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Weites Feld. Die Braunkohle hinterlässt Spuren auf der Erde und beim Klima.

© dpa

Energiepolitik: Was kostet die Kohle?

Der Koalitionsausschuss befasst sich mit der Braunkohle. Dabei soll ausgelotet werden, ob es einen Klimaschutzbeitrag zulasten alter Kraftwerke geben wird. Experten drängen auf einen Konsens.

Die Deutsche Umwelthilfe freut sich. „Genau zur rechten Zeit“ habe der Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) sein Thesenpapier über die Zukunft der Kohle hierzulande vorgestellt. Am Dienstag nämlich will der Koalitionsausschuss entscheiden, ob es den vom Bundeswirtschaftsministerium vorgesehenen Klimaschutzbeitrag zulasten alter Kraftwerke gibt, oder ob ein Gegenmodell der Gewerkschaft IG BCE zum Tragen kommt. Der Sachverständigenrat, Umwelthilfe, Grüne und die Branche der Erneuerbaren befürworten den von Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake (Grüne) entwickelten Klimabeitrag.

Die Kohleländer NRW, Sachsen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt, Gewerkschaften und weite Teile der Union favorisieren den Vorschlag der IG BCE. Danach werden alte Kraftwerke übergangsweise in eine Kapazitätsreserve gepackt, die dann zum Einsatz kommt, wenn die Erneuerbaren nicht genügend Strom liefern, und nach vier Jahren stillgelegt.

Beides kostet Geld. Nach Angaben der IG BCE würde die Reserve mit bis zu 1,6 Milliarden Euro per anno Verbraucher, Industrie und Gewerbe belasten. Der Klimaschutzbeitrag dagegen komme auf 4,3 Milliarden Euro. „Die Klimaabgabe bewirkt eine kurzfristige Stilllegung von rund elf Gigawatt Braunkohle-Kraftwerkskapazität“, schreibt IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis an die Berliner Wissenschaftlerin Claudia Kemfert vom DIW.

Ein "goldenes Ende" für alte CO2-Kraftwerke

Kemfert hatte in der vergangenen Woche in einem Gutachten für die Böll- Stiftung der Grünen die Klimaabgabe verteidigt: „Der Klimabeitrag bietet Chancen für den wirtschaftlichen Strukturwandel und Beschäftigung“, während die Kraftwerksreserve „alten CO2-Kraftwerken noch ein goldenes Ende bereiten würde“, hatte Kemfert befunden. Vassiliadis, der mit dem nordrhein-westfälischen Wirtschaftsminister Garrelt Duin (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in den vergangenen Wochen an einem Kompromiss gearbeitet hat, wirft Kemfert vor, die Realitäten zu verkennen.

Durch die Arbeitsplatzverluste in Braunkohletagebauen, Kraftwerken und in den energieintensiven Industrien (wegen des steigenden Strompreises) seien soziale Folgekosten aus Arbeitsplatzabbau und Steuerverlusten von mehr als zehn Milliarden Euro zu befürchten. „Ein Risiko, das nicht trivial ist, aber von Ihnen wie anderen Akteuren in den letzten Wochen aus meiner Sicht leichtfertig bestritten wird“, schreibt der Gewerkschafter an Kemfert.

Der Sachverständigenrat für Umweltfragen fordert die Bundesregierung auf, „noch in dieser Legislaturperiode einen Kohlekonsens anzustreben“. Das sagte der Vorsitzende des Gremiums, Martin Faulstich, am Montag bei der Vorstellung eines Thesenpapiers der Umweltweisen zu einem Kohleausstieg bis 2040. Regierung und Parlament haben beschlossen, dass der deutsche Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken soll.

Kampf der Gutachten

Ohne zusätzlichen Klimaschutz ist das indes nicht zu schaffen, hat Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) festgestellt und deshalb im Dezember ein vom Kabinett gebilligtes Klimaaktionsprogramm vorgelegt, das der Stromwirtschaft zusätzliche 22 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Einsparung bis 2020 abverlangt.

Die Auseinandersetzung der vergangenen sieben Monate ist erbittert geführt worden. Beide Seiten boten Gutachten und Gegengutachten auf. Die IG BCE ließ in Berlin demonstrieren, die Klimaschützer bildeten eine Menschenkette im rheinischen Braunkohlerevier. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesumweltministerium, ist überzeugt: „Egal, was nun beschlossen wird: Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus der Kohle.“ Genau das fordert auch der SRU.

Im Gegensatz zum Strukturbruch in der ostdeutschen Braunkohle nach der Wende, damals wurden zehn von 15 Tagebauen geschlossen und 90 Prozent der Arbeitsplätze fielen weg, sollte ein „geordneter Kohleausstieg“ angestrebt werden, verlangt der SRU. Sozialpläne, Arbeitsplatzgarantie, Frühverrentung und aktive Arbeitsmarktpolitik sowie Umschulung und regionale Wirtschaftsförderung sollen beim Übergang helfen.

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