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Liest du mir was vor? Damit das Kind mit hinein darf ins Seminar oder in die Bibliothek, muss man individuelle Absprachen mit Professoren und Dozenten treffen. Foto: dapd

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Elternzeit: Mit Buch und Baby

Viele Mütter nutzen die Elternzeit, um sich weiterzubilden. Eine Herausforderung. Aber es kann klappen.

Eigentlich wollte sie immer schon studieren. Als Mitarbeiterin im familieneigenen Betrieb blieb Cornelia Spachtholz dafür aber zunächst nicht die Zeit. Als dann ihr Sohn zur Welt kam und die Elternzeit anstand, setzte die damals Anfang 30-Jährige ihren Plan um und begann in Köln Wirtschaftswissenschaften zu studieren. Eine Herausforderung, denn Vorlesungen, Kinderbetreuung, Haushalt, Arbeit und ehrenamtliche Tätigkeit mussten unter einen Hut gebracht werden. Für die Mutter war es der richtige Weg.

Spachtholz ist stellvertretende Bundesvorsitzende des Verbands berufstätiger Mütter (VBM), der sich seit mehr als 20 Jahren für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie einsetzt. Sie berät Frauen zur Elternzeit. „Diese Zeit bringt einen umfassenden Einschnitt in die berufliche Laufbahn, eine Auszeit vom Job.“ Darum sei die erste Frage auch, wie lange man sich diese Auszeit überhaupt nehmen wolle. „Da Wissen schnell veraltet und sich Technik und Prozesse ständig verändern, ist diese Zeit eine gute Gelegenheit, um sich weiterzubilden und auch neue Karrierewege zu gehen.“

Für bis zu drei Jahre gewährt der Gesetzgeber in Deutschland Elternzeit. Währenddessen sind maximal 30 Stunden Arbeitszeit pro Woche erlaubt, ohne dass das Elterngeld im Bezugszeitraum gekürzt wird. Wer sich für eine Fortbildung entscheidet, steht vor einem großen Angebot. Ob Studium, Fernlehrgang oder Volkshochschulkurs – am besten eignen sich Kurse für die Zeit mit Baby, die in den Abendstunden oder am Wochenende stattfinden, oder sich flexibel gestalten lassen. Bei entsprechenden Voraussetzungen gibt es dafür Bildungsgutscheine als finanzielle Hilfe von der Arbeitsagentur. Zum Teil bietet aber auch der Arbeitgeber Müttern und Vätern Seminare an.

Viele Frauen, die zur Beratung zum Verein „Beruf und Familie“ in Berlin kommen, wollen aber nicht mehr in ihren alten Job zurückkehren, sondern noch einmal neu starten. Allerdings haben die meisten anfangs noch keine genaue Vorstellung davon, wohin der Weg führen soll. Deshalb versuchen die Beraterinnen mit ihnen zuerst herauszufinden, wo Kompetenzen liegen und was sich die Frauen wünschen.

„Man sollte sich selbst fragen: Was kann ich, wo stehe ich momentan, wo will ich hin und was brauche ich dazu?“, erläutert Cornelia Spachtholz. Dabei sollte man sich auch gleich die Hürden bewusst machen und sich fragen, wie man diese bewältigen kann. Es komme zum Beispiel stark darauf an, wie viel Disziplin, Ausdauer und Selbstständigkeit man mitbringe, ob man sich beispielsweise eher für ein normales Studium an einer Uni oder für einen Fernlehrgang entscheiden sollte.

Sich darüber von Anfang an genau Gedanken zu machen, empfiehlt auch Olaf Craney vom Deutschen Verband für Bildungs- und Berufsberatung (dvb). Viele würden nämlich den Aufwand unterschätzen, den ein Baby mit sich bringt. „Um lernen zu können, braucht man feste Strukturen. Die sind schwer einzurichten, wenn man rund um die Uhr für das Kind da sein muss.“ Wahrscheinlich sei eine Weiterbildung während der Elternzeit im Vergleich zu einer Vollzeit-Beschäftigung mit Baby noch mal eine größere Belastung. „Wer die meistern will, muss sich also Freiräume organisieren.“

Cornelia Graf-Chmiel weiß, wie schwierig das sein kann. Die heute 32-Jährige absolvierte mit Mitte 20 ein Fernstudium in Wirschaftsübersetzung. „Ich habe mir zu Beginn eines jeden Jahres einen Plan gemacht, was ich an jedem Tag lernen will“, sagt sie. Das habe ihr sehr geholfen, allerdings sei es auch manchmal frustrierend gewesen, wenn sie ihre eigenen Fristen nicht einhalten konnte. „Ich habe nachher einfach noch einmal mehr Zeit und Puffer eingebaut.“ Denn in den viereinhalb Jahren Studienzeit gab es immer wieder Wochen, in denen sie gar nicht hätte lernen können.

Helfen können in dieser Situation auch die Studienanbieter. Etwa lassen sich bei der Akad-Gruppe, einem der größten deutschen Anbieter für Fernlehrgänge, Präsenzseminare und Abgabefristen flexibel abstimmen. Zudem erhalten Studenten einer längeren Weiterbildung die so genannte Windelpauschale, eine monatliche Ermäßigung von 30 Euro für maximal drei Jahre, wenn sie eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Elternzeit vorlegen. Auch an der Deutschen Universität für Weiterbildung in Berlin können Präsenztermine in den Quartalen verschoben werden, die Regelstudienzeit der Masterlehrgänge lässt sich um ein Jahr verlängern. Welche Angebote ein Anbieter oder eine Hochschule für die Elternzeit macht, weiß in der Regel die Studienberatung, die Eltern auch individuell betreut. Zum Beispiel ist bei einem normalen Studium die Frage, ob das Baby mit in die Vorlesung darf. Das hängt meist vom jeweiligen Studiengang und Professor ab. Im Fall von Cornelia Spachtholz kein Problem. Außerdem war ihr Handy das einzige, das während der Vorlesung klingeln durfte. Alles eine Frage der Absprache, sagt sie, so ließen sich auch fernab von regulären Standards Lösungen finden.

Der Erfolg einer Weiterbildung in der Elternzeit steht und fällt aber auch mit der Unterstützung von Familie und Freunden. „Gerade der familiäre Rückhalt hilft, auch schwierige Zeiten zu meistern“, so Spachtholz. Wenn man die Aufgaben und Arbeiten zum Beispiel im Haushalt verteile, müsse man aber auch loslassen können und zufrieden sein mit dem, wie es andere, vor allem der Partner mache.

Cornelia Graf-Chmiel bestätigt das. „Ich denke, wer ganz auf sich allein gestellt ist, hat es extrem schwer.“ Es habe ihr beim Lernen sehr geholfen, ihr Kind für eine gewisse Zeit abgeben zu können. „Sonst weiß man nie, wie lange man lernen kann, und ob man nicht unterbrochen wird.“ Auch Kita, Tagesmutter und Babysitter für ein paar Stunden sind eine Möglichkeit, sich ein paar Stunden Luft zum Lernen zu verschaffen.

Allerdings: Bei vielen Müttern in einer solchen Situation sei die Sorge groß, das Umfeld könnte sie für eine Rabenmutter halten, weiß Spachtholz - weil man seine Zeit nicht ausschließlich dem Kind widme. „Wer sich aber im Vorfeld genau über die Betreuung seines Kindes Gedanken macht und klare Vereinbarungen mit allen Beteiligten trifft, hat am Ende alles richtig gemacht.“

Lara Sogorski

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