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Wirtschaft: Einzelhandel: Die Käufer bestreiken den Handel

Die deutschen Einzelhändler haben zu Jahresbeginn stark unter der Kaufzurückhaltung der Verbraucher gelitten. Die Umsätze gingen im Februar unter Berücksichtigung der Preissteigerung um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück, teilte das Statistische Bundesamt mit.

Die deutschen Einzelhändler haben zu Jahresbeginn stark unter der Kaufzurückhaltung der Verbraucher gelitten. Die Umsätze gingen im Februar unter Berücksichtigung der Preissteigerung um 2,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zurück, teilte das Statistische Bundesamt mit. Besonders schlecht verkauften sich langlebige Waren wie Möbel oder Textilien. Als Gründe für den Rückgang gelten die Sorge um die Wirtschaftslage und die Verunsicherung nach der Einführung des Euro.

Glimpflich kamen nur die Händler davon, die Waren des täglichen Bedarfs verkaufen. Alle anderen spüren im Februar das Misstrauen der Verbraucher, die wegen der Euro-Einführung und der weiteren konjunkturellen Entwicklung verärgert und verunsichert sind. Bei Hausrat, Bau- und Heimwerkerbedarf brach der Umsatz im Februar um real 9,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr ein. Am schlimmsten straften die Konsumenten Kauf- und Warenhäuser mit ihren gemischten Sortimenten ab: Sie verkauften 9,6 Prozent weniger.

Als Hauptgrund für den Käuferstreik nennen Experten die schlechte Laune der Verbraucher. Die Arbeitslosigkeit, spektakuläre Firmenpleiten wie bei Holzmann und die anhaltende Flaute an den Börsen drücken auf die Stimmung der Konsumenten. "Die Verbraucher wissen nicht, wie es mit der Wirtschaft weitergeht und haben Angst um ihren Arbeitsplatz", sagt Andreas Kaapke, Geschäftsführer des Instituts für Handelsforschung der Uni Köln. "In dieser Situation halten sich viele Menschen mit größeren Anschaffungen zurück." Das Institut für Demoskopie Allensbach ermittelte, dass 34 Prozent der deutschen Bevölkerung geplante Anschaffungen verschieben.

Dazu kommt, dass die Käufer den kollektiven Verdacht hegen, dass die Einführung des Euro vom Handel zu ungerechtfertigten Preiserhöhungen genutzt wurde. Die Statistiker haben zwar nur einen Preisanstieg bei Dienstleistungen festgestellt. "Trotzdem aber haben die Menschen das Gefühl, alles sei teurer geworden", sagt Kaapke. Gesteuert aber werden die Konsumenten von den gefühlten Preisen. Und weil den meisten von ihnen auch das Umrechnen in Euro noch schwer falle, werde jetzt nur das gekauft, was unbedingt nötig ist.

Nicht nur die gefühlten Preise sind für die Verbraucher ein Problem. Schlimmer noch wirkt, dass auch das Gefühl, reich zu sein, mit dem Platzen der Spekulationsblase an den Börsen verschwunden ist. Vor zwei Jahren hatten die Deutschen noch Aktien und Fonds im Wert von 400 Milliarden Euro im Depot. Der "virtuelle Reichtum" ist inzwischen auf 300 Milliarden Euro geschrumpft, rechnet Wolfgang Twardawa, Handelsexperte der Gesellschaft für Konsumforschung vor (siehe Interview). Da es sich weitgehend um psychologische Effekte handelt, die auf die Konsumlaune der Verbraucher wirken, hoffen die Experten auf Besserung im Verlauf des Jahres. "Es gab zum Jahresanfang zwar einige milde Steuererhöhungen, deutlich weniger in der Tasche haben die Leute aber deshalb nicht", sagt Kaapke. Schon das Ostergeschäft im März sei wieder etwas besser gelaufen und gebe Anlass zu Hoffnung.

Der Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) erwartet, dass 15 000 Geschäfte mit 50 000 Beschäftigten aufgeben müssen, wenn sich die negative Entwicklung fortsetzt. Der HDE rechnet nicht damit, dass der Handel die Verluste in den kommenden Monaten wieder ausgleichen kann und im gesamten Jahr ein Umsatzplus erreichen kann.

Die schlechte Kauflaune der Verbraucher trifft den Einzelhandel in einer schwierigen Lage. Seit Jahren klagen die Händler über ein Überangebot an Flächen und sinkende Margen. "Der Handel ist in einer Phase des Strukturwandels. Viele Klein- und Mittelständler sind dem Wettbewerb nicht mehr gewachsen und müssen schließen", sagt Uwe Täger, Handelsforscher am Ifo-Institut für Wirtschaftsforschung in München.

Zu den wenigen Gewinnern dieser Entwicklung gehören neben billigen Discountern neue Anbieter aus dem Ausland wie Ikea bei Möbeln oder Zara im Textilhandel. Sie zielen mit ihren Sortimenten auf junge, ausgabefreudige Käufer, die noch nicht auf bestimmte Marken und Produkte festgelegt sind.

msh

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