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Wirtschaft: "Eine ökologische Steuerreform ist machbar"

August Oetker zu Politikwechsel, Gentechnik und den Perspektiven seiner Konzerngruppe / Wettbewerbsfähigkeit durch ökologisches DenkenTAGESSPIEGEL: Herr Oetker, Sie haben seinerzeit die Politiker aufgefordert, "den Schritt zu einer ökologischen Steuerreform zu wagen".Jetzt ist sie beschlossene Sache.

August Oetker zu Politikwechsel, Gentechnik und den Perspektiven seiner Konzerngruppe / Wettbewerbsfähigkeit durch ökologisches Denken

TAGESSPIEGEL: Herr Oetker, Sie haben seinerzeit die Politiker aufgefordert, "den Schritt zu einer ökologischen Steuerreform zu wagen".Jetzt ist sie beschlossene Sache.Ein guter Schritt?

OETKER: Ich glaube schon, daß sich das mit dem normalen wirtschaftlichen Streben nach Erträgen verbinden läßt.Diesen oft aufgestellten Gegensatz zwischen Ökologie und Ökonomie sehe ich nicht.Es gibt, ganz im Gegenteil, große Bereiche, in denen sich beide Ziele ergänzen.Also: Der Schornstein muß rauchen, nur qualmen darf er nicht.Gleichzeitig müssen wir sehen, daß wir die deutsche Wirtschaft steuerpolitisch nicht vom Rest der Welt abkoppeln dürfen.Und genau da liegt die einzige Gefahr einer Ökosteuer.Wenn wir insgesamt das Steuerniveau und damit die Kosten erhöhen, dann machen wir einen Fehler.

TAGESSPIEGEL: Wie sollte denn eine Ökosteuer gestaltet werden?

OETKER: Wenn wir die Steuern insgesamt senken, dann kann man auch daran denken, die Energie zu verteuern.Man muß sehr differenziert herangehen, und das ist schwierig.Wir können durchaus Steuern im Energiebereich einsetzen.Die Steuer ist jedoch nicht das einzige.Es müssen gleichzeitig auch andere Wege beschritten werden.Zum Beispiel im Verkehrsbereich: Wasserstraßen, Schienenwege sind vorhanden, aber sie sind nach wie vor nicht wettbewerbsfähig.Das Nachdenken über die Arbeitsteilung zwischen den Verkehrsträgern muß verstärkt werden.

TAGESSPIEGEL: BDI und DIHT sehen das anders.Dort heißt es, eine Ökosteuer können wir uns im globalen Wettbewerb nicht leisten.

OETKER: Ich sehe das Problem durchaus.Wir sind ein im- und exportorientiertes Land.Deutschland ist eingebettet in die Weltwirtschaft, könnte ohne sie gar nicht leben.Und wir haben eine hohe Arbeitslosigkeit.Das können wir nicht aus der Diskussion ausblenden.Aber vielleicht hilft es schon, wenn man nicht von der "Öko"-Steuer spricht.Das erinnert immer an Ideologie, und da gehen Barrieren in den Köpfen hoch.Die Frage ist: Können wir eine Steuerreform machen, in der der ökologische Gedanke Platz findet.

TAGESSPIEGEL: Das Ziel, Arbeitsplätze zu schaffen, und ökologisch orientierte Steuerreform lassen sich also vereinbaren?

OETKER: Ja.Dabei glaube ich nicht, daß es die ökologische Orientierung ist, die Arbeitsplätze schafft.Natürlich gibt es ökologisch bezogene Arbeitsplätze, etwa in der Umwelttechnik.Aber das löst nicht das Problem der Arbeitslosigkeit.Wir müssen andersherum denken: Wie können wir die Wettbewerbsfähigkeit durch ökologisches Denken verbessern? Da können wir sehr viel mehr tun, als man zunächst annimmt.

TAGESSPIEGEL: Was war für Sie in ihrem Unternehmen die Motivation, mehr zu tun, und wie zahlt sich das aus?

OETKER: Die Motivation ist klar: Als Unternehmer kann ich nicht gegen mein Umfeld angehen.Ich bin auf soziale Akzeptanz angewiesen.Ökologie ist dafür ein Beispiel.Freilich hilft das wenig, wenn man die Mitarbeiter nicht für dieses Thema begeistern kann.Dann passiert nichts.Aber wenn man sie gewinnt, passiert viel.Da wird mitgedacht, Betriebsräte nehmen es auf, es werden Schulungsprogramme veranstaltet.Wir haben inzwischen einen Umweltbeauftragten, der ein Vetorecht hat, das nur von der Geschäftsleitung überstimmt werden kann.Das überzeugt, auch nach außen.Irgendwann wird das Umfeld aufmerksam.Und dann kommen auch die Kollegen.

TAGESSPIEGEL: Ist es nur der Imagegewinn?

OETKER: Imagegewinn ist ein Teil, und sicher kein unwichtiger.Dafür geben andere Unternehmen viel Geld aus, ohne damit noch etwas anderes zu erreichen.Aber wir sparen auch nachweisbar Kosten, indem wir weniger Verpackung verbrauchen, weniger Strom benötigen.Meist sind dafür gar keine großen Investitionen nötig.Und wenn, dann läßt sich die Wirtschaftlichkeit ganz handfest nachweisen.Und natürlich ist die Motivation der Mitarbeiter, die sich mit der Aufgabe, mit dem Unternehmen identifizieren, ein ganz wesentliches Argument.Diese Motivation ist vielleicht schwer in Zahlen zu messen, ein Gewinn ist sie aber zweifellos.

