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Wirtschaft: Ein Nachfolger ist nicht in Sicht

Mitarbeiter sehen Josef Ackermann nur selten. Ihr größtes Problem wäre, wenn er gar nicht mehr kommt

Frankfurt am Main – An der Themse fühlt sich Josef Ackermann wohl. Als er Mitte Januar im Londoner Grosvenor House Hotel aus der Hand von Prinzessin Anne gleich ein halbes Dutzend Preise für die Deutsche Bank entgegennimmt, strahlt der 57-jährige Schweizer über das ganze Gesicht. Besonders stolz macht ihn die Auszeichnung zur „Bank des Jahres 2005“ des renommierten Fachblatts „International Financing Review“.

Keine Staatsanwälte, keine Gerichte, keine Attacken in der Öffentlichkeit, weil die Deutsche Bank Jobs abbaut oder Fonds schließt. In London – wie auch in New York – genießt die Bank einen tadellosen Ruf. Und hier macht sie glänzende Geschäfte. Britische und amerikanische Investmentbanker schütteln den Kopf über den Ärger, den Ackermann in seiner Heimat auf sich zieht.

In den Zwillingstürmen der Deutschen Bank in Frankfurt am Main ist die Stimmung hingegen angespannt. Angesichts der glänzenden Zahlen, die Ackermann am 2. Februar präsentieren dürfte, haben die Mitarbeiter eigentlich keinen Grund, über ihren Chef zu klagen. Die 200 Top- Manager stehen ohnehin hinter Ackermann. „Die Stimmung im Haus ist nicht schlecht. Wir sind stolz auf das, was die Bank erreicht hat“, sagt ein Banker.

Mit Blick auf die zurückliegenden PR- Pannen wird er hinter vorgehaltener Hand freilich deutlicher. „Wir ackern hier wie die Blöden, und dann kommt solch ein Klops wie die Schließung unseres Immobilienfonds im Dezember“, schimpft er. Das Verständnis für die Pannen, die sich die Bank und Ackermann immer wieder leisten, sinkt. Ungeschicklichkeit attestiert ein Topmanager dem Schweizer ebenso wie Aufsichtsratschef Rolf Breuer. „Schlimmer noch: Den Herren fehlt die Sensibilität, sie leiden zum Teil unter Realitätsverlust, sind beratungsresistent.“

Viele deutsche Manager halten die Öffentlichkeitsarbeit der Bank für katastrophal. Sie wird auch für Deutschland im Prinzip von London aus gesteuert. Dort sitzt Ackermanns oberster Öffentlichkeitsarbeiter, ein Brite. Immerhin spricht er Deutsch. „Aber das Gespür für die Befindlichkeit der deutschen Öffentlichkeit geht ihm ab“, glaubt ein Topmanager.

In der Zentrale bekommt kaum einer der 2000 Mitarbeiter den Chef je zu Gesicht. In die Vorstandsetage im 32. Stock führt ein separater Aufzug. Und mehr als diese Etage, sagt ein Insider, sieht Josef Ackermann, der viel unterwegs ist, nicht.

Beim Neujahrsempfang der IHK Hannover Anfang Januar kommt das Publikum näher an den Reserveoffizier der schweizerischen Armee heran. Hier philosophiert Ackermann über die Zukunft des Sozialstaats und erwähnt nur am Rande seinen „rauen Bodycheck“ mit den Medien. Ein paar Tage später präsentiert er sich in bester Laune vor rund 730 Gästen in der Stuttgarter Niederlassung. Viele Zuhörer sind erstaunt, dass ein sympathischer, keineswegs überheblicher Banker vor ihnen steht. „Joe“, wie sie ihn in der Bank flapsig nennen, ist ein angenehmer, freundlicher Typ. „Unprätentiös und bescheiden“, sagt ein langjähriger Spitzen- Manager der Bank. Dass Ackermann elf Millionen Euro im Jahr verdient, hält fast jeder in der Bank für angemessen. Der Schweizer kommt an, erzählt in Stuttgart, dass er an Weihnachten mehr als 500 Briefe bekommen hat. Alle im gleichen Ton: Nicht beirren lassen! Weitermachen! Genau das will Ackermann tun – noch mindestens drei Jahre lang.

Knapp vier Jahre nach seinem Amtsantritt steht einer Verlängerung seines Vertrages kaum etwas im Wege. Die Zahlen sind so gut wie nie zuvor, der Aktienkurs nähert sich langsam wieder den alten Höchstständen. „Die deutsche Konkurrenz ist für uns kein Maßstab mehr“, sagt ein hochrangiger Manager aus der Zentrale. Wäre da nicht der Mannesmann- Prozess, der in den kommenden Monaten neu aufgerollt und Ackermann erneut in die Schlagzeilen bringen wird. Auch ein Rücktritt ist noch denkbar. Darauf freilich ist die Bank schlecht vorbereitet. „Es gibt erkennbar keinen Nachfolger. Wenn Ackermann morgen etwas zustößt, ist kein adäquater Ersatz da. Das war früher anders“, klagt ein Insider. Als Ackermann 1996 zur Bank geholt wurde, war jedem klar – hier kommt der Kronprinz. Aber heute?

Der Chef der Investmentsparte, der in London arbeitende Inder Anshu Jain, denke nicht im Traum an den Spitzenjob, heißt es. „Das tut er sich nicht an, eher geht er in Indien in die Politik.“ Rainer Neske wiederum, erfolgreicher Vorstand für das Privatkundengeschäft, gilt als zu jung. Und von außen? Ex-Vorstandsmitglied Thomas Fischer, der die Bank im Zwist mit Ackermann vor drei Jahren verließ, ist in Frankfurt ungeliebt. „Dann würden 150 Topmanager ihren Hut nehmen“, sagt einer.

Weder die Bank noch Ackermann haben also derzeit eine Wahl. Der Vorstandssprecher muss weiter Ackermann heißen. „Unser größtes Problem wäre nicht, wenn er bleibt“, fasst ein Top-Manager die Lage zusammen. „Wir hätten ein Problem, wenn er geht.“

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