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Ende der Umweltprämie: Abwracken ade

Abschied von einem Phänomen: Der Fünf-Milliarden-Fördertopf leert sich, die Verschrottungsorgie geht zu Ende – und jetzt?

„Dieser Prozess der schöpferischen Zerstörung ist das für den Kapitalismus wesentliche Faktum. Darin besteht der Kapitalismus und darin muss auch jedes kapitalistische Gebilde leben.“

Joseph A. Schumpeter, Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie (1942)

Zeit zum Philosophieren haben die Betreiber der Schrottpresse Tempelhof nicht. „Es ist viel zu tun “, sagt Helmut Juschkat. „Aber leider wenig zu verdienen.“ 4000 Autos hat Juschkat dieses Jahr verschrottet – mehr als doppelt so viele wie 2008. Es ist heiß in diesen Tagen auf Berlins größtem Schrottplatz. Und mancher kommt extra ins Schwitzen. „Hau das Auto“ heißt ein Angebot der Tempelhofer. Abwrack-Kunden, die selbst Hand anlegen wollen, dürfen ihren Wagen mit dem Vorschlaghammer malträtieren. Druck ablassen würde auch Helmut Juschkat gerne. „Die Prämie ist daneben gegangen“, sagt er. 200 Scheinwerfer der gleichen Marke hat er jetzt auf Lager. „Nur die passenden Autos fährt niemand mehr.“ In der Seele tut ihm weh, welche gut erhaltenen Autos er der Presse übergeben musste.

Die Tage der Abwrackprämie sind gezählt. Der Fördertopf, in dem insgesamt fünf Milliarden Euro lagen, ist fast leer. Gut 76 000 Anträge waren am Freitagnachmittag noch beim zuständigen Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) möglich. Anfang der Woche könnte Schluss ein. Sobald die Zwei- Millionen-Grenze bei den Reservierungen erreicht ist, sollen es keine weiteren mehr geben. Zuletzt wurde die Behörde noch einmal gestürmt. Pro Tag wurden über 10 000 Anträge auf die Prämie von 2500 Euro für die Verschrottung eines mehr als neun Jahre alten Autos gestellt.

„Abwracken“ – das Wort hat gute Chancen, ganz oben auf der Liste der Gesellschaft für deutsche Sprache zu stehen, die das Wort des Jahres kürt. Zum Auswahlverfahren schweigt die Gesellschaft. Inhaltlich würde die „Abwrackprämie“ 2009 aber gut zum Wort des vergangenen Jahres passen: „Finanzkrise“.

Was bleibt? Autohersteller, Händler und Werkstätten machen sich keine Illusionen: Im kommenden Jahr wird die Prämie schmerzlich fehlen. Mit nur 2,7 Millionen Neuzulassungen rechnen Experten – nach geschätzten 3,5 Millionen 2009. Bis Ende Juli sind dank Prämie die Anmeldungen in Deutschland um 27 Prozent auf 2,4 Millionen Fahrzeuge gestiegen. „In wichtigen Märkten wurde eine künstliche Blase erzeugt, die 2010 in Märkten wie Deutschland platzen wird“, glaubt Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer. Mit Sorge sehen Beobachter vor allem die mentalen Folgen des Prämienjahres. „Das Preisgefüge im deutschen Gebrauchtwagenmarkt ist zerstört, die Reparaturleistungen der kleinen Werkstattbetriebe gehen zurück und der Gewöhnungseffekt an Mega-Rabatte wird den Automarkt in Europa noch längere Zeit in seinen Gewinnaussichten verschlechtern“, warnt Dudenhöffer. Marktforscher wie Stephan Grünewald sehen das ähnlich (siehe Interview). Eine Welle von Prämien und Rabatten wecke Zweifel am Wert eines Autos. Werde ein gelernter Wert aber ständig unterschritten, fürchteten die Verbraucher, dass sie nicht mehr die gewohnte Qualität erhielten.

Die Polizei in Aschaffenburg stoppte unlängst eine Abwrack-Rallye der besonders unmoralischen Art. Mitarbeiter eines Autohauses waren mit drei Kleinwagen durch die Stadt gerast, hatten sich dabei immer wieder absichtlich gerammt und waren an roten Ampeln gezielt aufeinander aufgefahren. Das Ziel des Trios: der Schrottplatz. Die Fahrzeuge sollten abgewrackt werden.

Dass vor allem die Japaner und Franzosen mit ihren preiswerten Kleinwagen von der staatlichen Verkaufshilfe in Deutschland profitiert haben, gibt die Statistik nicht her. Allerdings auch nicht, dass die bekannten deutschen Marken Audi, BMW oder Mercedes viel davon hatten. Immerhin: „Gut die Hälfte der mit der Umweltprämie gekauften Autos entfällt auf deutsche Konzermarken“, sagte Matthias Wissmann, Präsident des Autoverbandes VDA, dem Tagesspiegel. Er räumt aber ein: „Im Schwerpunkt wirkt die Prämie im Kleinwagensektor und in der Kompaktklasse, aber kaum im Premiumsektor.“ Obwohl der Exporteinbruch – minus 31 Prozent seit Jahresanfang – nicht habe ausgeglichen werden können, habe die Abwrackprämie ihre „Brückenfunktion“ erfüllt. Wohin die Brücke führt? Der VDA rechnet 2010 mit einer „Belebung der Exportmärkte“. So schön die Party auf dem deutschen Automarkt auch war, Geld verdienen die deutschen Hersteller jenseits der Grenzen: Drei von vier Autos gehen in den Export.

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