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Energie: Weißrussland dreht am Ölhahn

Eskalation im Energiestreit: Weißrussland hat die Durchleitung von russischem Öl nach Deutschland gestoppt. Wirtschaftsminister Glos rief die Regierungen in Minsk und Moskau dazu auf, die vereinbarten Lieferungen sicherzustellen.

Minsk/Moskau/Berlin - In Deutschland, das etwa ein Fünftel seines Ölbedarfs über die Pipeline "Freundschaft" (Druschba) deckt, kam am Montag kein russisches Öl mehr an. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) zeigte sich besorgt und rief die Regierungen in Minsk und Moskau dazu auf, die vereinbarten Lieferungen sicherzustellen. Versorgungsprobleme wurden jedoch nicht erwartet. Die bundesweiten Vorräte an Benzin, Diesel oder Heizöl seien ausreichend, um die Versorgung über mehrere Monate uneingeschränkt sicherzustellen, hieß es beim Mineralölwirtschaftsverband (MWV) in Hamburg.

Glos sah die Schließung der "Druschba"-Leitung mit Besorgnis. "Ich erwarte, dass die Lieferung durch die Pipeline so schnell wie möglich in vollem Umfang wieder aufgenommen wird", sagte er. Der Vorfall zeige einmal mehr, dass ein ausgewogener Energiemix unverzichtbar sei. Deutschland erhält jährlich etwa 22 Millionen Tonnen Öl über die zu sowjetischen Zeiten gebaute Pipeline. Das Öl wird in den ostdeutschen Raffinerien Leuna und Schwedt verarbeitet.

Versorgungssicherheit gewährleistet

Die EU-Kommission forderte Russland und Weißrussland auf, sich rasch zu dem Fall zu äußern. Kurzfristig bestehe keine Gefahr für die Versorgung in Deutschland und Polen, sagte Energiekommissar Andris Piebalgs. Möglicherweise müssten aber Experten noch diese Woche die Auswirkungen auf die strategischen Ölreserven der EU-Staaten prüfen. Deutschland habe Ölvorräte für mehr als 130 Tage.

Auch Polen sah seine Energiesicherheit trotz der unterbrochenen Erdöllieferungen zunächst nicht gefährdet. "Wir haben Ölvorräte für 80 Tage", sagte Vize-Wirtschaftsminister Piotr Naimski in Warschau. Naimski warf Weißrussland und Russland "unglaubwürdiges" Verhalten vor. Der Vorfall zeige, dass Polen seine Energiezufuhr weiter diversifizieren müsse.

Die Durchleitung von russischem Öl in Richtung Polen, Deutschland und Ukraine sei auf Anweisung der staatlichen weißrussischen Firma Belneftechim gestoppt worden, sagte ein Sprecher der regionalen Pipeline-Gesellschaft Gomeltransneft. Am Nachmittag hieß es aus gleicher Quelle, dass die Durchleitung noch am Montag wieder aufgenommen werden solle. Russland warf dem Nachbarn Öldiebstahl vor. Eine weißrussische Regierungsdelegation flog zu Gesprächen nach Moskau.

Verdopplung des Gaspreises

Der Streit der Bruderländer war im neuen Jahr hochgekocht, weil beide Seiten trotz einer geltenden Zollunion einander mit Strafzöllen auf Öl belegten. "Weißrussland hat nicht die Ressourcen wie andere Länder, und diese Ressourcen dürfen nicht Mittel der Erpressung sein", sagte der weißrussische Präsident Alexander Lukaschenko Richtung Moskau. Einen drohenden Lieferstopp für russisches Gas hatte Weißrussland erst am Silvesterabend um zwei Minuten vor Mitternacht abgewendet, indem es einer Preisverdoppelung auf 100 US-Dollar (77 Euro) je 1000 Kubikmeter zustimmte.

Weißrussland habe seit Samstag 79.000 Tonnen Öl aus der "Druschba"-Röhre illegal entnommen, erklärte die Besitzerfirma der Pipeline, der staatliche russische Monopolist Transneft. Minsk müsse das Öl wieder durchleiten, forderte der Transneft-Chef Semjon Wajnschtok: "Der Transit ist eine heilige Kuh." Als Ausweichroute fasste Transneft einen Ölexport über den Ostseehafen Primorsk bei St. Petersburg ins Auge.

Streit um Durchleitungsgebühr

Der russische Vize-Wirtschaftsminister Andrej Scharonow sagte, es werde keine Verhandlungen mit dem Nachbarland geben, solange dieses nicht die Durchleitungsgebühr von 45 Dollar je Tonne aufhebe. Moskau hat seinerseits Rohölexporte nach Weißrussland mit 180 Dollar je Tonne belegt.

Nach Einschätzung des Pipeline-Experten Adolf Feizlmayr macht die Liefer-Unterbrechung einmal mehr die Notwendigkeit eines Partnerschaftsabkommens für Energielieferungen zwischen der EU und Russland deutlich. In ein solches Abkommen müssten auch die Transitländer Weißrussland und die Ukraine eingebunden werden, sagte der Gesellschafter des Münchner Pipelineplaners ILF Beratende Ingenieure GmbH. Erst dann bestehe eine Chance, dass die Streitigkeiten und gegenseitige Schuldzuweisungen zwischen den früher zur einstigen Sowjetunion gehörenden Staaten beendet werden könnten. Die Unterbrechung der Durchleitung wertete der Experte als eine rein politische Maßnahme Weißrusslands: "Die Transitländer nutzen das als politisches Druckmittel, das ist sehr schlecht." (tso/dpa)

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