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Wirtschaft: Ein Helfer in der Not hat Geburtstag

Der Januar 1929 war gerade 29 Tage alt, als sich ein Mitarbeiter der Vereinigten Papierwerke AG in Bayern auf den beschwerlichen Weg nach Berlin machte.Sein Ziel war das Reichspatentamt und im Gepäck hatte der Mann einen Patentantrag, der seinen Erfindern zu weltweitem Ruhm verhelfen sollte.

Von Antje Sirleschtov

Der Januar 1929 war gerade 29 Tage alt, als sich ein Mitarbeiter der Vereinigten Papierwerke AG in Bayern auf den beschwerlichen Weg nach Berlin machte.Sein Ziel war das Reichspatentamt und im Gepäck hatte der Mann einen Patentantrag, der seinen Erfindern zu weltweitem Ruhm verhelfen sollte."Tempo", überraschte der Antragsteller den staunenden Reichsbeamten, solle der Hygieneartikel heißen.Was sich dahinter verbirgt? Na ganz einfach - ein Papiertaschentuch.

Ruck und zuck und schnief - heute wird der kleine weiße Helfer in der Not 70 Jahre alt und hat eine Karriere hinter sich, die wohl einzigartig ist.Kaum ein anderes Produkt hat es wie der simple Papierfetzen geschafft, sich so unentbehrlich für alle Schnupfennasen zu machen und sich so selbstverständlich in den Wortschatz selbst kleiner Kinder einzuschleichen.

Klever ausgedacht verstanden es die Hersteller des weißen Vierecks von Anfang an, ihrem Produkt die Aura des Unverwechselbaren zu geben.Erst wurden ihm antibakterielle Wirkungen nachgesagt, dann der Ruf des Unverwüstlichen angedichtet und zum Schluß erhielt Tempo auch noch das gewisse Extra für den eiligen Nieser - den Zick-zack-Kniff.Heute gibt es Tempo, das seit 1994 zum Proctor und Gamble Konzern gehört, sogar mit duftendem Menthol oder butterweicher Aloe.Obwohl nicht mehr als ein Wegwerfprodukt gelang es Tempo so über Jahrzehnte hinweg, alle anderen Versuche, sich an den Erfolg des Marenartikels heranzuhängen, zum Scheitern zu bringen.Selbst in der alten DDR kannte man Tempo beinahe vierzig Jahre lang, obwohl es nicht ein einziges Exemplar zu kaufen gab.

Ohne Frage gehört Tempo zum Kreis der wenigen Markenartikel, die im deutschsprachigen Raum namensgebend sind.Neben Tesafilm oder dem Duden benutzen die meisten Verbraucher den Begriff Tempo selbst dann, wenn sie garnicht Tempo sondern ein ganz anderes Produkt meinen."Appelativ" nennt man solche Doppelung und sie ist bisher nur ganz wenigen Marken gelungen.

Grund für die Bekanntheit ist wohl auch der Versuch, sich mit jedem Werbeprodukt ganz nah am Zeitgeist zu bewegen.War es in den 30iger Jahren Herr Müller, der in Zeitungsanzeigen zum Tempo griff, damit seine Frau nicht mehr länger die vergrippten Stofftaschentücher waschen muß, folgte in den 70iger Jahren ein spöttischer TV-Spot, der selbst in Cannes mit einem Preis geehrt wurde.Wer kennt ihn nicht, den Schlawiner, der sich heimlich zu später Stunde nach Hause schleicht und dem drohenden Ehekrach nur entgeht, weil in letzter Sekunde ein Tempo zur Hand ist.

Sauber gefaltet und appetitlich verpackt tritt Tempo schon ein paar Jahre nach seiner Erfindung auch wirtschaftlich in den Kreis der Markenartikel ein.Ende der 30iger Jahre verlassen fast 400 Mill.Tücher das Schwalbacher Werk und Mitte der 50iger Jahre führt die Kundschaft das erste Milliarden-Tempo zur Nase.Heute beherrschen die Tempo-Macher das Geschehen im Wettbewerb der Wegwerftaschentücher mit gut 40 Prozent Marktanteil.

Zum Jubiläum hat sich der Konzern für April eine ganz besondere Geburtstagsüberraschung ausgedacht.Unter dem Motto "70 Jahre Tempo - Deutschland zu Tränen gerührt" werden bis Mitte März 210 Wochenend-Reisen nach Berlin verlost.Anläßlich einer Tempo-Kino-Gala soll den Gästen die Zeitreise des Tempo und ein Kinofilm präsentiert werden.

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