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Wirtschaft: Ende der Gelassenheit

Profis bauen Aktien ab, Kleinanleger zögern zu lange

An der deutschen Börse werden erste Anzeichen einer Klimaveränderung sichtbar. Nachdem der Deutsche Aktienindex am Freitag das Niveau von 5800 Punkten nicht halten konnte, steigt die Wahrscheinlichkeit von Kursverlusten. Auch anderen europäischen Börsen „fällt die Kletterpartie nach oben zunehmend schwerer“, wie die Bankgesellschaft Berlin in ihrem Wochenbericht schreibt. Der Schwung vom Jahresanfang sei weg, allmählich greife Lethargie um sich. Kein Wunder: Seit der Jahreswende hat der Dax fast 400 Punkte oder sieben Prozent gewonnen. Er notiert auf dem höchsten Stand seit August 2001.

Indizien für eine Abkühlung finden sich in den Investitionsplänen großer Anleger. Die Analysten von Helaba Trust weisen darauf hin, dass die Aktiennachfrage institutioneller Investoren (Banken, Versicherungen, Investmentfonds) offenbar nachlässt. Helaba verweist auf eine Umfrage der US-Investmentbank Merrill Lynch, die zu dem Ergebnis kommt, dass professionelle Vermögensverwalter in den kommenden Monaten ihre Aktienengagements tendenziell reduzieren wollen. Den Kursaufschwung wollen viele Profis demnach nicht an sich vorbeiziehen lassen. Die Gewinne sollen nicht nur auf dem Papier stehen, sondern in die Kassen fließen. Auch die Privatbank Sal. Oppenheim sieht in dieser „stetig wachsenden Gefahr von Gewinnmitnahmen“ einen Grund für die Nervosität an der Börse.

Für Kleinanleger erscheint ein Einstieg am Aktienmarkt zum jetzigen Zeitpunkt also sehr riskant. Bemerkenswert ist, dass viele von ihnen den Aufschwung verpasst haben. So zeigt die aktuelle Statistik des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI), dass die Anleger auch im Januar vorsichtig geblieben sind. Zwar sammelte die deutsche Investmentbranche im Vormonat 5,9 Milliarden Euro zusätzlich ein – der Großteil davon wurde aber in Geldmarkt- und Rentenfonds gesteckt. Bei Aktienfonds hielten sich Zu- und Abflüsse laut BVI die Waage.

Die Gründe, warum es am deutschen Aktienmarkt künftig ruhiger zugehen dürfte, sind vielfältig. Zwar weisen die Konjunkturindikatoren auf einen kräftigen Aufschwung in der deutschen Wirtschaft hin. Und auch die Berichtssaison ist alles in allem ohne böse Überraschungen verlaufen. Viele deutsche Aktien sind zudem weiterhin günstig bewertet. „Möglicherweise sind es aber die Ertragsaussichten, die manch einen Anleger zögern lassen, Aktien zu kaufen“, mutmaßt die Bankgesellschaft. Seit etlichen Quartalen liege das Gewinnwachstum im zweistelligen Bereich – die US-Unternehmen wiesen sogar seit zehn Quartalen in Folge Gewinnsteigerungen von teilweise mehr als zehn Prozent aus. Diese Dynamik lasse sich angesichts des steigenden Kostendrucks nicht beibehalten. Helaba Trust stimmt ein: „Die Wachstumsperspektiven befinden sich im Rückwärtsgang.“ Die lange Phase der Gelassenheit sei vorbei.

Was mit den Kursen passiert, wenn die Börse negativ überrascht und mit vagen Prognosen abgespeist wird, zeigte in dieser Woche Daimler-Chrysler. Nachdem Dieter Zetsche einen Verlust der Mercedes Car Group verkündet hatte und wenig über die weitere Entwicklung des Autokonzerns sagen mochte, stürzte das Schwergewicht ab.

Einen weiteren Stimmungsdämpfer wird die Börse nach Einschätzung der Analysten am kommenden Donnerstag erhalten, wenn der aktuelle Geschäftsklimaindex des Münchener Ifo-Instituts veröffentlicht wird. Nachdem die US-Stimmungsindikatoren zuletzt gesunken sind, werden wohl auch die deutschen Unternehmen etwas von ihrem Optimismus eingebüßt haben. Die Vorboten einer Konjunktureintrübung in den USA sind unübersehbar: steigende Zinsen, ein unerwartet starker Anstieg der US-Erzeugerpreise im Januar und der überraschende Rückgang des US-Verbrauchervertrauens.

In der kommenden Woche wird außerdem eine Reihe von Dax-Firmen Ergebnisse vorlegen. So werden Schering (Montag), MAN, Henkel (beide Dienstag), BASF, FMC (beide Mittwoch), Continental und RWE (beide Donnerstag) über den Geschäftsverlauf informieren. Auch die Deutsche Börse wird voraussichtlich am Dienstag nach Börsenschluss Geschäftszahlen für 2005 vorlegen.

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