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Die Hände gebunden. Die Vorstände der Deutschen Börse – Michael Kuhn, Jeffrey Tessler und Andreas Preuß – hören zu, wie Vorstandschef Reto Francioni auf das Nein der EU-Kommission zur geplanten Fusion mit der New Yorker NYSE reagiert. Foto: dpa

© dpa

Wirtschaft: „Ein schwarzer Tag für Europa“

Die Deutsche Börse wettert gegen die EU, weil die Fusion mit New York geplatzt ist. Die US-Behörden hatten zugestimmt.

Frankfurt am Main - Alles Werben und Flehen, zuletzt auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos, hat nichts genutzt. Auch dort ließen sich die anwesenden Vertreter der EU von Deutsche-Börse-Chef Reto Francioni nicht überzeugen. Wie von ihm befürchtet, lehnten sie den geplanten Zusammenschluss der Deutschen Börse mit der New Yorker Börse (NYSE Euronext) zum größten Börsenbetreiber der Welt am Mittwoch ab.

Die EU-Kommission befürchtet erhebliche Behinderungen des Wettbewerbs. Das Argument zielt vor allem auf den Markt für Derivate und komplizierte Finanzprodukte, bei dem das fusionierte Unternehmen in Europa einen Marktanteil von 90 Prozent gehabt hätte. Die Entscheidung basiere auf einer „realitätsfremden verengten Sicht“ und sei falsch, sagte Francioni am Mittwoch. „Dies ist ein schwarzer Tag für Europa.“

Francioni und NYSE-Chef Duncan Niederauer, die den Zusammenschluss am 15. Februar vergangenen Jahres mit großer Euphorie verkündet hatten, bleibt jetzt nur noch der Weg vor den Europäischen Gerichtshof. Dass sie ihn gehen, ist eher unwahrscheinlich. Gleichwohl sieht Francioni die EU und Wettbewerbskommissar Joaquín Almunia auf dem falschen Weg, wie er am Mittwoch in ungewöhnlich deutlichen Worten sagte. Denn im Derivategeschäft müsse der globale Markt betrachtet werden und vor allem auch die Geschäfte, die an den regulierten Terminbörsen vorbei im außerbörslichen Handel (OTC) abgewickelt werden. In Europa wäre das fusionierte Unternehmen mit seinen beiden Terminbörsen Eurex und Liffe so auch nach Ansicht von Experten auf einen Marktanteil von nur etwa 15 Prozent gekommen. Die Kommission gefährde mit ihrem Nein die Wettbewerbsfähigkeit Europas auf den weltweiten Finanzmärkten, polterte Francioni. „Der fusionierte Börsenkonzern wäre der ideale Partner der europäischen Regulierungsbehörden gewesen, um die Verwirklichung standardisierter, transparenter und stabiler Märkte in Europa und weltweit zu unterstützen“, behauptete er. Aktionäre beider Unternehmen und auch die Behörden in den USA hatten den Zusammenschluss gebilligt.

Analysten sprachen am Mittwoch von einer verpassten Chance und wunderten sich über die Kommission. Offenbar habe man in Brüssel den Markt nicht verstanden, die Argumentation sei nicht nachvollziehbar, sagte Christian Muschick von Silvia Quandt Research. Nach Ansicht der Kommission dagegen wäre der globale Wettbewerb ausgeschaltet worden. Derivatenutzern und der europäischen Wirtschaft insgesamt wäre erheblicher Schaden zugefügt worden, weil sie nicht von einem Preiswettbewerb hätten profitieren können, sagte Almunia. „Wir haben versucht, eine Lösung zu finden, aber die angebotenen Abhilfemaßnahmen haben bei Weitem nicht ausgereicht, um die Bedenken auszuräumen.“ Deutsche Börse und NYSE hatten unter anderem angeboten, Teile des Derivategeschäftes zu verkaufen.

Der Unmut über das erwartete negative Votum hielt sich am Mittwoch in Frankfurt am Main in Grenzen. Die Aktie der Deutschen Börse legte sogar leicht zu. Vor allem beim Betriebsrat und den Beschäftigten der Deutschen Börse machte sich Genugtuung breit. Man sei froh, dass das Mega-Projekt gescheitert sei, sagte Betriebsratschefin Irmgard Busch. Die Arbeitnehmervertreter hatten den Abbau von mehreren hundert Arbeitsplätzen befürchtet. Weltweit beschäftigt die Deutsche Börse rund 3300 Menschen. Bedenken hatte auch die hessische Landesregierung geäußert, der die Aufsicht über die Börse obliegt. Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) hatten vor möglichen Nachteilen für den Finanzplatz Frankfurt gewarnt, weil die Amerikaner das fusionierte Unternehmen dominieren könnten. Tatsächlich kommt schon heute fast die Hälfte der Aktionäre der Deutschen Börse aus dem angelsächsischen Raum, ab 2015 hätten Amerikaner in den Aufsichtsgremien des fusionierten Unternehmens die Mehrheit gehabt.

Der Schweizer Francioni, der seit 2005 an der Spitze der Deutschen Börse steht, ist zum dritten Mal mit einem Fusionsplan gescheitert. Zunächst wollte er mit London anbandeln, dann mit Paris und jetzt mit New York. Trotzdem ist Francioni für die Deutsche Börse optimistisch. Das Unternehmen sei hervorragend aufgestellt, man könne das EU-Verbot verkraften.

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