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Das Stahlwerk Ilva in Taranto im November 2019.

© ANDREAS SOLARO / AFP

Einigung zwischen ArcelorMittal und Rom: Italienisches Stahlwerk Ilva soll gerettet werden

Das Ringen um das Stahlwerk Ilva in Süditalien geht weiter. Ein Sanierungsprozess soll eine stabile Produktion in der wirtschaftlich prekären Region sichern.

Die italienische Regierung und der weltgrößte Stahlkonzern ArcelorMittal wollen das Stahlwerk Ilva im süditalienischen Tarent (Taranto) gemeinsam retten. Ein Spitzentreffen in Rom am Freitagabend sei konstruktiv verlaufen, teilte ArcelorMittal am Samstag mit. Man wolle sobald wie möglich zu einem Abkommen über eine stabile Stahlproduktion in Tarent gelangen.

Der Weltkonzern hatte 2018 angekündigt, das verlustreiche Stahlwerk mit rund 10.000 Beschäftigten zunächst zu mieten, dann zu kaufen und einschließlich des Kaufpreises 4,2 Milliarden Euro zu investieren. Anfang November teilte der Konzern aber mit, aus dem Übernahmevertrag aussteigen zu wollen. Er begründete den Schritt mit einer Entscheidung des italienischen Senats, die Immunität aufzuheben, die die Betreiber bei Verstößen gegen Umweltbestimmungen genießen sollten. Hinzu komme ein Gerichtsentscheid, nach dem einer der Hochöfen schon bis zum 13. Dezember geschlossen werden müsste. Dadurch sah sich ArcelorMittal berechtigt, von einer Ausstiegsklausel Gebrauch zu machen.

Hintergrund: Darum ist die Schließung des Stahlwerks Ilva so heikel

  • Das Stahlwerk Ilva entstand 1965 als Staatsbetrieb vor den Toren der süditalienischen Stadt Taranto. Die Arbeitslosigkeit ist im Süden Italiens traditionell besonders hoch. Bei den unter 24-Jährigen erreicht sie bis zu 50 Prozent.
  • Die Ilva ist die größte Arbeitgeberin in der Region und das größte Stahlwerk Europas. Im Werk gibt es aktuell rund 8200 Arbeitsplätze, die gut 150 Zulieferbetriebe haben etwa 6000 Mitarbeiter. Von einer Schließung wären knapp 15.000 Familien in der Region betroffen.
  • Das Riesenwerk hatte einst sogar 20.000 Mitarbeiter. Die italienische Familie Riva und zuletzt drei Regierungskommissare haben es jahrzehntelang versäumt, das Werk fit zu machen für den hart umkämpften Stahlmarkt. Zudem sind die Umweltprobleme durch die Ilva in der Region massiv.
  • Über Jahrzehnte haben sich schwarzer Kohlestaub und der rote Staub der Eisenerzhalden, auf die Häuser und Straßen Tarantos gelegt. Das Werk zu schließen sehen aber viele nicht als Alternative. Viele Anwohner sagen: Entweder sterben wir an Krebs oder wir verhungern.
  • ArcelorMittal, der größte Stahlkonzern der Welt, hat 2018 das Ausschreibeverfahren des italienischen Staats für die Ilva gewonnen. Im September 2018 verpflichte man sich, die marode Fabrik zum „modernsten Stahlwerk Europas“ zu machen.
  • Allein für Umweltmaßnahmen hatte ArcelorMittal Investitionen in der Höhe von 1,2 Milliarden Euro zugesagt. Der Deal war heikel: Denn der italienische Staat musste zusagen, dass er ArcelorMittal bis 2023 nicht wegen Umweltdelikten strafrechtlich verfolgen wird.
  • ArcelorMittal hat Wort gehalten: Nach der Übernahme der Ilva hat der Konzern als erstes 300 Millionen Euro in die Überdachung der Kohle- und Eisenerzhalden gesteckt.
  • Die italienische Regierung hat nun aber die Immunitätsregelung gekippt. ArcelorMittal hat deshalb von einer Rücktrittsklausel Gebrauch gemacht. Ohne den Investor wird das Werk weiterhin brachliegen – oder eben geschlossen.
  • Die Mitarbeiter von Ilva und ihre Familien sind wütend auf ihre Regierung. Sie bezeichnen die Entscheidung als kurzsichtig.
  • Aber: ArcelorMittal leidet wie alle anderen Stahlerzeuger Europas wegen der von den USA gegen China verhängten Zölle unter einer drastisch verschlechterten Marktsituation. Jeden Tag verliert das Unternehmen in Taranto zwei Millionen Euro. Die Aufhebung der Immunität könnte auch ein clever Schachzug sein, sich aus dem Engagement zurückzuziehen, denn das Werk ist vor allem eine Belastung.

An dem Spitzengespräch in Rom nahmen der Vorstandsvorsitzende Lakshmi Mittal, sein Sohn und Finanzvorstand Aditya Mittal sowie Ministerpräsident Giuseppe Conte, Finanzminister Roberto Gualtieri und Industrieminister Stefano Patuanelli teil. Die Regierung will nun eine im Vertragsstreit schon für nächste Woche angesetzte Gerichtsverhandlung verschieben. Außerdem sei über die Möglichkeit einer öffentlichen Unterstützung im Sanierungsprozess gesprochen worden. Die Regierung sei ferner zu „sozialen Maßnahmen“ bereit - also zu staatlichen Auffangprogrammen für Arbeitnehmer, die ihren Job verlieren. (dpa, Tsp)

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