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Modelle und Bündnisse. Panasonic zeigte ein autonom fahrendes Concept-Car.

© AFP

Elektronikmesse CES: Das Auto ist das nächste große Ding

Computerkonzerne verbünden sich mit Fahrzeugherstellern, Sprache und Gesten steuern Heizung, Entertainment und Vernetzung: Automobile sind die größten Stars auf der Elektronikmesse CES in Las Vegas.

Jensen Huang gefällt sich in der Pose des Rockstars. In schwarzer Hose und schwarzer Lederjacke steht der Chef von Nvidia auf der Bühne im MGM Casino. Huang beginnt mit einem der vielen Späßchen, die sich durch die gesamte Präsentation ziehen: wer sei eigentlich auf die Idee gekommen, Keynote-Vorträge auf die Cocktailzeit um 20 Uhr zu legen? Unterhalten kann der gebürtige Taiwanese. Doch das ist nur einer der Gründe, warum Huang zu den Stars der Elektronikmesse CES in Las Vegas gehört.

Sein Unternehmen war lange vor allem Computerspielfans bekannt, denn Nvidia baut die besten Grafikkarten, die Videospiele immer realistischer machen. Doch dann entdeckten Wissenschaftler die Power dieser Prozessoren für sich, allen voran das Team von Deepmind. Die Google-Tochter nutzte sie, damit eine Künstliche Intelligenz (KI) darauf das asiatische Strategiespiel Go lernt und schließlich die besten menschlichen Spieler besiegte. Das galt bis dahin als unmöglich und löste den Hype um KI aus.

Nvidia ist der bevorzugte Techniklieferant, und auf der CES stellte er gleich mehrere neue „Supercomputer“ vor, speziell entwickelt, um darauf sogenannte neuronale Netze lernen zu lassen. „Eine der schwierigsten Herausforderungen ist das automatisierte Fahren“, sagt Huang. Und deswegen ist die Autoindustrie zu einem seiner wichtigsten Abnehmer geworden. Tesla nutzt die Technik für seinen Autopiloten, aber auch Mercedes, Audi, Toyota oder Bosch gehören zu den Kunden. Als neue Partner stellte Huang auf der CES den Taxischreck Uber und Volkswagen vor.

Grafikkartenexperten arbeiten mit Autobauern zusammen

Es ist bezeichnend, dass die Zusammenarbeit von Autobauern und einem Grafikkartenspezialisten zu den Höhepunkten der Consumer Electronics Show (CES) gehört. Sie ist eine der größten Technikmessen der Welt – und eine eigentümliche Veranstaltung. Viele Präsentationen finden in den benachbarten großen Casino-Hotels statt. Um die Firmenchefs zu sehen, muss man an Roulettetischen und Daddelautomaten vorbei. Während dort die Zocker auf den großen Treffer hoffen, spekulieren die 170 000 Besucher und fast 4000 Aussteller darauf, das „nächste große Ding“ zu sehen oder vorzustellen. Videorekorder, CD- Player, Commodores C64 und die DVD hatten hier ihre Premiere. 2017 war Amazons Sprachassistent Alexa der Star, in diesem Jahr hat Google gefühlt ein Drittel der riesigen blinkenden Videowerbetafeln in Las Vegas gebucht, um seinen Assistenten zu bewerben.

In diesem Jahr zeigt sich, dass das nächste große Ding schon mehr als 130 Jahre alt ist: Es ist das Auto. Wie schon in den vergangenen Jahren entwickelt sich die CES immer mehr zur heimlichen Automesse. Mercedes, Toyota & Co. zeigen futuristische Showcars, zu den wichtigsten Rednern gehört der Chef von Ford, und das selbstfahrende Auto ist das dominierende Thema.

Auch beim Chipkonzern Intel. „Autonome Autos sind näher, als viele glauben“, sagt Intel-Chef Brian Krzanich. Zum Beweis lässt er Amnon Sashua auf die Bühne fahren, die Hände demonstrativ in die Luft gehoben. Sashua ist Mitgründer von Mobileye, einem israelischen Start-up, das 24 Millionen Fahrzeuge von Ford, Audi oder BMW mit Kameras und Sensortechnik für Assistenzsysteme ausrüstet. Für 15 Milliarden Dollar hat Intel die Israelis im Vorjahr gekauft, um ebenfalls in dem Zukunftsmarkt mitzumischen.

Statt Handys baut Blackberry nun Sicherheitssoftware fürs Auto

Auch der abgestürzte Handy-Pionier Blackberry sucht sein Heil im Auto. Den Bau von Mobiltelefonen haben die Kanadier inzwischen aufgegeben, neue Blackberry-Geräte produzieren jetzt Chinesen, die sich die Namensrechte gesichert haben. Stattdessen bietet das Unternehmen nun Sicherheitssoftware für Autos an und setzt auf das Steuerungsprogramm QNX, das schon lange die Grundlage für Navigationsprogramme und Bordcomputer in vielen Fahrzeugen ist. „Wir wollen künftig in jedem Auto sein“, sagt Blackberry-Chef John Chen.

