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EIN KONZERN IN TURBULENZEN Was wird aus Vattenfall?: Aufstand der Wirtschaft

Berliner Kammern wollen neues Kraftwerk verhindern und Konzerne zerlegen

Berlin - Die Präsidenten der Berliner Kammern möchten die Energiekonzerne zerschlagen und dem hiesigen Versorger Vattenfall den Neubau eines Kraftwerks verwehren. IHK-Präsident Eric Schweizer und sein Kollege Stefan Schwarz von der Handwerkskammer plädierten am Mittwochabend für „ein Bündel von Maßnahmen, damit es mehr Wettbewerb gibt“. Unter anderem sehen die Vorschläge einen „Baustopp für das Oligopol“ vor. Mit dem Oligopol sind die Energiekonzerne Eon, RWE, Vattenfall und EnBW gemeint. Nach Ansicht der Kammern kann der Wettbewerb nur in Schwung kommen, wenn die vier Großen, die 80 Prozent der Kraftwerkskapazitäten in Deutschland besitzen, keine neuen Kraftwerke mehr bauen dürfen. Ferner sollten sie von den bestehenden Kraftwerken einige abgeben müssen. Das ist auch Ziel einer Gesetzesinitiative des hessischen Wirtschaftsministers, die voraussichtlich im kommenden Jahr in den Bundesrat eingebracht wird.

Die Berliner Kammerchefs begrüßten diese Initiative und darüber hinaus diverse Pläne der EU-Kommission und von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU), mit denen die marktbeherrschende Stellung der Energiekonzerne geknackt werden soll. Doch nach Einschätzung der Kammern haben alle diese Vorhaben nur Sinn, wenn sie im Bündel umgesetzt werden. So würden beispielsweise Dritte erst dann Kraftwerke bauen, wenn es tatsächlich auch einen diskrimierungsfreien Zugang zu den Netzen gäbe, argumentierte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK. Die EU-Kommission will den Erzeugern die Netze komplett abnehmen, die Bundesregierung ist allerdings dagegen.

Vattenfall reagierte in einer Stellungnahme auf die Kammern: „In fragwürdiger Qualität und Tiefe werden Marktzusammenhänge tendenziös dargestellt.“ In Berlin gäbe es mit mehr als 100 Stromanbietern „einen funktionierenden Wettbewerb“. Derzeit laufe die Planung für ein neues Kraftwerk mit der „ressourcenschonenden“ Kraft-Wärme-Kopplung. Trotzdem liege die Kraftwerkskapazität in Berlin noch unter der aus dem Jahr 2001. Schließlich beantworteten die Kammern nicht die Frage, „wie der Fernwärmebedarf von Berlin künftig gedeckt werden soll“, schreibt Vattenfall. Die Tochter des schwedischen Staatskonzerns Vattenfall betreibt in Berlin zehn Heizkraftwerke, die sowohl Strom als auch Wärme produzieren. Rund 80 Prozent der Stromverbraucher in Berlin werden von Vattenfall beliefert.

Wirtschaftssenator Harald Wolf (PDS) ließ durch seine Sprecherin Sympathie für die Vorschläge der Kammern erklären. Es sei aber bei der jetzigen Rechtslage dem Senat nicht möglich, den Bau eines Kraftwerks zu verbieten, wenn die entsprechenden Genehmigungen vorlägen. Wolf führe derzeit Gespräch mit Vattenfall. Ziel sei ein weniger großes Kraftwerk als geplant und ferner eine Gas- und keine Steinkohleanlage. Der Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger, äußerte sich auf Anfrage „eher skeptisch“ zu den Kammervorstellungen. Diese gingen „sehr weit und müssen deshalb auch genau geprüft werden“.

Zu den Vorschlägen gehört auch eine Entlastung des Mittelstands bei der Ökosteuer sowie der Appell an die Firmen, sich zu Einkaufsverbünden zusammenzuschließen, um der Angebotsmacht der Strom- und Gasanbieter mit einer größeren Nachfragemacht begegnen zu können. Schließlich bekannte sich IHK–Präsident Schweizer ausdrücklich zum Ausbau erneuerbarer Energien. Die Förderung sollte aber „zeitlich enger gefasst“ werden, damit sich „die neuen Technologien schneller dem Wettbewerb stellen müssen“. Bis die erneuerbaren Energien wettbewerbsfähig seien, sollten die Kernkraftwerke am Netz bleiben, schlagen die Kammern vor.

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