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Wirtschaft: „Ein T-Shirt kann 150 Euro kosten“

Modedesigner Michael Michalsky über den Neustart als Unternehmer, T-Shirts bei Tchibo und den Standort Berlin

Herr Michalsky, wer braucht Ihre Mode?

Hoffentlich viele Menschen. Sonst hätte ich ja kein eigenes Unternehmen in Berlin gegründet. Ich glaube, dass es in Deutschland für hochwertige Designer- und Lifestyle-Produkte eine Marktlücke gibt. In anderen Ländern wird die Modeindustrie ganz anders zelebriert. In Italien und Frankreich gehört die Branche zum nationalen Kulturgut. So etwas ist in Deutschland undenkbar.

Es gibt doch erfolgreiche, deutsche Modenamen – Jil Sander, Karl Lagerfeld, Wolfgang Joop.

Aber es existiert eine Lücke. Es ist verpasst worden, eine Nachfolgegeneration großzuziehen. In Großbritannien und Italien gibt es die: Stella McCartney, Alexander McQueen oder Dolce&Gabbana. Deshalb glaube ich, dass ich als deutscher Designer eine Chance habe. Ich fange zum richtigen Zeitpunkt an.

Machen Sie andere Mode – oder machen Sie Mode anders?

Ich arbeite anders als die „alte Garde“, die in einer Zeit groß geworden ist, als das Interesse an Design langsam gewachsen ist. Ich war in großen Unternehmen tätig, bei Levi's, bei Adidas, die Mode vom Marketing her denken. Da geht es nicht um eine Vision eines Kreativen, der sich ein DIN-A4-Blatt schnappt, einen Entwurf zeichnet und den Leuten dann sagt: Macht das mal und dann hoffen wir, dass es irgendwer kauft. Ich setze mich vom ersten Tag an mit Produktmanagern zusammen, die sich überlegen, wie man eine Kollektion vermarktet, wie groß sie sein darf, was die Stücke kosten und in welchen Läden sie verkauft werden sollen.

Warum haben Sie nach elf Jahren bei Adidas aufgehört? Neu zu starten macht doch viel mehr Arbeit und kostet Geld.

Es war schon immer mein Traum, meine eigene Mode zu machen. Außerdem war es für mich eine Frage der Zeit. Mode definiert sich über Jugend, Jugendkultur ist der Motor für Modetrends. Wenn ich es jetzt nicht gemacht hätte, hätte ich es vielleicht nie gemacht. Natürlich gibt man eine Menge auf: Sicherheit, ein festes Gehalt, und wenn etwas schief geht, federt der Konzern das locker ab.

Michalsky kennen bisher nur Mode-Insider. Wie lädt man eine nahezu unbekannte Marke auf?

Modenschauen, Medienpräsenz, Interviews. Die großen Modehäuser haben riesige Werbebudgets, die ich noch nicht habe. Ich lade mich selbst auf.

Oder Sie lassen sich von Tchibo ein bisschen helfen beim Bekanntwerden…

Das Mitch&Co-Projekt mit Tchibo hat uns sehr geholfen, bei einer bestimmten Zielgruppe bekannt zu werden.

Ein kleiner Sicherheitspuffer für den Start-up-Designer Michalsky?

Ich hatte mein Unternehmen schon gegründet, bevor die Zusammenarbeit mit Tchibo begann. Es war natürlich super, dass es dann dazu kam. Eine neue Marke, Mitch&Co, für einen Massenmarkt zu gründen – das macht Spaß.

Was reizt einen Designer daran, für einen Kaffeeröster zu arbeiten?

Mitch&Co ist eine eigene Marke, die aber zu einem Gesamtbild passt und Produkte anbietet, die ich in meiner Kollektion nicht anbieten kann. Basics wie T-Shirts oder Tops kann man nur in großer Stückzahl machen, sonst würden sie zu teuer.

Warum ausgerechnet Tchibo?

Tchibo macht gute Produkte und verfolgt ein modernes Konzept: nur 30 verschiedene Mitch&Co-Teile in einer bestimmten Woche anzubieten. Tchibo hat auch sehr erfolgreich im Internet verkauft. Das war auch für meine Mode toll.

War es auch wirtschaftlich toll?

Wir verdienen Geld damit. Allein in der ersten Woche hat Tchibo eine Million Stück verkauft. Eine Million T-Shirts auf einem Haufen – das ist ein großer Haufen. Die Aktion war so erfolgreich, dass wir sie als mittelfristige Partnerschaft ausgelegt haben. Das heißt, es wird jedes Jahr drei, manchmal vier Kollektionen geben; immer 30 Teile, für Männer und Frauen, zu unterschiedlichen Themen.

