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Wirtschaft: Eine Barbie für die Welt

Spielwarenhersteller verzichten immer mehr auf nationale Varianten und produzieren identische Puppen für alle

Von Lisa Bannon, Los Angeles

und Carlta Vitzthum, Madrid

Jahrelang sah die japanische Barbiepuppe ganz anders aus als die amerikanische. Sie hatte asiatische Gesichtszüge, schwarzes

Haar und trug japanische Mode. Doch dann kam eine Konsumentenbefragung des kalifornischen Spielwarenherstellers Mattel vor drei Jahren zu einem überraschenden Ergebnis: Das amerikanische Original mit blondem Haar und blauen Augen ist in Hongkong ebenso beliebt wie in Hollywood. Den Mädchen ist es egal, ob ihre Barbiepuppe anders aussieht als sie selbst. „Es dreht sich alles um Fantasie und Haare“, sagt Peter Broegger, der für Mattel die Geschäfte in Asien leitet. „Blonde Barbies verkaufen sich in Asien ebenso gut wie in den USA.“

Die großen Spielzeughersteller haben sich von einem ihrer absoluten Glaubenssätze verabschiedet: dass Kinder verschiedener Nationalitäten unterschiedliches Spielzeug haben wollen. Die Folgen sind weit reichend – für Kinder und Konzerne gleichermaßen. In der Vergangenheit haben die großen Spielzeugkonzerne wie Mattel, Hasbro und Lego verschiedene Varianten eines Produktes hergestellt. Nun entwickeln und verkaufen die Konzerne zunehmend in allen Ländern ein und das gleiche Spielzeug. Das hat wiederum große Marketing-Kampagnen ausgelöst, die den Jungen und Mädchen rund um den Globus massenweise identische Puppen, Autos und andere Spielfiguren bescherte.

So hat Mattel die Barbiepuppe „Rapunzel“ im vergangenen Herbst am gleichen Tag in 59 Ländern auf den Markt gebracht. Die Puppe mit knöchellangen, herabwallenden blonden Locken und lila Ballkleid war die größte Produkteinführung in der Geschichte des Unternehmens. Bislang hat Mattel mit der Barbiepuppe und damit verbundenen Merchandising-Produkten rund 200 Millionen Dollar umgesetzt. Fast die Hälfte entfiel auf das Ausland. Die Puppe schaffte in zahlreichen Ländern den Sprung auf die Bestsellerlisten mit den zehn meistverkauften Spielzeugen – darunter in Großbritannien, den USA, Italien, Spanien, Frankreich und Deutschland. Auch in Asien wurde die Puppe zum Verkaufsschlager. Mattel hat die Produktion von Puppen mit asiatischen Gesichtszügen inzwischen eingestellt.

Zwei aktuelle Entwicklungen verändern die Wünsche der Kinder: Eine ist die rasante internationale Expansion von Kabel- und Satellitenfernsehkanälen. So gibt es mittlerweile in 67 Ländern Disney-Fernsehkanäle. Zusammen mit Kinofilmen und Internet führt dies dazu, dass Millionen Kinder die gleichen Geschichten und Figuren sehen. Der zweite Grund für die veränderte Konsumhaltung der Kids: die internationale Expansion großer Einzelhandelsketten wie Walmart und Carrefour. Immer häufiger handeln diese Konzerne exklusive Vereinbarungen mit Spielwaren- und Konsumgüterherstellern aus. Das erlaubt den Herstellern riesige, simultane Werbekampagnen.

Ein gutes Beispiel hierfür lieferte Mattel. Als die „Rapunzel“ im vergangenen Oktober auf den Markt kam, verkleideten südkoreanische und chinesische Walmart-Filialen Frauen als Barbiepuppen und postierten sie am Eingang, um die Kinder zu begrüßen. Gleichzeitig schaltete Mattel weltweit eine Fernsehwerbung in 35 Sprachen. Und stellte auf seine achtsprachige Barbie-Internetseite Geschichten und Spiele zu Rapunzel.

