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Plastiktüten und anderer Kunststoff verschmutzen die Weltmeere.

© dpa

Einzelhandel reagiert: Die Plastiktüte kann einpacken

Plastik verrottet nicht. Die Überreste der Tragetaschen verseuchen die Meere. Daher sollen die Kunden jetzt zahlen.

„Eine Tüte oder geht es so?“ Wer Klamotten kauft, Schuhe, Parfüm oder auch nur eine Grußkarte, kennt diese Standardfrage des Verkaufspersonals. Nichts im Handel ist so klein als dass es keine passende Plastiktüte dafür gäbe. Im Supermarkt hingegen fragt schon lange niemand mehr, ob es eine Tüte mehr sein darf. Das hat einen einfachen Grund. Während die Tragetaschen die Kunden im Lebensmittelhandel Geld kosten, sind sie im übrigen Einzelhandel kostenfrei. Das soll sich nun ändern.

Schritt für Schritt sollen die kostenlosen Plastiktüten aus dem Handel verschwinden. Das sieht eine geplante freiwillige Vereinbarung des Handelsverbandes Deutschland (HDE) und des Bundesumweltministeriums vor, der sich zahlreiche Handelsunternehmen anschließen wollen. Schon seit Beginn des Jahres verlangen viele Läden einen Obolus von Kunden, wenn diese nach einer Tasche verlangen.

60 Prozent ab April gegen Entgelt

Drogeriemärkte wie dm haben die kostenlosen Minitüten von den Kassen verbannt. Konkurrent Rossmann gibt nach eigenen Angaben lediglich die Restbestände aus. Und der Warenhauskonzern Karstadt etwa will für Einwegtragetaschen bereits ab dem 1. März eine größenabhängige Gebühr von 5, 10, 20 oder 30 Cent erheben.

Bereits beim Inkrafttreten der Vereinbarung am 1. April werden laut HDE so rund 60 Prozent der Tüten im Handel nur noch gegen ein Entgelt abgegeben werden. Nach den Supermärkten lassen sich inzwischen auch Elektronikketten, Warenhäuser und Textildiscounter immer häufiger die Kunststofftüten bezahlen oder planen diesen Schritt in nächster Zeit.

Innerhalb von zwei Jahren sollen laut HDE sogar „mindestens 80 Prozent der Plastiktüten in Deutschland kostenpflichtig sein“. Als Ersatz bieten viele Geschäfte etwas aufwändigere Taschen an, für die Kunden zwar einen oder 1,50 Euro berappen müssen, die sie aber dafür immer wiederverwenden können – und sollen.

Umweltschützer kämpfen gegen Einwegtüten

Plastiktüten aus Polyethylen oder Polypropylen stehen seit Jahren in der Kritik, weil sie sich in der Natur praktisch nicht zersetzen. Landen sie im Müll und später womöglich geschreddert im Meer, werden sie von Fischen oder von Vögeln gefressen. Die Tiere verenden zum Teil qualvoll am unverdaulichen Plastikabfall.

Umweltschützer kämpfen deshalb seit langem gegen die unkontrollierte Verbreitung der Einwegtüten. Das Umdenken des Einzelhandels kommt allerdings nicht aus der Branche selbst. Vielmehr erfolgt es auf sanften Druck von der politischen Ebene.

Iren sind vorbildlich

Eine EU-Richtlinie aus dem vergangen Jahr sieht vor, dass der Verbrauch der als umweltschädlich geltenden Plastiktüten in der EU bis Ende 2025 von derzeit bis zu 200 Stück pro Kopf auf unter 40 sinken soll. Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte den Handel Mitte Januar ermahnt, seine angekündigte Selbstverpflichtung nicht endlos zu verschleppen. Anderenfalls sei „eine Regelung per Ordnungsrecht unausweichlich“.

Deutschland ist mit einem Verbrauch von 71 Tüten pro Kopf schon heute ein ganzes Stück weiter als der EU-Durchschnitt. Noch vorbildlicher sind allerdings die Iren und Luxemburger, die pro Jahr mit nur 20 Plastiktüten pro Kopf auskommen. Ausgenommen sind extrem dünne Plastiktüten wie sie etwa für Obst, Gemüse oder Wurstwaren benutzt werden.

Papiertüten brauchen mehr Ressourcen

Handel und Politik haben sich hierzulande lediglich darauf verständigt, die Tüten nicht mehr kostenlos abzugeben, nicht aber auf konkrete Preise. Jeder Einzelhändler, der sich beteiligt, kann also selbst bestimmen, wie viel er den Kunden für die Tragetaschen abnimmt.

Vielen Bekleidungshändlern ist bewusst, dass solch ein Schritt bei etlichen Verbrauchern Kopfschütteln auslösen würde und sie haben längst einen Ausweg gefunden. „Viele Textilhändler haben inzwischen auf Papiertüten umgestellt“, berichtet Axel Augustin vom Bundesverband des Deutschen Textileinzelhandels (BTE).

Die oft aufwendig lackierten Tüten fallen nicht unter die Plastiktütenregelung. Dabei weisen Umweltschützer darauf hin, dass die Papiertüten nicht automatisch ökologisch vorteilhafter sind als eine normale Kunststofftüte und oft sogar eine viel schlechtere Energiebilanz aufweisen.

Engländer zahlen seit Herbst

Anders als Umweltministerin Hendricks sehen sich Kollegen in anderen europäischen Ländern bereits zum Handeln gezwungen. In England, wo die Geschäfte jährlich mehr als sieben Milliarden Plastiktüten ausgeben – durchschnittlich 133 je Kunde –, erhebt die Regierung seit Herbst vergangenen Jahres eine Gebühr. Fünf Pence, etwa sieben Cent, werden seit Oktober je Tüte fällig.

Allerdings gilt das zum Ärger von Umweltschützern nur in Geschäften von Unternehmen, die mindestens 250 Vollzeitbeschäftigte haben. Dennoch: Einer Umfrage zufolge wollten 75 Prozent der Kunden weniger Tüten verwenden oder die Plastikbeutel mehrfach nutzen. In anderen Teilen des Vereinigten Königreiches – in Schottland und Wales – bietet das Kassenpersonal dank Abgabe schon seit Jahren keine Beutel mehr an. Geht auch so. (mit dpa)

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