TAGESSPIEGEL: Beispiel Gentechnik: Läßt sich diese Entwicklung in dem zunehmend globaler werdenden Markt überhaupt aufhalten?

OETKER: Die Frage stellt sich noch nicht.Wenn nicht akzeptiert wird, daß beispielsweise gentechnisch bearbeitete Soja eingesetzt wird, dann habe ich als Anbieter keine Möglichkeit, das durchzusetzen.So gesehen, ist die Zeit überhaupt noch nicht gekommen, daß wir über den Einsatz gentechnisch veränderter Rohstoffe wünschen.Wir können damit das Thema aber nicht zu den Akten legen.Die Gentechnik hat ja unbestreitbar Anwendungsgebiete gefunden, wo sie von den Menschen akzeptiert wird, etwa in der Pharmaindustrie.

TAGESSPIEGEL: Bietet denn die Kennzeichnungspflicht ausreichend Schutz?

OETKER: Zunächst ja.Aber es wird für uns Hersteller zunehmend schwieriger, Rohstoffe zu beziehen, bei denen der Lieferant garantieren kann, daß sie nicht gentechnisch bearbeitet wurden.Noch sind das kleine Bereiche, aber man fragt sich, ob da nicht mit Kraft etwas durchgesetzt werden soll.Dann haben wir als Hersteller ein Problem.

TAGESSPIEGEL: Der Euro wird die Märkte verändern.Was bedeutet das für Ihr Unternehmen?

OETKER: Man sollte die Folgen auch nicht überschätzen: Die Einführung des Euro bedeutet ja nicht, daß es auch einen einheitlichen europäischen Geschmack geben wird.Trotzdem bedeutet der Euro für uns natürlich zunächst mehr Wettbewerb.Nicht nur, weil die Preise sehr viel transparenter sein werden.Wir haben auch die zunehmende Konzentration und Europäisierung im Handel.Das heißt, es wird immer schwieriger, die Preise je nach Land unterschiedlich zu gestalten.Wir stehen unter Druck, die Preise innerhalb Europas anzugleichen.

TAGESSPIEGEL: Zwingt Sie das nicht dazu, weitere Produktionen in anderen EU-Staaten aufzubauen oder Unternehmen zuzukaufen?

OETKER: Nein, nicht des Euro wegen.Unsere starke Position etwa im Dessertbereich in Deutschland wird uns ein Anbieter aus dem Ausland nur schwer streitig machen können.Gleiches gilt umgekehrt.Wir werden den Marktführer zum Beispiel in Spanien und Portugal kaum angreifen können.Die Übernahme eines lokalen Anbieters ist natürlich eine Alternative.Aber dazu gehören immer zwei.

TAGESSPIEGEL: Manche sagen, Oetker sei zu groß für die Nische, aber zu klein für den Weltmarkt.

OETKER: Wichtig ist nicht die Größe eines Unternehmens, sondern die Position in den einzelnen Märkten.Und wahrscheinlich haben wir auch das Glück, in Deutschland zu sitzen.Der deutsche Markt ist groß genug, um Anlagen auslasten zu können und die niedrigsten Stückkosten zu erzielen.Aus meiner gegenwärtigen Sicht müssen wir kein globaler Spieler sein, um zu überleben.Wenn ich in einem Segment Marktführer bin, muß ich mich nicht fragen, ob es noch andere große Unternehmen gibt.

TAGESSPIEGEL: Oetker ist sehr stark in Osteuropa engagiert.Sind Sie trotz der aktuellen Krise in Rußland für diese Standorte noch optimistisch?

OETKER: Zunächst sieht es vor allem in Rußland düster aus.Das trifft die anderen osteuropäischen Länder sicher, aber sie haben sich in den vergangenen Jahren doch zunehmend und teils erfolgreich von Rußland abgekoppelt.Bislang spüren wir noch keine negativen Auswirkungen.Und selbst wenn die Kaufkraft etwas zurückgehen sollte, ist das noch keine Katastrophe.Nehmen Sie zum Beispiel Brasilien, wo wir ebenfalls Werke haben.Da hat es im Laufe der Jahre mehrfach Krisen gegeben.Deshalb haben wir uns aber nicht gleich verabschiedet.

TAGESSPIEGEL: Das heißt, irgendwann könnte Oetker den deutschen Markt aus Osteuropa beliefern.

OETKER: Irgendwann vielleicht, aber ich kann es mir nicht vorstellen.Es gab bei uns schon mehrfach Überlegungen, den besten Standort für ein zentrales Werk zu suchen.Davon sind wir wieder abgerückt.Wir haben jetzt ein Europa-Werk-Konzept mit mehreren Standorten.Das halte ich für sinnvoll, weil sich Standortbedingungen immer wieder verändern.Eine echte Standortverlagerung ist zudem sehr teuer.Bis sich das amortisiert, dauert es Jahrzehnte.

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