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Wirtschaft: Eine Sippenhaft für die Neuen Länder wird es nicht geben - EU will im Einzelfall entscheiden

Berlins Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner war sich sicher: Die EU-Kommission habe die Auszahlung von Geldern aus dem EU-Strukturfonds gestoppt. Ein Horrorszenario.

Berlins Wirtschaftssenator Wolfgang Branoner war sich sicher: Die EU-Kommission habe die Auszahlung von Geldern aus dem EU-Strukturfonds gestoppt. Ein Horrorszenario. Die Strukturfondsgelder gehören zum wichtigsten Förderinstrumentarium der regionalen Wirtschaftspolitiker. Eine Blockade würde wichtige Investitionsvorhaben verzögern.

Glücklicherweise stimmt das nicht. Aber die EU-Kommission droht damit, neuen Bewilligungen für Anträge auf Mittel aus den Strukturfonds einen Riegel vorzuschieben, wenn nicht bald alle Bundesländer endlich die Gebiete benennen, die nach der europäischen Naturschutz-Richtlinie Flora-Fauna-Habitat (FFH) geschützt werden sollen.

Wer sich nicht gerade mit den Feinheiten des europäischen Natur- und Tierschutzes befasst hat, dem sagt die formelhafte FFH-Richtlinie zur Erhaltung der Artenvielfalt vermutlich wenig. Die Schutzflächen sollen eines Tages ein europäisches Netz von Biotopen - die "Natura 2000" - ergeben.

Eigentlich hätten die Deutschen schon vor fünf Jahren eine Liste der einschlägigen Schutzgebiete in Brüssel vorlegen müssen. Vor zwei Jahren setzte der Bund die Richtlinie in nationales Recht um. Spätestens dann hätte etwas passieren müssen. Doch weil bis heute nicht geschehen ist, wurde die Bundesrepublik bereits vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. Weil aber auch das nichts nützte, legt die Kommission jetzt nach.

Unterdessen haben Italiener, Dänen oder Niederländer ihre Natura-2000-Gebiete längst deklariert. Bei den Niederländern machen sie sogar ein Fünftel der Landesfläche aus. Der deutsche Vergleichswert liegt zurzeit nicht einmal bei zwei Prozent. Kurzerhand interpretierte Umweltminister Jürgen Trittin die entsprechende Sanktionsankündigung aus Brüssel unlängst als rechtskräftige Verfügung. Vorschnell, wie nun klar ist.

Denn die Mehrheit der Bundesländer - Berlin ausgenommen - hinkt in puncto Umsetzung der EU-Richtlinie kräftig hinterher. In aller Regel sind es Vorbehalte aus der Wirtschaft, die eine schnelle Entscheidung über die Schutzgebiete bislang verhindert haben. Das bringt die EU-Umweltkommissarin Margot Wallström auf. Erst nach der vollständigen Ausweisung der FFH-Gebiete werde man die Auszahlung der europäischen Strukturfondsmittel in der Bundesrepublik insgesamt genehmigen, ließ die EU-Kommission wissen.

Das allerdings würde die Wirtschaft ins Mark treffen. Investitionsvorhaben würden auf die lange Bank geschoben, die Bewilligungen neuer Programme blockiert. Für die neue Förderperiode 2000 bis 2006 sind bundesweit knapp 30 Milliarden Euro Strukturfondsmittel vorgesehen. Vor allem die neuen Länder wären betroffen. Auf sie entfällt mit 19 Milliarden der Löwenanteil der Gelder. Im Jahresdurchschnitt erhalten sie knapp drei Milliarden Euro. Allein für Berlin sind Strukturfondsmittel in Höhe von 2,2 Milliarden Mark für die gesamten sechs Jahre eingeplant. Das sind Gelder, die beispielsweise zur Technologieförderung oder zur Entwicklung und Nutzung moderner Kommunikationstechnologien verwandt werden. Auch in Brüssel ist das Problem inzwischen erkannt: Eine Sippenhaft für die Länder wird es wie Bundesumweltminister Jürgen Trittin nach einen Treffen mit der EU-Umweltkommissarin Margot Wallström, wie berichtet, nicht geben. Die Kommissarin will jetzt mehr Gerechtigkeit walten lassen, die ostdeutschen Länder einzeln unter die Lupe nehmen und gegebenenfalls Sanktionen beschließen.

Martina Ohm

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