeptiert werden.Dennoch steht fest: ein Zurück wird es nicht mehr geben.Schon heute haben sich die Exporte in die östlichen Nachbarstaaten verzehnfacht.Nur der EU-Beitritt, sagt van der Pas zu Recht, kann das Wohlstandsgefälle ausgleichen und damit auch die europäischen Arbeitsmärkte harmonisieren.

PETER BOLM

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