Dabei blieb es nicht: Im Fernsehen lief ein computer-animierter Film namens „Barbie als Rapunzel“, der auch weltweit als Video und DVD auf den Markt kam und in einigen Ländern im Kino lief. In dem 80-minütigen Film wird der Klassiker der Gebrüder Grimm neu erzählt – mit einer Barbiepuppe in der Titelrolle. Auch hier wird Rapunzel von einer bösen Zauberin in einen Turm gesperrt. Allerdings ist es nicht ein Prinz, der sie befreit, sondern sie selbst mit einem Zauber-Malpinsel. Eine besonders pompöse Premiere des Rapunzel-Films organisierte Mattel mit dem ausländischen Kinovertrieb Universal Pictures International in Madrid. 1250 Mädchen kamen. „Es war wirklich schön“, sagte die neunjährige Philomena FitzGibbon in Begleitung ihrer sechsjährigen Schwester Penelope nach der Vorstellung. Das Kino war voll von weißen und rosafarbenen Luftballons, vor dem Eingang lag ein langer rosa Teppich und viele Mädchen waren in Barbie-Outfits erschienen.

Den Präzedenzfall für all dies schuf 2001 der erste Harry-Potter-Film. Der Streifen löste weltweit eine gewaltige Nachfrage nach Harry-Potter-Spielzeugen und -Kleidung aus. Da die Bücher von Joanne Rowling schon eine weltweite Fangemeinde hatten, entschied sich Warner Bros. dazu, den Film weltweit am gleichen Tag zu starten. Normalerweise wird ein Film zuerst in den USA und dann erst im Ausland herausgebracht. Als „Harry Potter und der Stein der Weisen“ in 13700 Kinos in 100 Ländern über die Leinwand flimmerte, quollen die Läden vor Harry-Potter-Videospielen (von Electronic Arts), Harry-Potter-Besenstielen (Mattel) und Hogwarts Castles (Lego) nur so über. Der Umsatz mit den Merchandising- Artikeln erreichte mehr als eine Milliarde Dollar, schätzen Analysten. „Solch ein globales Phänomen haben wir noch nie zuvor erlebt“, sagt Dan Romanelli, Chef des internationalen Konsumgütergeschäfts von Warner Bros.

Mittlerweile brauchen Spielzeughersteller nicht mehr einen Blockbuster-Film für die Vermarktung ihrer Spielwaren. Es ist schon fast an der Tagesordnung, dass ein und dasselbe Spielzeug weltweit auf den Markt kommt. Allerdings greifen die Spielwaren- und Konsumgüterhersteller immer mehr auf Charaktere aus dem Fernsehen zurück.

Im kommenden Jahr will Disney im Ausland Bücher, Kissen, Büromaterial, CDs und Kleidung mit der Hauptdarstellerin seiner beliebten Kabelfernsehserie „Lizzie McGuire“ herausbringen. Wie die Markteinführung von der Rapunzel-Barbiepuppe zeigt, kann umgekehrt auch ein Spielzeug die Nachfrage nach einem Film ankurbeln.

Natürlich machen einige Spielzeuge, Videospiele und Zeichentrickfilm-Figuren an Landesgrenzen Halt. So spielen zum Beispiel deutsche Kinder selten Figuren aus Fernsehserien wie etwa „The Simpsons“. Im vergangenen Jahr lag der umsatzmäßige Anteil solcher Action-Figuren am deutschen Spielzeugmarkt bei nur einem Prozent, berichtet die Marktforschungsfirma NPD Group. Dagegen sind es fünf Prozent in den USA und sechs Prozent in Großbritannien. Amerikanische Kinder wollen „Nascar“-Spielzeugautos, europäische Kinder Formel-1-Modelle. Und Spielzeug mit Cheerleader-Motiv verkauft sich natürlich nur in den USA.

Lisa Bannon[Los Angeles], Carlta Vitzthum[Madri]

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