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Wirtschaft: Ein Rennen gegen die Zeit

Wer seine Lebensversicherung kündigt, kann Geld zurückverlangen / Aber viele Versicherer zahlen nicht – jetzt droht die Verjährung

Berlin - Verbraucher, die ihre Lebensversicherung vorzeitig gekündigt haben und jetzt zu viel gezahlte Beiträge zurückfordern wollen, müssen sich sehr sputen. Um einer Verjährung vorzubeugen, sollten Kunden noch am heutigen Samstag per Fax oder E-Mail eine Beschwerde beim Versicherungsombudsmann einreichen (beschwerde@versicherungsombudsmann.de, Fax: 01804/ 224425). „Eine Beschwerde bei uns hemmt die Verjährung“, heißt es bei der Beschwerdestelle.

Die Branche spielt auf Zeit, denn es geht um eine Menge Geld. Auf einen dreistelligen Millionenbetrag beziffern Analysten die Ansprüche, die Kunden nach den verbraucherfreundlichen Urteilen des Bundesgerichtshofs (BGH) zustehen. Obwohl der BGH bereits im Oktober die Lebensversicherer verurteilt hatte, den Kunden nach einer vorzeitigen Kündigung ihrer Verträge einen Teil ihrer Beiträge zurückzuzahlen (siehe Kasten) , ist bisher kaum Geld geflossen. Nur die Allianz-Lebensversicherung zahlt seit Anfang Dezember in großem Stil Betroffene aus. Die meisten anderen Versicherungsunternehmen wollen sich dagegen nach Informationen des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen (vzbv) bis zum nächsten Frühjahr Zeit lassen.

Zu den Unternehmen, die noch nicht gezahlt haben, gehört auch die Hamburg-Mannheimer. „Wenn wir unsere Programme umgestellt haben, werden wir leisten“, betonte eine Sprecherin. „Absolut inakzeptabel“ sei das, sagte der Finanzexperte des vzbv, Manfred Westphal, dem Tagesspiegel. Die Versicherer müssten die höchstrichterlichen Urteile „innerhalb angemessen kurzer Zeit umsetzen“, forderte Westphal. Immerhin seien sie schuld an den intransparenten Klauseln in den Verträgen. Die Verbraucherschützer gehen jetzt in die Offensive. Die Verbraucherzentrale Hamburg arbeitet bereits an einer Sammelklage gegen säumige Versicherungsunternehmen. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen will nach Informationen des Tagesspiegels Anfang nächsten Jahres die Protestaktionen gegen die Versicherer bundesweit koordinieren und plant weitere Maßnahmen.

Streit gibt es jedoch bei der Frage, ob nicht viele Ansprüche der Versicherten inzwischen verjährt sein könnten. Nach dem Versicherungsrecht beträgt die Verjährungsfrist fünf Jahre. Das hieße: All die Kunden, die ihre Versicherung bereits im Jahr 2000 oder früher gekündigt haben, müssten befürchten, dass ihre Forderungen inzwischen verjährt sind. Nach Informationen des Bundes der Versicherten wollen sich zahlreiche Versicherer auf die Verjährung berufen und ihre Kunden auf diesem Wege abblitzen lassen.

Doch dieses Vorgehen ist in der Branche selbst umstritten. „Ob sich die Unternehmen auf die Verjährung berufen, ist ihnen selbst überlassen“, sagte ein Sprecher des Versicherungsverbands GDV. Bei der Hamburg-Mannheimer heißt es, die Ansprüche seien zwar verjährt, man habe aber noch nicht entschieden, ob man sich auf die Verjährung berufen will oder nicht. Der Branchenprimus, die Allianz Leben sichert betroffenen Kunden, die sich unter Berufung auf das BGH-Urteil an das Unternehmen wenden, zu, dass ihnen durch die Prüfung der Ansprüche keine Nachteile entstehen. Daraus schließen Juristen, dass die Allianz auf die Einrede der Verjährung verzichtet.

Verbraucherschützer wollen jedoch keine Kulanz, sondern Rechtsklarheit. Sie gehen davon aus, dass in keinem Fall Verjährung eingetreten ist. „Es kommt nicht auf den Zeitpunkt der Kündigung, sondern auf die Verkündung der BGH-Urteile an“, sagte Thorsten Rudnik vom Bund der Versicherten (BdV). „Notfalls lassen wir das in einem weiteren Musterverfahren klären“, so Rudnik.

Die jüngsten BGH-Urteile, aber auch das verbraucherfreundliche Urteil des Bundesverfassungsgerichts, in dem die Richter im Sommer mehr Transparenz bei Lebensversicherungen angemahnt hatten, sollen demnächst Gesetz werden. Das Bundesjustizministerium bereitet derzeit einen Referentenentwurf für ein neues Versicherungsvertragsgesetz vor. Der Entwurf soll Anfang nächsten Jahres vorgestellt werden, kündigte ein Ministeriumssprecher am Freitag an.

Musterbriefe und weitere Informationen der Verbraucherzentrale Hamburg finden Sie im Internet unter www.vzhh.de.

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