Intel, Blackberry oder eben Nvidia: Durch die Digitalisierung und Automatisierung bekommen die Autobauer neue Partner und die traditionellen Zulieferer plötzlich ganz neue Konkurrenten. Und so hat Computerspezialist Nvidia seinen Stand ganz selbstverständlich zwischen Mercedes und Toyota. „Wir entwickeln das Gehirn für selbstfahrende Autos“, sagt Danny Shapiro, der den Bereich bei Nvidia leitet. Neben ihren Prozessoren entwickeln die Kalifornier dazu auch eine Simulationssoftware. Auf dem Bildschirm sieht man, wie ein virtuelles Auto durch Straßen fährt, die am Computer generiert wurden. Mit der Maus lässt sich die Sonne von links nach rechts schieben, Lichtreflektionen und Schatten können so beliebig geändert werden. Das Besondere ist dabei, dass im Hintergrund die KI-Software in der Simulation genauso lernt wie bei realen Testfahrten. „Wir können damit 60 000 Meilen pro Stunde simulieren“, erklärt Shapiro. „Damit können wir in zwei Tagen alle Straßen der USA abfahren.“ Doch nicht nur das. Andere Fahrzeuge können in der Simulation manuell gesteuert und so Unfallsituationen dargestellt werden.

Zulieferer profitieren von dem Trend

Laufen Nvidia, Intel und Co. traditionellen Zulieferern also den Rang ab? Bosch-Manager Harald Kröger gibt sich gelassen: „Das autonome Auto ist kein Videospiel, immerhin geht es darum, zwei Tonnen Stahl bei Tempo 200 auf der Straße zu halten.“ Die Bosch-Kunden wüssten, welche Erfahrung und Expertise die Stuttgarter in diesem Bereich haben. Es werde daher eine neue Arbeitsteilung geben, schließlich arbeitet auch Bosch mit Nvidia zusammen. Shapiro sieht es ähnlich und prophezeit eine Dreiecksbeziehung zwischen Autobauern, traditionellen Zulieferern und neuen Partnern aus der Chip- und Softwarebranche.

So wie Aurora, dem vor einem Jahr gegründeten US-Start-up von Chris Urmson, der zuvor das selbstfahrende Auto von Google entwickelt hat. Erster großer Partner ist Volkswagen, wie VW-Digitalchef Johann Jungwirth in Las Vegas verkündete. Bei einer gemeinsamen Veranstaltung erzählte der Deutsche, wie sich die beiden vor sieben Jahren auf der CES kennengelernt haben. Nun arbeiten sie seit einigen Monaten zusammen, und die Expertise des Ex-Google-Gurus fließt zunächst in VWs Moia-Shuttle ein. Noch 2018 will Jungwirth zudem eine zweistellige Zahl an selbstfahrenden Testfahrzeugen auf die Straße bringen, 2019 soll die Flotte dreistellig sein und ein Jahr später bei über 1000 liegen. „2021 bringen wir dann die ersten selbst fahrenden Autos in zwei bis fünf Städte“, sagte Jungwirth.

Das Auto bekommt eine Sprachsteuerung

Doch auch vorher ziehen schon eine ganze Reihe Neuerungen ins Auto ein. So wie das neue Infotainmentsystem MBUX von Mercedes, das zunächst in der neuen A-Klasse Premiere feiert. Erstmals bauen die Schwaben dabei einen Touchscreen in ihre Fahrzeuge ein, der die ganze Breite des Cockpits einnimmt. Neben den Anzeigen und der Navigation laufen darauf natürlich Musik, Telefon oder Mail, die Bedienung orientiert sich an Smartphones. Der Clou ist jedoch die selbst entwickelte Sprachsteuerung. Fahrer können so Kommandos wie „Hey Mercedes, mach die Heizung wärmer“ oder „Ruf Zuhause an“ geben. Das System soll zudem automatisch lernen und anhand der Gewohnheiten des Fahrers eigenständig Vorschläge machen.

Auch Bosch zeigte in einem Konzeptauto neue Bedienmöglichkeiten. Zum Beispiel eine Gestensteuerung, die per Kamera Handbewegungen erkennt, ein leichter Luftstrom zeigt den Bereich an, in dem die Bewegungen möglich sind. Daneben gibt es neuartige Displays mit integriertem haptischen Feedback: Durch kleine Vibrationen fühlt es sich beim Druck auf die virtuellen Knöpfe beinahe an, als würden echte Schalter betätigt. So soll man auf dem Display besser spüren können, wo man drücken muss, ohne den Blick ständig von der Straße zu nehmen. Noch einfacher ist eine Blicksteuerung: Eine Kamera erfasst dabei die Bewegung von Gesicht und Augen. Der Fahrer muss so nur auf die Symbole auf der Anzeige hinter dem Lenkrad schauen, um beispielsweise die Musik zu starten.

Bedient wird per Gestensteuerung

Viele Hersteller wollen das Auto zum Smartphone auf Rädern machen. Vielleicht am konsequentesten setzt das der neue chinesische Anbieter Byton um, der erstmals sein Elektrofahrzeug vorführte. „Wir bauen das Auto um die Software herum“, sagt Byton-Chef Carsten Breitfeld, der zuvor für BMW den i8 entwickelt hatte. Neben BMW-Personal hat er Manager von Apple abgeworben, die Entwicklung erfolgt zwischen China, San Francisco und München. Auf Seiten- und Rückspiegel verzichtet Breitfeld, an ihrer Stelle stecken zwei Kameras, deren Bilder auf das Display hinter dem Lenkrad projiziert werden. Kameras stecken auch in den Türen, die sich per Gesichtserkennung öffnen. Das fast 1,25 Meter breite Riesendisplay lässt selbst die gigantischen Bildschirme im Tesla winzig wirken. Bedient werden können die Funktionen auch mit Gestensteuerung.

Breitfeld baut gerade die Produktion in China auf, das Geld kommt vom dortigen Internetriesen Tencent und Apple-Zulieferer Foxconn. Der Zeitplan von Chinas Tesla ist ambitioniert. „Wir wollen 2019 auf den Markt“, sagt Breitfeld. Ein Jahr später sollen nach der asiatischen Heimat auch Amerika und Europa folgen.

Die Reise wurde unterstützt von Intel.

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