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Wirtschaft: Ein heißer Sommer für die Bahn

Sachverständige lehnen Gesetz zur Privatisierung ab – und die Lokführer wollen ab Juli streiken

Berlin - Der Sommer wird für die Deutsche Bahn schwierig. Eigentlich sollen die Grundlagen für die Privatisierung geschaffen werden – und zwar im Sinne von Bahnchef Hartmut Mehdorn, der die Einheit von Verkehrstöchtern und Schienennetz fordert. Doch bei einer Expertenanhörung am Mittwoch im Bundestag äußerten die meisten Experten schwere verfassungsrechtliche und bilanzrechtliche Bedenken. Zudem droht eine Streit mit der Lokführergewerkschaft GDL. Nur eine gute Nachricht gab es für die Bahn: Der Bund will ab 2009 wieder mehr Geld in den Regionalverkehr stecken.

Die GDL fordert einen Spartentarifvertrag für Lokführer und Zugbegleiter mit Lohnerhöhungen von bis zu 30 Prozent. Die Bahn versucht zum einen, vor dem Mainzer Arbeitsgericht zu erreichen, dass die GDL dafür nicht streiken darf. Zum anderen warnt der Konzern davor, dass ein so hoher Abschluss die Beschäftigungssicherung gefährden würde. Gewerkschaftschef Manfred Schell argumentiert dagegen, die Löhne der Beschäftigten seien seit 1994 nur moderat gestiegen. Ein Lokführer erhalte ein Einstiegsgehalt von 1970 Euro brutto, langjährige Mitarbeiter maximal 2142 Euro. Hier einen deutlichen Zuschlag zu fordern, sei nicht unverschämt. Schließlich habe der Bahnvorstand eine Gehaltserhöhung von 62 Prozent bekommen. Die GDL will ein Einstiegsgehalt von 2500 Euro für Lokführer und von 2180 Euro für Zugbegleiter (bisher 1775 Euro). Mit einem separaten Abschluss mit der GDL, die nach eigenen Angaben für 30 000 Bahnmitarbeiter verhandelt, würde die Tarifeinheit im Konzern zerbrechen. Das sei nicht praktikabel, heißt es bei der Bahn, die mit den beiden größeren Gewerkschaften Transnet und GDBA spricht. Die GDL gibt sich aber kampffreudig. Man rechne nicht mit einem Erfolg der Bahn vor Gericht. Für Ende Juni ist die nächste Verhandlung angesetzt. Ab Juli werde es dann Streiks geben, sagte GDL-Chef Schell.

Die Vorbereitungen für ein Privatisierungsgesetz kommen indes kaum voran. Ursprünglich sollte der zwischen den Ressorts abgestimmte Entwurf Ende Mai das Kabinett passieren. Grundlage ist der Kompromiss der Koalition von Ende 2006, wonach die Bahn das wirtschaftliche Recht am Netz erhält und der Bund das juristische Eigentum. Bisher gibt es aber schwere Bedenken gegen den Text von Verkehrsminister Tiefensee. Die Bedenken sind nach der Anhörung im Bundestag gewachsen. Von den Experten verteidigten nur wenige den Gesetzentwurf. Einer war Hubertus Gersdorf von der Uni Rostock. Er hatte bereits für das Verkehrsministerium ein Gutachten vorgelegt und in diesem Jahr auch für die Bahn gearbeitet. Wohlwollend äußerte sich aus bilanzrechtlicher Sicht Rainer Hüttemann vom Bonner Institut für Steuerrecht, er sieht aber noch Unsicherheiten.

Dagegen kommt Ferdinand Kirchhof von der Uni Tübingen zu dem Schluss, dass beim derzeitigen Gesetz die verfassungsmäßigen Pflichten des Bundes zu kurz gekommen sind gegenüber dem Ziel, die Infrastruktur bei der Bahn zu bilanzieren. Aber selbst die Bilanzierung kann mit dem Gesetz nicht erreicht werden, urteilt Detlef Kleindiek von der Uni Bielefeld. Ein negatives Urteil fällte auch der Frankfurter Bahnrechtsexperte Georg Hermes. Nach seiner Einschätzung würde das Gesetz dem Bund nicht genügend Einflussmöglichkeiten auf das Netz einräumen, um der Verfassung gerecht zu werden.

Nach Ansicht des Finanzministeriums könnte der Bund derweil bei einer Zerschlagung der Bahn mehr Geld einnehmen als mit dem aktuellen Privatisierungsplan. Das „Manager Magazin“ berichtet unter Berufung auf eine interne Analyse des Ministeriums, mit dem Verkauf von 25 Prozent der Bahn seien Einnahmen von drei Milliarden Euro möglich. Allein die Abspaltung der Logistiksparte Stinnes mit der Spedition Schenker bringe dagegen acht Milliarden Euro, das Busgeschäft vier bis fünf Milliarden. Ein Sprecher von Minister Peer Steinbrück sagte dazu, dies sei kein aktuelles Szenario. Man habe es nur im Vorfeld der Diskussion über den Börsengang geprüft.

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