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Die Testbewohner: Vater Jörg Welke, die Kinder Lenz (vorne) und Freya sowie Mutter Simone Wiechers bei der symbolischen Schlüsselübergabe durch Baustaatssekretär Rainer Bomba.

© dpa

Klimaschutz: Testfamilie zieht ins Ökohaus

Wer im Glashaus wohnt: Die Familie Welke/Wiechers aus Prenzlauer Berg lebt ab sofort für 15 Monate in Berlins umweltfreundlichsten Einfamilienhaus. Das steht in Charlottenburg.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Das Schuhregal ist eingeräumt, der Kühlschrank gefüllt. Am Montag hat die Familie von Jörg Welke und Simone Wiechers ihr bisheriges Zuhause, eine Altbauwohnung in Prenzlauer Berg, eingetauscht gegen ein Haus in unmittelbarer Nähe der sechsspurigen Hardenbergstraße zwischen Zoologischem Garten und Ernst-Reuter-Platz. Es ist kein besonders heimeliges Haus: Ein hyper moderner, steril anmutender Betonklotz, zu zwei Seiten komplett verglast. Doch auch sonst ist man darin nicht unbedingt ungestört. Bundesbauminister Peter Ramsauer (CSU) hat schon vorbeigeschaut, Bundeskanzlerin Angela Merkel auch, und Baustaatssekretär Rainer Bomba (CDU) brachte am Montag jede Menge Journalisten mit. Das Haus ist das Ergebnis eines Wettbewerbs von Hochschulen und Planungsbüros: Ein Einfamilienhaus, das mehr Energie schafft, als es verbraucht. Als solches soll es in der Mitte Berlins zeigen, was in Sachen Klimaschutz möglich ist.

Das gesamte Dach ist mit Solarmodulen versehen

Das „Effizienzhaus Plus“ hat eine durch und durch gedämmte Fassade und ist mit innovativer Gebäudetechnik ausgestattet. Es nutzt erneuerbare Energien zum Heizen und zum Erzeugen von Strom. Wo bei anderen Einfamilienhäusern ein Briefkasten angebracht ist, gibt bei Welke/Wiechers rund um die Uhr eine Bildschirmanzeige Auskunft: Über den aktuellen Verbrauch der Fußbodenheizung oder die Energie, die justamente durch Sonneneinstrahlung gewonnen wird. Fast hundert Quadratmeter Dachfläche und die gesamte Südseite des Hauses sind mit Fotovoltaikmodulen bestückt. Rund 16 500 Kilowattstunden Strom werden dadurch jährlich erzeugt.

Was nicht gebraucht wird, kann in einer Batterie gespeichert werden. Einen Teil des überschüssigen Stroms nutzen die Welke/Wiechers fortan, um die hauseigenen Autos zu betreiben. Für die Dauer ihres Aufenthalts in dem Effizienzhaus – die Familie will 15 Monate bleiben – hat Daimler ihr einen Mercedes und einen Smart, beides Elektroautos, vor die Tür gestellt. Auch Elektrofahrräder sind inklusive. Geheizt wird mithilfe einer Luft-Wasser-Wärmepumpe, die die Wärme aus der Außenluft gewinnt.

Ihre Wohnung hat die Familie für die Zeit vermietet

Welke/Wiechers sind aus zig Familien, die sich um den Einzug beworben haben, ausgelost worden. In dem 136 Quadratmeter großen Haus an der Fasanenstraße sollen die berufstätigen Eltern, der achtjährige Lenz und die zwölfjährige Freyja nun testen, wie nutzerfreundlich die diversen Raffinessen eines solchen Energiewunders tatsächlich sind. Gesteuert wird die Haustechnik via Bildschirmberührungen von Smartphones. Ein ganzes Team von Forschern wird darüber buchführen, wo es für die Testbewohner im Alltag hakt.

Geht es nach Bundesbauminister Ramsauer, dann soll das Haus nicht lange ein Prototyp bleiben. Sein Ministerium fördert die wissenschaftliche Entwicklung von Plusenergiehäusern mit 1,2 Millionen Euro im Jahr. Unabhängig davon hat bereits in den vergangenen Jahren der Trend zur Selbst-Energieversorgung deutschlandweit zugenommen. Diverse Fertighaushersteller wie die Firma Bien-Zenker bieten Einfamilienhäuser an, die selber Energie erzeugen. Sogar die Verbindung mit Elektromobilität ist schon im Paket zu bekommen.

Die Familie kann jetzt ordentlich sparen

Und die Motivation der Familie Welke/Wiechers? Sie spart sich ein Jahr lang sämtliche Energiekosten und den Beitrag fürs Carsharing, das sie bisher genutzt hat. Im Effizienzhaus wohnt sie umsonst. Ihre eigentliche Wohnung haben Welke/Wiechers an einen Freund vermietet. „Wir beschäftigen uns aber auch sonst viel mit Umweltthemen“, sagt die 42-jährige Kunsthistorikerin. Ihr gleichaltriger Mann Jörg arbeitet beim bürgerorganisierten Unabhängigen Institut für Umweltfragen.

Mit neugierigen Blicken muss die futuristisch lebende Familie fortan rechnen. „Wir bekommen noch Rollos“, sagt Simone Wiechers. Offenbar sind die Berliner hart im Nehmen. Schließlich hat nicht einmal das wenig einladende Motto des Ministers sie abgehalten: „Mein Haus – meine Tankstelle“ heißt der Slogan, den Ramsauer dem Projekt gegeben hat.

Alles eine große Zumutung? Für den Fall hat Architekt Werner Sobek eine beruhigende Nachricht. Das Haus ist nicht nur in seiner Gesamtheit ein Umwelthit – sämtliche Bauteile sind recyclebar und können also nach Gebrauch wiederverwendet werden. Zur Not in einem ganz normalen Haus.

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