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Wirtschaft: Ein Wunderrezept gegen die Malaise am Bau

BERLIN .Der Befund ist hinlänglich bekannt.

BERLIN .Der Befund ist hinlänglich bekannt.Nirgendwo wird soviel gebaut wie derzeit in Berlin, und doch geht es mit der regionalen Bauwirtschaft schier unaufhaltsam bergab.Seit 1990 hat sich die Zahl der heimischen Bauarbeiter von 60 000 auf 27 000 mehr als halbiert, und "ein Ende der Talfahrt ist überhaupt nicht abzusehen", wie der Hauptgeschäftsführer der Fachgemeinschaft Bau, Wolf Burkhard Wenkel, klagt.Monat für Monat würden in der Region Berlin-Brandenburg weitere 400 bis 800 Bauarbeiter ihren Job verlieren.Allein in Berlin ist jeder zweite mittlerweile arbeitslos - von den leichten Besserungstendenzen in anderen Branchen ist hier wenig zu spüren.Auch in diesem Jahr, so die Befürchtung, wird sich die Zahl der Pleiten wieder auf rund 1000 Baubetriebe summieren.Unisono verweisen Verbände und Gewerkschaften auf den Wettbewerb der "Billiglöhner" aus anderen EU-Staaten, gegen den offenbar kein Kraut gewachsen ist.Rund 30 000 tummeln sich mittlerweile - ganz legal - auf den Berliner Baustellen, fast ebensoviele wie vor Ort arbeitslos sind, und weitere 30 000 sind illegal hier."Wir haben", schätzt auch Wenkels Kollege von der Bauindustrie, Axel Wunschel, "zu spät erkannt, daß der freie Markt aus dem Ruder läuft."

In der Tat scheinen alle Gegenrezepte bislang wirkungslos zu verpuffen.Weder Mindestlohnvorschriften noch verschärfte Kontrollen haben die Wettbewerber gestoppt, von denen viele - so die Klage - zwar legal im Lande seien, doch vor allem deshalb so billig anbieten könnten, weil sie sich um die im Heimatland oder auch hier fälligen Steuern und Sozialversicherungsabgaben drückten.Ein deutscher Bauunternehmer, der auf die Lohnsumme nochmals gut 100 Prozent als Lohnzusatzkosten draufschlagen müsse, "hat da überhaupt keine Chance", rechnet Bauindustriesprecher Wunschel vor.

Vielleicht aber doch.Denn ganz plötzlich hat die Bauindustrie einen Vorschlag ausgearbeitet, dessen Grundidee so bestechend wie einfach ist: Jeder Generalunternehmer soll verpflichtet werden, von der an die Subunternehmer gezahlten Auftragssumme automatisch 30 Prozent für Steuern und Sozialversicherungsbeiträge einzubehalten und an die Behörden weiterzuleiten.Der portugiesische Subunternehmer kann dies dann bei seiner Steuererklärung geltend machen.All jene aber, die sich bislang erfolgreich um die Abgaben drückten, wäre ein Riegel vorgeschoben."Für die unseriösen Anbieter sieht die Rechnung nicht mehr so günstig aus", frohlockt Wunschel.

Die Sache hat allerdings einen Schönheitsfehler.Denn theoretisch müßte die Regelung gleichermaßen für in- wie ausländische Subunternehmer gelten, um nicht gegen europäisches Recht zu verstoßen.Für kleinere Betriebe aber könnte ein solcher "Vorabzug" von 30 Prozent die Liquidität beträchtlich einschränken.Ihnen soll durch einen Trick geholfen werden: Subunternehmer, die ihre Steuern und Sozialabgaben korrekt zahlen, können sich eine "Unbedenklichkeitsbescheinigung" ausstellen lassen - der Vorabzug wäre dann nicht nötig.Den Vorwurf der Ungleichbehandlung wischt Wunschel vom Tisch.Von der Regelung würden auch "Ausländer" profitieren, die bei längerer Tätigkeit hier abgabepflichtig seien - und zahlen.

So sieht er gute Chancen, daß das Modell nicht auf Widerspruch des Europäischen Gerichtshofes stoßen würde.Eine ähnliche Regelung gebe es schon seit Jahren in den Niederlanden.Darüberhinaus ließe sich das Modell schnell umsetzen.Denn der Vorschlag wird mittlerweile nicht nur von den Schwesterverbänden bundesweit unterstützt.Auch Gewerkschaftsvertreter, wie der Berliner IG-Bau-Geschäftsführer Rainer Knerler, sprechen von einer "sehr guten Idee".Und aus Kreisen der Bonner Koalitionsregierung gebe es "positive Signale", sagt Wunschel."Bis zum Sommer", ist er überzeugt, "könnte die Sache laufen".

Für die Industrie hat die Sache einen ganz besonderen Charme.Denn nahezu sicher ist, daß die Bonner Koalition die seit langem diskutierte "Generalunternehmerhaftung" in die Tat umsetzen wird, wonach die Großbetriebe für die Versäumnisse ihrer Subunternehmer belangt werden können.Mit dem "Vorabzug" wäre zumindest ein Teil des Risikos beseitigt.

MARGARITA CHIARI

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