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Wirtschaft: Ein Hauch von Goldrausch - droht bald der Zusammenbruch? (Leitartikel)

Die großen Börsenzusammenbrüche werden nicht vorher angesagt. Aber sie kommen auch nicht ganz unerwartet.

Die großen Börsenzusammenbrüche werden nicht vorher angesagt. Aber sie kommen auch nicht ganz unerwartet. Notorische Crash-Propheten malen permanent den großen Knall an die Wand - und haben irgendwann auch mal Recht. Aber nun warnen ernst zu nehmende Stimmen wie der amerikanische Notenbankpräsident Alan Greenspan und die Bundesbank vor Übertreibungen an den Börsen und vor den Folgen für die reale Wirtschaft. Zu Recht?

Wer auf die jüngste Entwicklung an den Börsen schaut, der findet wenig stichhaltige Gründe für eine "große Korrektur". In New York ist der berühmte Dow-Jones-Aktienindex seit Jahresanfang um gut zehn Prozent zurückgegangen - und das, obwohl die amerikanische Wirtschaft weiter boomt und die Unternehmensgewinne steigen. In Deutschland hat der viel beachtete Dax seit Jahresanfang zwar 13 Prozent zugelegt. Aber hierfür sind die drei Titel Telekom, SAP und Siemens verantwortlich. Ihr Gewicht im Dax macht alleine 45 Prozent aus. Sie gehören zu den Gewinnern des Internet-Goldrausches. Wenn sich ihre Kurse innerhalb eines Jahres mehr als verdreifacht haben, dann drücken sich darin kräftig gestiegene Gewinnpotenziale aus - oder, wie bei Siemens mit Infineon, außerordentliche Erträge aus dem Börsengang von Unternehmensteilen. Das sind keine spekulativen Blasen, die die Angst vor einem Crash nähren können. Zu fragen ist allerdings, ob wir mit dem Dax, der von nur drei Unternehmen so entscheidend bestimmt wird, ein repräsentatives Börsenbarometer haben. Zweifel daran sind auch aus einem anderen Grund angesagt. Die eigentliche Musik spielt heute immer stärker auf den Neuen Märkten (Nemax und Nasdaq), dort, wo die jungen und besonders dynamischen Technologie-Unternehmen gehandelt werden. Hier sind sagenhafte Gewinne in kurzer Zeit an der Tagesordnung. Die Anleger zahlen für Unternehmen, die neu an die Börse kommen, ein Mehrfaches des von Fachleuten vorher sorgfältig ermittelten Wertes. Ist das gesund? Wer auf bewährte Analysen setzt, das Verhältnis etwa zwischen dem Gewinn eines Unternehmens und seinem Kurs anschaut, kann das kaum nachvollziehen. Während DaimlerChrysler Aktien heute für weniger als 10mal den Gewinn zu haben sind, muss man für Balda gut 80mal und für inktomi 690mal den Gewinn zahlen! Alle setzen auf ein neues Wunder a la Microsoft. Aber nur eines von zehn neuen Technologie-Unternehmen wird reüssieren, sagen Kenner. Mit den Aktien der übrigen wird man heutzutage dann nicht mal mehr sein Zimmer tapezieren können.

Anscheinend sind sich die meisten professionellen Anleger dieses Risikos bewusst - und spielen angesichts der großen Chancen trotzdem mit. Wichtig ist nur, dass die neuen, unerfahrenen Aktionäre über die Risiken aufgeklärt werden. Dann bilden sich die großen Übertreibungen von selbst zurück. Unerwünscht und Besorgnis erregend ist aber, dass jeder Gründer, der mit einer einigermaßen attraktiven Idee an den Markt geht, Kapital satt bekommt und damit dann großzügig auf Einkaufstour gehen kann. Damit droht das Kapital seine wichtige Lenkungsfunktion in der Marktwirtschaft zu verlieren.

Für die Währungshüter in Frankfurt oder Washington gibt es zur Zeit aber keinen Grund, die Alarmsirene anzuschalten. Ein guter Teil der kräftigen Hausse in Technologiewerten spiegelt nur den stürmischen Aufbruch in die Internet- und Biotech-Wirtschaft. Ihr Merkmal ist nicht so sehr die Globalisierung, sondern die breite "E-Commerzialisierung" nahezu aller Märkte. Die Börsen signalisieren das nur.

Heik Afheldt

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