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Blau machen. Der Streit entzündete sich an den blauen Tonnen für Altpapier. Das Sammeln war einst sehr lukrativ. Foto: picture-alliance / dpa

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Wirtschaft: Ein Kompromiss für die Tonne

Der Bundestag will heute den jahrealten Abfallstreit zwischen Kommunen und Privatwirtschaft beenden

Berlin - Ein über Jahre andauernder Streit innerhalb der Abfall- und Recyclingwirtschaft könnte dieser Tage beendet werden. Am heutigen Mittwoch befasst sich der Umweltausschuss des Bundestages abschließend mit einer Reform des Kreislaufwirtschaftsgesetzes. Am Freitag will der gesamte Bundestag das neue Gesetz in dritter Lesung verabschieden. Es regelt unter anderem, wo welche Unternehmen ihre Sammeltonnen aufstellen dürfen – und wie lange sie diese dort stehen lassen müssen.

Die Regelung dieser Detailfrage scheint banal, hat aber mittelbar Auswirkungen auf die Höhe der Müllgebühren, die jeder Privathaushalt zahlt. Ein Beispiel: Um das Jahr 2007 herum stiegen die Preise für bisher fast wertloses Altpapier auf bis zu 100 Euro je Tonne. Plötzlich stellten viele private Müllentsorger selbst in entlegendsten Regionen ihre Sammeltonnen auf – sehr zum Unmut der örtlichen kommunalen Entsorger. Die müssen schließlich ihren Auftrag zur Daseinsvorsorge erfüllen und immer – auch wenn sich mit Abfall kein Geld verdienen lässt – die Stoffe abholen. Die kommunalen Firmen schimpften also auf die „Rosinenpicker“, die ihre Tonnen plötzlich wieder abzogen, als der Papierpreis sank.

2009 entschied das Oberverwaltungsgericht in Leipzig, dass dieses Sammeln der Privaten nicht zulässig ist. Damit entzog das Gericht auch vielen etablierten privaten Firmen, die über Jahre verlässlich alle mögliche Wertstoffe gesammelt hatten, eine wichtige Geschäftsgrundlage. Im März dieses Jahres legte das Bundesumweltministerium einen ersten Gesetzesentwurf vor: Die Privaten hätten demnach wieder auch Altpapiertonnen aufstellen dürfen, hätten sich aber verpflichten müssen, diese mindestens ein Jahr lang stehen zu lassen.

Den Kommunen war das viel zu kurz. Der Verband der kommunalen Unternehmen (VKU) lancierte Zahlen, wonach die Müllgebühren bundesweit insgesamt um bis zu fünf Milliarden Euro steigen würden, da den Mitgliedsunternehmen wegen der privaten Sammler eine wichtige Einnahmequelle wegbrechen würde – mit der sie auch den Betrieb ihrer teils defizitären Müllverbrennungsanlagen finanzieren. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren setzten die Kommunen sich auch in dieser Frage durch.

Im Gesetzentwurf, der dem Parlament nun zur Abstimmung vorliegt, muss ein Privatunternehmen seine Tonnen mindestens drei Jahre lang stehen lassen. Zudem müssen die Privaten weitere Kriterien erfüllen, damit eine Kommune sie dulden muss. So müssen sie besseren Service bieten, also zum Beispiel Tonnen direkt vor Häuser oder in die Höfe stellen, und nicht nur einen Sammelcontainer auf den Marktplatz. „Der Kompromissvorschlag der Bundesregierung ist ein Schritt in die richtige Richtung. Es ist gut, dass der Vorschlag die Rosinenpickerei erschwert“, sagte VKU-Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck dem Tagesspiegel. Er begrüße, dass die Regierung den Kommunen im Bereich der gewerblichen Sammlung entgegengekommen sei und stütze den Kompromiss. „Es bleiben jedoch noch wesentliche Bedenken: Eine Liberalisierung der Abfallwirtschaft in Deutschland ist europarechtlich nicht zwingend und auch nicht der ökologisch richtige Weg“, sagte Reck.

Die Privaten sind froh, dass die Rechtslage nach dem Leipziger Urteil nun korrigiert wird. Gleichwohl verhindere das neue Gesetz den Wettbewerb, wie es beim Bundesverband der Entsorgungswirtschaft (BDE) hieß, bei dem Branchengrößen wie Alba oder Veolia organisiert sind. Beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung, der 600 eher kleine- und mittelständische Unternehmen der Branche vertritt, heißt es, man könne dem Kompromiss „nur mit Bauchschmerzen“ zustimmen.

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