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Wohin mit dem Überschuss? Vorschläge zur Verteilung der Milliarden in der Staatskasse gibt es viele.

© picture alliance / dpa

Einnahmeplus von Bund und Ländern: Deutsche Staatskasse mit Milliardenüberschuss

Bund, Länder und Kommunen haben 2016 fast 24 Milliarden Euro mehr eingenommen, als sie ausgegeben haben. Die Wirtschaft fordert Entlastungen für Bürger und Betriebe.

Die deutsche Staatskasse ist so gut gefüllt wie seit Langem nicht mehr: Die gute Konjunktur, die steigende Beschäftigung und sinkende Zinskosten haben der Bundesrepublik 2016 einen Rekordüberschuss in zweistelliger Milliardenhöhe beschert. Wie das Statistische Bundesamt am Donnerstag mitteilte, nahmen Bund, Länder, Kommunen und Sozialversicherung im vergangenen Jahr 23,7 Milliarden Euro mehr ein, als sie ausgaben – 4,5 Milliarden Euro mehr als zunächst geschätzt. „Das ist absolut gesehen der höchste Überschuss, den der Staat seit der deutschen Wiedervereinigung erzielte“, erklärten die Statistiker. Die Summe entspricht 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP). 2015 hatte es ein Plus von 0,7 Prozent und 2014 von 0,3 Prozent gegeben, 2013 dagegen ein Defizit von 0,2 Prozent. Die Bundesrepublik ist damit weit von der Defizitgrenze des Maastricht-Vertrages entfernt: Ihr zufolge darf das Staatsdefizit höchstens 3,0 Prozent des BIP betragen.

Steigende Sozialbeiträge, sinkende Ausgaben

Das Rekordergebnis beruht neben steigenden Steuer- und Beitragseinnahmen auch auf wachsender Beschäftigung und höheren Löhnen. Gleichzeitig wurden die Haushalte durch niedrige Zinskosten entlastet. „Der Bund refinanziert sich historisch niedrig“, sagte der Chefvolkswirt der VP Bank, Thomas Gitzel. Für dieses Jahr rechnen die meisten Experten mit einem erneuten Überschuss. Das höchste Plus erzielte den Zahlen zufolge 2016 die Sozialversicherung mit 8,2 Milliarden Euro. Wegen der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt stiegen die Sozialbeiträge, die Ausgaben sanken dagegen. Der Bund verbuchte ein Plus von 7,7 Milliarden Euro nach zehn Milliarden im Jahr zuvor. Dabei schlug auch die Unterstützung des Bundes für die Länder bei der Unterbringung und Versorgung hunderttausender Flüchtlinge zu Buche. Die Länder und Kommunen nahmen mit jeweils 4,7 Milliarden Euro und 3,1 Milliarden Euro ebenfalls mehr ein, als sie ausgaben.

Steigende Preise belasten das Konsumklima

Während die deutsche Wirtschaft mit Rückenwind ins laufende Jahr gestartet ist, belasten steigende Preise und protektionistische Töne einer Umfrage zufolge das Konsumklima in Deutschland. Die Marktforscher der Nürnberger GfK sagen für März eine Eintrübung ihres Stimmungsbarometers um 0,2 auf 10,0 Punkte voraus. Dies ist der erste Rückgang nach drei Anstiegen in Folge. „Der Regierungswechsel in den USA und die zuletzt deutlich gestiegene Inflation haben der überaus guten Konsumstimmung im Februar einen Dämpfer versetzt“, sagte GfK-Experte Rolf Bürkl. Das Bundesfinanzministerium zeigte sich mit Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung des Landes dennoch zuversichtlich: „Die deutsche Konjunktur befindet sich auf einem soliden Wachstumskurs“, hieß es dort.

Verbände fordern steuerliche Entlastungen

Der Bund der Steuerzahler (BdSt) bekräftigte am Donnerstag seine Forderung, Bürger und Unternehmen angesichts des aktuellen Rekordüberschusses „auf breiter Front“ zu entlasten. „Die steuerliche Belastung von Bürgern und Betrieben ist zu groß“, sagte Zenon Bilaniuk, stellvertretender BdS-Präsident. „Daher muss die Politik jetzt endlich handeln.“ Als Sofortmaßnahmen nannte Bilaniuk Minderungen bei den ungerechtfertigten Belastungen durch die „kalte Progression“ und einen raschen Abbau des Solidaritätszuschlages. Zudem sei denkbar, den aktuellen Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von derzeit 3,0 auf 2,5 Prozent abzusenken. „Dieser Schritt würde Arbeitnehmer und Arbeitgeber entlasten, ohne dass Versicherungsleistungen gekürzt werden müssten“, argumentierte der BdSt. Als kalte Progression wird der Anstieg des durchschnittlichen Steuersatzes der Einkommensteuer bezeichnet, der allein auf die Inflation ausgleichenden Lohn- und Gehaltserhöhungen zurückzuführen ist. Aus Sicht der Unternehmerverbände Berlin-Brandenburg (UVB) sollte der Staat seine Überschüsse unter anderem dazu einsetzen, Menschen mit mittleren Einkommen steuerlich zu entlasten. Um unternehmerische Investitionen voranzutreiben, sei zudem eine steuerliche Förderung der Forschungs- und Entwicklungsausgaben von Unternehmen denkbar, sagte UVB-Sprecher Carsten Brönstrup. Bislang können solche Ausgaben nicht von der Steuer abgeschrieben werden. Allerdings sollten Staatsüberschüsse auch zum Schuldenabbau eingesetzt werden, sagte Brönstrup. Zudem sei es vernünftig, Geld etwa für die erwarteten steigenden Rentenausgaben zurückzulegen.

Grünen-Fraktionschef Hofreiter fordert langfristige Investitionsstrategie

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte angesichts der prall gefüllten Kassen, Deutschland fehle es an einer langfristigen Investitionsstrategie, und forderte Investitionen in die Bildung, den sozialen Wohnungsbau und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) indes warnte davor, in der Debatte über die Milliardenüberschüsse verschiedene Ausgabenbereiche gegeneinander auszuspielen. Verbessert werden müssten sowohl innere und äußere Sicherheit als auch die soziale Sicherheit der Menschen sowie Investitionen in die Zukunft, sagte Merkel. Gleichzeitig sollten keine neuen Schulden gemacht werden: „Insofern sind die Spielräume, die wir haben, überschaubar.“

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