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Wirtschaft: Einer spricht Deutsch

Die chinesische Stadt Wuxi wirbt um Berliner Mittelständler – doch das gestaltet sich schwierig

Die Visitenkarten in Marion Ruderts Handtasche tragen chinesische Schriftzeichen. Es soll der Name ihrer Firma sein, einem kleinen Unternehmen aus Weißensee, das Maschinen für die Elektroindustrie herstellt. Voller Erwartungen ist Rudert in den Schlosssaal des Berliner Kempinski Hotels gekommen, wo sich Unternehmer aus Berlin und der chinesischen Stadt Wuxi treffen und Kontakte knüpfen sollen. Jetzt sitzt sie mit nach vorne gerecktem Hals in Stuhlreihe acht – vor ihr knapp einhundert Geschäftsleute, die meisten tragen dunkle Anzüge. Zweieinhalb Stunden später wird Rudert ihre Karten wieder mit nach Hause nehmen müssen.

„Handels- und Investitionsseminar“ heißt die Veranstaltung, auf der sich die chinesische Stadt Wuxi den Berliner Mittelständlern präsentieren will. Tatsächlich geht es mehr um Investitionen als um Handel. Herr Gong, der Bürgermeister von Wuxi, ist eigens angereist, um für seine Stadt als Standort zu werben, im Schlepptau hat er Geschäftsleute. Wuxi ist eine Millionenstadt im Osten Chinas, 130 Kilometer vor Shanghai. Sie gehöre zu den zehn wachstumsstärksten Regionen des Landes, sagt der Dolmetscher. Herr Gong spricht leider kein Deutsch.

138 deutsche Firmen seien schon dort und hätten 1,5 Milliarden US-Dollar investiert. Darunter große Namen wie Siemens, Bosch oder Lanxess. Die haben Vertreter zum Seminar geschickt, die von ihren Erfolgen in Fernost berichten. Nun soll auch der Berliner Mittelstand kommen – und sei es nur, um Ferien zu machen. Die staatliche „Urlaubsszene“ biete „große Touristenattraktionen“, verspricht Herr Gao, ein Begleiter von Herrn Gong, der eine Video-Präsentation mitgebracht hat. Es gebe westliche Restaurants und Vergnügungsstätten. Sogar deutsches Bier sei zu bekommen. Ach ja, und die ersten fünf Jahre seien für ausländische Unternehmen steuerfrei.

Auch die lokale Politik schwärmt von Wuxi: Der Spandauer Bezirksbürgermeister Konrad Birkholz war Anfang März mit einer Delegation Spandauer Unternehmer in Wuxi, hat ein Kooperationsabkommen unterschrieben und sich tief beeindrucken lassen. Die Region halte viele gute Angebote für deutsche Unternehmen bereit, sagt er, vor allem für den Mittelstand.

Der Mittelstand, das sind Marion Rudert und ihr Mann Hans, der das Unternehmen leitet. Im März war er in Wuxi. „Er hat gesehen, was für eine große Industriestadt das ist“, sagt Marion Rudert. Überhaupt sei der chinesische Markt extrem wichtig. „Da investieren die Leute wenigstens noch, in Deutschland ist ja nichts mehr.“ Investitionen in Wuxi kommen für die Ruderts aber nicht in Frage. Der Familienbetrieb mit 15 Mitarbeitern eignet sich nicht für eine Fabrik in China. Man will lieber Maschinen dorthin verkaufen. Marion Rudert war zum Seminar gekommen, um Kontakte zu Handelspartnern zu knüpfen. Doch ohne Chinesischkenntnisse scheint das heute schwierig zu sein. „Das hatte ich mir anders vorgestellt“, sagt sie.

Das Seminar ist schon in der Fragerunde angekommen. Und weil es ein Nachmittag voller asiatischer Höflichkeit ist, wird jede Frage aus dem Publikum mit Applaus goutiert und mit dem Hinweis beantwortet, dass es „eine sehr gute Frage“ sei. Die Verabschiedungsformel ist schon gesprochen, da greift sich eine Berliner Unternehmerin noch einmal das Mikrofon. Ob es überhaupt einen Ansprechpartner gebe, der Deutsch spricht, will sie wissen. Auf den Prospekten, die Wuxi als „Stadt mit unwiderstehlichem Glanz“ preisen, sei ja noch nicht einmal eine Email-Adresse vermerkt. Es gebe genau einen Anprechpartner, antwortet der Dolmetscher, ihn selber.

Marion Rudert packt zusammen. Sie hatte nicht nur die Visitenkarten mitgebracht, sondern auch noch einen Stapel Prospekte, die in Englisch und Chinesisch über ihre Firma informieren. „Schade, dass ich die nicht an den Mann bringen konnte“, sagt sie. Sie hängt sich ihre Tasche um und geht in Richtung Ausgang. „Vielleicht treffe ich ja noch jemanden, der was von mir will.“ Die meisten Herren in den dunklen Anzügen sind da schon wieder weg.

Stefan Kaiser

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