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Wirtschaft: Einfach sachlich bleiben

Wenn es ums anwaltliche Werberecht geht, gehört das Oberlandesgericht München zu den liberalen Vorreitern: Erst hat es bunt bebilderte Kanzleibroschüren als zulässig erachtet. Nun kommt es in einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung dazu, dass eine Kanzlei auf ihrer Homepage Vollmachten, Honorarvereinbarungen und Interessentenschreiben zum Download bereithalten darf: Wenn auf einer Internetseite mit Informationen zu den Chancen und Risiken einer Vertretung geworben werde, verstoße das weder gegen den Grundsatz sachbezogener Werbung, noch sei es sittenwidrig, wenn die Online-Vollmacht eine Mandatserteilung ermögliche.

Wenn es ums anwaltliche Werberecht geht, gehört das Oberlandesgericht München zu den liberalen Vorreitern: Erst hat es bunt bebilderte Kanzleibroschüren als zulässig erachtet. Nun kommt es in einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung dazu, dass eine Kanzlei auf ihrer Homepage Vollmachten, Honorarvereinbarungen und Interessentenschreiben zum Download bereithalten darf: Wenn auf einer Internetseite mit Informationen zu den Chancen und Risiken einer Vertretung geworben werde, verstoße das weder gegen den Grundsatz sachbezogener Werbung, noch sei es sittenwidrig, wenn die Online-Vollmacht eine Mandatserteilung ermögliche.

Der Münchener Entscheidung zufolge besteht auch keine unerlaubte Werbung im Einzelfall, wenn sich das Interessentenschreiben an einen bestimmbaren Personenkreis - beispielsweise an Aktionäre einer Firma - richtet. Lediglich auf ein sich konkret abzeichnendes Mandat darf es nicht zugeschnitten sein. So ergibt es generell einen Unterschied, ob jemand ein Informationsangebot per Brief, Telefax oder E-Mail unverlangt zugeschickt bekommt oder ob es ein Rechtssuchender selbst von einer Kanzlei-Homepage herunter lädt.

Den Werbemöglichkeiten für Anwälte sind enge Grenzen gesetzt. Für die Werbepraxis von Anwälten ist insbesondere der § 43 b der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) maßgeblich. Danach dürfen Anwälte nur dann werben, wenn sie über ihre Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichten und nicht auf die Erteilung eines Mandats im Einzelfall abzielen. Das wird durch § 6 in der Berufsordnung für Anwälte (BORA) weiter konkretisiert: Praxisbroschüren oder Rundschreiben zum Beispiel sind danach erlaubte Werbemittel, die Angabe von Erfolgs- oder Umsatzzahlen nicht. Das ist vielen Anwälten hier zu Lande zu wenig.

Fachgerichtliche Entscheidungen zum Werberecht sind im Lichte des Verfassungsrechts zu sehen. Das anwaltliche Werberecht wird als Teil der Berufsausübungsfreiheit durch Art. 12 Abs. 1 GG garantiert. Diesen Freiheitsgedanken muss das Bundesverfassungsgericht immer wieder zeitangemessen konkretisieren. Eine Entscheidung verdeutlicht, wie dabei die Eigeninteressen von Kanzleien und die Schutzinteressen von Verbrauchern wechselseitig austariert werden: Eine Augsburger Kanzlei warb in einer Regionalzeitung und einem Stadtmagazin. Unter dem Schlagwort "umfassende Rechtsberatung" präsentierte sie die Namen von neun Rechtsanwälten, denen jeweils zwei Interessenschwerpunkte zugeordnet waren. Damit sollte der Eindruck umfassender Beratungskompetenz vermittelt werden. Außerdem wurde auf eine Selbstverständlichkeit aufmerksam gemacht: "Wir arbeiten konsequent für Ihr Recht."

Das Bundesverfassungsgericht entschied in diesem Fall: Informative sowie formal und inhaltlich angemessen gestaltete Anzeigen, die keinen Irrtum erregen, sind Rechtsanwälten prinzipiell erlaubt. Gleichwohl sei eine Berufsordnung problematisch, die die Angabe von Interessenschwerpunkten schon dann zulässt, wenn sich ein Anwalt für ein bestimmtes Rechtsgebiet begeistern kann. Denn Voraussetzungen für die Angabe eines Interessenschwerpunktes - etwa Berufserfahrung, besondere Kenntnisse oder vertiefte wissenschaftliche Beschäftigung - enthält die Berufsordnung nicht. Gerade das könne aber Rechtsuchende irreführen, da sie unter dem Label "Interessenschwerpunkt" wohl häufig Fachkompetenz verstehen.

Eine neue Entwicklung könnte das anwaltliche Werberecht durch das EU-Wettbewerbsrecht erhalten. Die Europäische Kommission will die Regelungen für freie Berufe insgesamt prüfen. Ihr Ziel wird es sein, den Wettbewerb in den freien Berufen im Interesse der Berufsangehörigen und Verbraucher zu fördern.

In der Vergangenheit vertrat die Kommission die Ansicht, dass Werbeverbote eine Wettbewerbsbeschränkung darstellen. Sie könnten unter Umständen dennoch gerechtfertigt sein, um etwa irreführende Werbung zu verhindern. Auch vergleichende Werbung verstößt dieser Entscheidung nach gegen das Europäische Wettbewerbsrecht. Würde Brüssel die Werbemöglichkeiten bestimmen, wäre es also nicht zwangsläufig Anwalts Liebling, aber immerhin um die Rechtsuchenden besorgt.

Tobias Gostomzyk

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