Was kommt als Nächstes?

Am 22. August kommt das Sportswear- und Spa-Paket in die Läden. Ende des Jahres werden wir etwas Festliches präsentieren. Also Sachen, die man braucht, wenn man zu einer geilen Silvesterparty geht.

Schadet die Kooperation mit anderen Unternehmen nicht der Kernmarke?

Die Mode hat sich gewandelt. Es ist kein Widerspruch, Kleidungsstücke zu kombinieren. Dieser Alles-von-einer-Marke- Wahn ist antiquiert. Solche Kunden möchte ich gar nicht haben. Das hat nichts mit Geld zu tun. Niemand braucht ein T-Shirt für 150 Euro.

Aber Sie würden doch sicher gerne ein Michalsky-Shirt für 150 Euro verkaufen?

T-Shirt ist nicht gleich T-Shirt. Sie bekommen ja auch ein halbes Pfund Butter für 95 Cent, aber auch für 2,50 Euro. Ein gutes T-Shirt muss nicht 150 Euro kosten. Wenn es aber aus einer ganz besonderen Baumwolle ist, aus einem ganz besonderen Faden, wenn es einen hochwertigen Schnitt hat und nur so aussieht wie ein T-Shirt – dann kann es so viel kosten.

Wo kann man Ihre Sachen kaufen?

In Berlin im Quartier 206, bei Mientus und bei City Jeans. Wir haben die erste Kollektion gerade an 47 Läden ausgeliefert; 40 in Deutschland, einen in Tokio, einen in Spanien, einen in Luxemburg und zwei in Österreich. Aber es gibt noch mehr Interesse, zum Beispiel aus Moskau.

Wo lassen Sie denn produzieren?

Wir stellen viel in Italien her, aber auch in Deutschland, zum Beispiel alle Ledersachen. Unsere Hüte kommen aus Berlin von Fiona Bennett, die Schuhe aus Österreich von Ludwig Reiter, ein paar T-Shirts aus Portugal. Wir würden in Deutschland gerne mehr machen, wenn es mehr Hersteller gäbe. Für kleine Modeserien ist die Globalisierung noch kein Thema.

Ist Berlin eine gute Stadt, um ein internationales Mode-Label zu starten?

Ja, sonst wäre ich ja nicht hier. Sicherlich dauert es noch eine Weile, bis Berlin international in der Szene eine wichtige Rolle spielt. Und Boss macht auch nicht morgen den Standort Metzingen zu, weil Berlin so hip ist. Aber es kann schon sein, dass die Großen in Berlin ihre Design- und Marketingzentren aufmachen.

Die Zusammenarbeit mit Ihrem ersten Investor – Markus Höfels, dem Inhaber der Kaffeehaus-Gesellschaft Einstein – ist gescheitert. Brauchen Sie einen neuen?

Zu Höfels möchte ich nichts sagen. Aber es stimmt, wir suchen einen neuen Investor. Ab 2008 brauchen wir Kapital, um weiter wachsen zu können.

Ein Partner aus der Modebranche wäre Ihnen am liebsten?

Mein Traumziel wäre, wenn wir jeweils strategische Partner hätten – für Jeans, für Sportswear, für Accessoires und anderes – und wenn wir die Urzelle bleiben könnten für die Ideen, das Design und die Marketingkonzepte. Das gibt es ja, dass eine tolle Marke mit großem Fertigungs- und Vertriebs-Knowhow ein bisschen angestaubt ist und einen Motor braucht. Der könnten wir sein. Bei Adidas habe ich ja auch mit Stella McCartney und Yohji Yamamoto zusammengearbeitet.

Wie finden Sie eigentlich das Grau-in- Grau-Outfit deutscher Manager?

Sie sind nicht besser oder schlechter angezogen als Amerikaner. Da gibt es auch fiese Supermanager in komischen, handgemachten belgischen Schuhen und in 80er-Jahre-Anzügen mit Monogramm. Man kann das nicht mehr verallgemeinern. Bruno Sälzer von Boss fällt es natürlich leichter, sich gut anzuziehen, weil er nur ins Lagerhaus gehen muss. Klaus Zumwinkel von der Post hat es schwerer.

Das Gespräch führten Henrik Mortsiefer und Grit Thönnissen.

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