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Wirtschaft: „Einen störungsfreien Betrieb kann niemand garantieren“

Bahn-Vorstand Christoph Franz über das Eis-Chaos zu Weihnachten und Änderungen am neuen Preissystem

Herr Franz, BahnFahrgäste beklagen unzureichende Information und mangelnde Kulanz im Eis-Chaos an Weihnachten. Warum hat das Krisenmanagement nicht funktioniert?

Es hat funktioniert. Aber die Witterung war so extrem, dass wir machtlos waren. Auf den Oberleitungen lagen Eispanzer, Bäume stürzten auf die Strecken, nicht einmal Weichenheizungen konnten etwas ausrichten. Trotzdem sind wir noch gefahren, als im Flugverkehr und auf Straßen nichts mehr ging. Wir können aber keine Wunder vollbringen. Was die Kulanz betrifft: Wir haben in großem Stil Reise-, Hotel- und Taxigutscheine ausgegeben und nicht genutzte Tickets erstattet.

Züge sind oft auf freier Strecke stehen geblieben, ohne dass die Fahrgäste informiert wurden. Warum?

Unsere Mitarbeiter haben alles Menschenmögliche getan, um mit dem Problem fertig zu werden. Bevor wir die Kunden informieren, müssen wir aber erst selbst wissen, was los ist. Wenn ein Zug aus Hamburg in Lüneburg durch Eisregen gestoppt wird, kommt das für alle überraschend. Aber wie hätten die Reisenden reagiert, wenn der Zug erst gar nicht losgefahren wäre? Für die betroffenen Fahrgäste war es natürlich ärgerlich, Heiligabend im Zug verbringen zu müssen. Aber bei 14 Stunden Eisregen war es auch uns unmöglich zu sagen, wann es weitergeht.

Der Eisregen war am 23. Dezember abzusehen. Studieren Sie keine Wetterberichte?

Es gab zwar Vorhersagen über Eisregen. Aber erst kurz zuvor konnten die Meteorologen sagen, welche Regionen betroffen sein würden. Wir können uns nur begrenzt vor den Folgen derartiger Wetterbedingungen schützen, etwa indem wir Bäume absägen, die bei Eisregen auf Oberleitungen fallen könnten.

Haben die Folgen des Eisregens die Bahn Sympathie gekostet?

Ja, aber die Fahrgäste haben mit Verständnis reagiert. Schließlich war es höhere Gewalt. Die Probleme am Heiligabend dürfen aber nicht den Blick darauf verstellen, dass wir jeden Tag in mehr als 30 000 Zügen Millionen von Fahrgästen zuverlässig ans Ziel bringen. Einen störungsfreien Betrieb kann kein Verkehrssystem und keine Technik garantieren.

Viele Bahnfahrer fühlen sich behandelt wie ein Beförderungsfall, nicht wie ein Kunde.

Dieses Klischee hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Wir sind schon lange keine hoheitliche Behördenbahn mehr, sondern ein professioneller Dienstleister. Ich stelle allerdings die Frage, ob die Erwartungshaltung gegenüber dem komplexen und vernetzten System Bahn nicht manchmal überzogen ist.

Wer mit der Bahn verspätet ans Ziel kommt, muss sich mit Gutscheinen von 25 Euro begnügen. Ist das noch zeitgemäß?

Solange an Autobahnausfahrten und auf Flughäfen nicht auch Gutscheine verteilt werden, ja. Ich sehe nicht ein, warum bei höherer Gewalt immer nur die Bahn ihre Kasse öffnen soll. Wenn wir höhere Entschädigungen zahlen sollen, müssen wir die Preise anheben. Das wird unsere preissensiblen Kunden nicht freuen. An die Bahn wird stets der höchste Maßstab angelegt – bei Billigfliegern hingegen verzichten Passagiere auf jeden Rechtsanspruch. Das ist ungerecht.

Wer im Kaufhaus einkauft, hat Garantie- und Umtauschrechte. Warum nicht bei der Bahn?

Man kann Konsumgüter nicht mit Dienstleistungen vergleichen. Wer für sechs Euro einen Kugelschreiber kauft, verlangt meist keine Entschädigung oder Reparatur. Störungen bei einer Bahnfahrt haben zum großen Teil auch externe Ursachen. Soll die Bahn für Verspätungen zahlen, wenn ein Lkw einen Bahnübergang blockiert hat?

Politiker und Gewerkschaften fordern von Ihnen, das neue Preissystem nachzubessern. Wird es Veränderungen geben?

Nein. Wir wollen keine Schnellschüsse, sondern erstmal Erfahrungen sammeln. Wenn unsere Angebote nicht nachgefragt werden, werden wir nachsteuern. Dafür gibt es aber keine Anzeichen. Eher ist das Gegenteil der Fall.

Überfordern Sie die Kunden mit dem neuen System? Viele klagen, es sei zu kompliziert.

Jeder, der sich mal mit dem alten System beschäftigt hat, wird bestätigen, dass es deutlich einfacher geworden ist. Aber es ist eben neu, und man muss sich erst einmal informieren, wenn man die Rabatte nutzen will. Ein Preissystem, das allen gerecht wird, gibt es nicht – auch keine Höchstrabatte für alle, wie es manche Kritiker fordern.

Untersuchungen zufolge nennen die Bahn-Mitarbeiter an den Schaltern oft falsche Preise.

Das stimmt nicht. Für eine Verbindung zu einer bestimmten Zeit gibt es nur einen Normalpreis. Den kann man senken, wenn man eine Bahncard hat, gemeinsam reist oder sich frühzeitig festlegt. Das ist der Vorteil gegenüber dem alten Tarifdschungel. Preisunterschiede gibt es nur für unterschiedliche Strecken oder Produkte – natürlich ist eine stundenlange Fahrt mit Regionalzügen preiswerter als die gleiche Strecke im ICE.

Das Gespräch führte Carsten Brönstrup.

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