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Wirtschaft: Energiekrise in Kalifornien: Der Sonnenstaat duscht jetzt kalt

Kevin Chow zieht den Stecker aus seinem Radiowecker, wenn er morgens das Haus verlässt. Carol Hatfield benutzt die Wäscheleine statt den Trockner.

Kevin Chow zieht den Stecker aus seinem Radiowecker, wenn er morgens das Haus verlässt. Carol Hatfield benutzt die Wäscheleine statt den Trockner. Sportstudios reduzieren die Wassertemperatur der Duschen, und selbst die San Francisco Symphony entschuldigt sich für das Dämmerlicht im Foyer. Die Bürger in Kalifornien sparen Strom. Geschockt von den Stromausfällen der vergangenen Monate sowie den angekündigten Preissteigerungen scheint die schwere Energiekrise sich inzwischen auch im Bewusstsein der einzelnen Bürger niederzuschlagen. "Früher habe ich keinen Gedanken an meinen Stromverbrauch verschwendet, heute halte ich meinen Kindern Vorträge", meint Peter Venell. Er arbeitet in einem Internetunternehmen, das seinen Putzfrauen rät, zukünftig die Lichter am Abend zu löschen.

Wenn diese Maßnahmen auch hilfreich sind in einem Land, in dem der Energieverbrauch pro Kopf zum höchsten der Welt zählt, Kaliforniens Energiekrise lösen sie kaum. Der Sonnenstaat gibt jetzt schon täglich 73 Millionen Dollar zum Kauf von Elektrizität aus, 20 Millionen mehr als noch vor einem Jahr. Eine Stromfirma ist bereits pleite.

Wie brisant die Lage ist, zeigt auch, dass selbst die ungeliebte Atomkraft wieder ins Gespräch kommt. Zwei prominente Silicon-Valley-Vertreter, Scott McNealy, Mitbegründer von Sun Mircosystems, sowie Intel-Chef Craig Barret, befürworten sie als Antwort auf die Krise. Einen kurzfristigen Rettungsanker erwarten die Politiker von der staatlichen Regulierungsbehörde FERC. Wenn sie den Stromlieferanten eine Obergrenze beim Strompreis auferlegen würde, wäre Kalifornien erst einmal aus dem Schneider. Wenn nicht, so orakelte Gouverneur Gray Davis vergangene Woche düster, "wird Kaliforniens Wirtschaft ins Grab getrieben". Eine gerade veröffentlichte Studie des Bay Area Economic Forums gibt ihm Recht. Die Energiekrise, ausgelöst durch eine fehlerhafte Deregulierung aus dem Jahr 1996, könnte den Golden State nicht nur 17 Milliarden Dollar kosten, sondern schlimmere Konsequenzen als die "asiatische Grippe" haben. So wurden die ökonomischen Auswirkungen der Finanzkrise Asiens zwischen 1997 und 1998 auf Kalifornien benannt. Die Studie listet auf: Die höheren Energiekosten, die Unternehmen auf die Konsumenten abwälzen, reduzieren das verfügbare Einkommen in der Bay Area, das bei 250 Milliarden Dollar pro Jahr liegt, um mehr als eine Milliarde. Die heimische Wirtschaft in Silicon Valley klagt bereits über geringere Gewinnmargen und steigende Energiekosten von über 50 Prozent. Bei Stromausfällen in den Sommermonaten entstünden der High-Tech-Industrie Verluste in Millardenhöhe.

Auch Kaliforniens Bauern, eine 27 Milliarden-Dollar-Industrie, klagen. 1000 Farmer zogen bereits zu einem Protestmarsch in die Haupstadt Sacramento. Und die Konservenhersteller erwartet eine Verdoppelung ihrer Energiekosten, was kleinere Unternehmen in den Ruin und größere in andere Bundesstaaten treiben könnte. Selbst die Weinindustrie, die sich in den vergangenen Jahren einer enormen Hausse erfreute, sieht düstere Wolken am Himmel. Zur Malaise der verfehlten Energiepolitik kommt ein trockener Winter. Die Folge: weniger Wasser für Wasserkraftwerke und zur Bewässerung der Felder und damit eine Reduzierung der Anbaufläche. Was sich wiederum auf die Produktion, die Zahl der Arbeitskräfte, das verfügbare Einkommen und letztendlich die Steuereinnahmen auswirkt.

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