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Elektronikmesse CES: Beim Fahren twittern

Microsoft und andere IT-Konzerne erobern die Cockpits: Autos sind bald so vernetzt wie Wohnzimmer.

Der Chef des drittteuersten Konzerns der Welt verzichtet auf teuren Zwirn. Mit rotem Pulli und weiter Freizeithose steht Microsoft-Chef Steve Ballmer in Las Vegas auf der Bühne der weltgrößten Elektronikmesse, der Consumer Electronic Show (CES). Ballmer, der außerordentlich erfolgreich in die Fußstapfen von Microsoft-Legende Bill Gates tritt, wirkt fast ein wenig tapsig, als er den gut 350 Journalisten aus aller Welt im Hilton die Neuheiten seines Softwarekonzerns vorstellt. Das neue Betriebssystem Windows 7 verkauft sich glänzend. Weil das Programm schlank und stabil ist sowie berührungsempfindliche Bildschirme steuern kann, wird es zur Plattform für alle erdenklichen Computertypen ebenso wie für lukrative Anwendungen der Industrie. Einer der wichtigsten neuen und wachstumsträchtigsten Märkte: Autos.

Microsofts Zauberwort, das die IT ins Auto bringen soll, heißt „Windows embedded“. Um die Anwendungen zu erläutern nimmt sich Ballmer mehr Zeit als für die Vorstellung des so hoch gehandelten Windows-Tablet-PCs. Ford, Kia und nun wohl auch Fiat nutzen Windows, um ihre Fahrzeuge intelligenter zu machen. Andere sollen folgen. Je nach Hersteller heißt das Auto-Windows „Sync“, „uvo“ oder „ecodrive“. Audi dagegen setzt auf eine Kooperation mit dem Grafikkartenhersteller Nvidia. Und der Chef des Chipproduzenten Intel, Paul Otellini, kündigte eine Kooperation mit Mercedes und BMW an.

Wie gewaltig und wie rasant dieser Markt wächst, zeigt das Beispiel Ford. Seit der Einführung der mit Microsoft entwickelten Auto-IT „Sync“ vor drei Jahren verkaufte der Konzern mehr als eine Million Fahrzeuge, die mit den Multimedia-Modulen ausgerüstet sind. 80 Prozent der Käufer sollen zufrieden mit der Technik sein, teilt der Hersteller mit.

Messe-Chef Gary Shapiro lässt sich in einem rot leuchtenden Ford Taurus auf die gewaltige CES-Bühne fahren. Die Wahl des Mittelklassemodells ist kein Zufall: Ford geht es nicht um Hightech-Spielzeug, das intelligente Auto muss massentauglich sein. Nur so bringt die neue Technik massenhaften Umsatz, lautet das Kalkül. „Ford ist die einzige Firma der US-Automobilbranche, die ohne staatliche Hilfe durch die Krise kam“, sagt Shapiro und zählt die Verdienste von Konzernchef Alan Mulally auf. Strahlend folgt Mulally der Einladung auf die Bühne: „Ich wünschte, meine Mutter hätte dieses Loblied gehört.“ Die Auftritte der Konzernlenker in Las Vegas sind eine Show – Witz ist dabei der Schlüssel zum Erfolg. Vor drei Jahren saß Mulally noch auf dem Chefposten von Boeings Sparte für kommerzielle Flugzeuge. Seit seinem Wechsel zu Ford krempelt er die Traditionsfirma zum Technologiekonzern um. Passend dazu kündigt er zur CES die Integration des sozialen Netzwerkes Twitter in Fords Sync- Software an. Außerdem sollen Pandora, eine Software für Internet-Radio mit 40 Millionen Nutzern weltweit, sowie Stitcher, ein Programm für On-Demand-Radio die Microsoft-Plattform erweitern.

Der deutsche Konkurrent Audi wird noch in diesem Jahr Fahrzeuge mit den Grafik-Prozessoren von Nvidia ausliefern, die eine bessere Darstellung auf den Bildschirmen ermöglichen sollen. Nvidia-Manager stellten einen Prototypen ihrer Entwicklung vor, bei der Windows- Konkurrent Google mit seinem Programm Maps zum Einsatz kommt. 2012 wird der neue Nvidia-Chip Tegra erwartet, der sogar 3D-Darstellungen auf den Auto-Bildschirmen erlaubt.

Fords „Sync“ und die Auto-IT-Varianten anderer Hersteller haben alle dasselbe Ziel: den Fahrer vielfach zu vernetzen. Die IT überträgt Informationen über den Wartungszustand des Autos, beobachtet das Umfeld mithilfe von Panorama- Kameras. Sie navigiert den Fahrer durch die Städte und weist auf Sehenswürdigkeiten und Geschäfte hin. Der Fahrer bekommt Wetterinformationen durch andere Autos, wenn diese ihre Scheibenwischer oder die Nebelscheinwerfer einschalten und diese Daten an nachfolgende Wagen senden. Zudem wird das Auto mit den Unterhaltungs- und Kommunikationsmedien vernetzt. Gesteuert wird die Datenflut aus eine Zentrale im Cockpit – und zwar kinderleicht. Bei Ford reicht ein Zuruf des Fahrers und er kann seine Internet-Radio-Station oder Satelliten-Navigation einschalten, eine Twitter-Nachricht abzurufen oder einen Song aus seiner persönlichen Musiksammlung spielen. Dabei muss der Fahrer nicht einmal seine Augen von der Straße nehmen. Natürlich gibt es auch einen berührungsempfindlichen Bildschirm. Aber den braucht er eigentlich nicht mehr.

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