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Wirtschaft: Ein schweigsamer Angeklagter und viele Fragen

Sommerpause im Schneider-Prozeß: Die Vertreter der Banken überzeugten bislang wenigVON ROLF OBERTREIS FRANKFURT (MAIN).Jürgen Schneider schweigt weiter.

Sommerpause im Schneider-Prozeß: Die Vertreter der Banken überzeugten bislang wenigVON ROLF OBERTREIS

FRANKFURT (MAIN).Jürgen Schneider schweigt weiter.Auch am 11.und letzten Verhandlungstag vor der Sommerpause im Frankfurter Landgericht verfolgte er das Geschehen stumm.Bis auf seine Einlassung am Beginn des Prozesses und zwei kurze Erläuterungen war von dem ehemaligen Immobilienunternehmer nichts zu hören.Trotzdem sind Schneiders Karten im bislang größten Wirtschaftsstrafprozeß der Republik nicht unbedingt schlechter geworden."Die Mitverantwortung der Banken ist jetzt greifbarer", glaubt Schneider-Anwalt Christoph Rückel.Auf seinen Mandanten könne nicht die Alleinverantwortung für die bislang größte Immobilienpleite abgeschoben werden.Und vielleicht wird Schneider im Herbst nun doch aussagen. Grund für seine nicht ganz aussichtslose Lage: Viele der bis jetzt vernommenen Zeugen machten eine wenig überzeugende Figur und bestätigten, daß Unterlagen oder Angaben über Schneider-Objekte von den Banken fast nie hinterfragt wurden.Vor allem Friedrich Möll, Schneiders Kreditvermittler für die Deutsche Bank und früherer Repräsentant der Deutsche Bank-Tochter Centralboden (DCB), mußte sich vom Gericht als "Rechtsverdreher" bezeichnen lassen.Er gilt als eine der zentralen Figuren in der Affäre.Der 71jährige war Schneiders Kontaktmann zur DCB und zu den Filialen der Deutschen Bank in Mannheim und Baden-Baden, die ihm insgesamt Kredite von 1,2 Mrd.DM gewährten.Für seine Dienste bei der Schneider-Vermittlung kassierte er von den Banken rund 15 Mill.DM an Provisionen."Herr Möll war mehr als ein Bote.Er war für Schneider die Bank", sagt Schneider-Anwalt Rückel. Mölls Aktivitäten können letztlich für die Bewertung von Schneiders Taten ganz entscheidend sein.Als Vermittler gilt er als Mann der Bank.Hat er manipuliert oder getäuscht, so könnten wichtige Vorwürfe gegen Schneider entfallen.Damit könnte sich das Strafmaß von zehn auf fünf Jahre reduzieren.Davon hätte Schneider fast schon die Hälfte verbüßt.Er sitzt seit Mai 1995 hinter Gittern. Drei Tage lang wurde Möll vom Gericht, von Schneiders Anwälten und den Staatsanwälten befragt.Dabei bestritt er immer wieder energisch, daß vor allem die hohen Provisionen seine Geschäfte mit Schneider vorangetrieben hätten.Als ungeheuerlich bezeichnete er Vorwürfe, auf seine Anweisung seien Ertragsschätzungen für die Frankfurter Zeilgalerie hochgerechnet worden.Tatsächlich stellte sich im Verlauf der Vernehmungen, bei denen sich Möll immer wieder in Widersprüche verstrickte, heraus, daß er schon vor dem Baubeginn der Zeilgalerie durch eigene Berechnungen auf einen Vermögensgewinn von 154 Mill.DM für Schneider kam.Schneider-Anwalt Franz Salditt bezeichnet Möll auch schon als "Bewertungs-Feuerwerker".Kritische Fragen der Banken bügelte Möll ab, obwohl schon 1990 Bedenken über die Höhe der an Schneider ausgegebenen Kredite geäußert wurden.Und schließlich schrieb Möll im November 1993 an die Banken, bei "sorgfältiger und kritischer" Prüfung könne festgestellt werden, daß der hohe Kreditbestand bei Schneider keine Risiken enthalte.Das Gesamtrisiko sei gut abgeschirmt durch Erträge, Standorte und die Multifunktionalität der Objekte. Auch für Richter Heinrich Gehrke ist die Rolle Mölls offenbar sehr dubios.Allerdings bleibt offen, ob er für die Banken oder aus eigener Profitgier gehandelt hat."Sie haben doch die Bonität Jürgen Schneiders extrem hochgejubelt", hielt Gehrke Möll vor. Die Staatsanwälte Dieter Haike und Ulrich Busch sehen sich nach elf Verhandlungstagen in ihren Ermittlungsergebnissen bestätigt.Daß die Banken eine Mitverantwortung trügen, habe man nie bestritten.Für die Ankläger steht Schneider nicht unbedingt besser da, nach dem er am Prozeßbeginn die Fälschung von Dokumenten eingeräumt und die Anklage wegen Betrugs, schweren Betrugs und betrügerischem Bankrotts als sachlich richtig bezeichnet habe.Es habe sich gezeigt, daß Schneider "Lügen und Mogeln" als normal betrachtet habe.Alle hätten den Baulöwen hofiert und die Mitarbeiter seien ihm ergeben gewesen.Daß keiner den Mund aufgemacht habe, sei verständlich, bei den Gehältern, die Schneider bezahlt habe: Seine Sekretärin erhielt 1993 ein Weihnachtsgeld von 25 000 DM. Schneiders Anwälte hoffen weiter darauf, den Prozeß noch in diesem Jahr abschließen zu können.Angesichts der bisherigen sehr schleppenden Zeugenvernehmung ist Staatsanwalt Haike da äußerst skeptisch, es sei denn, Schneider bricht sein Schweigen.Nach der Sommerpause werden vermutlich die ersten Banker und damit auch Vorstandsmitglieder der DCB in den Zeugen stand treten.Dann wird der Schneider-Prozeß erst richtig spannend.

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