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Alles im Kasten. Projektleiter Carsten Hofmann und Geschäftsführer Dietmar Gollnick (rechts) von e*Message mit ihrer ausgezeichneten Innovation.

© Thilo Rückeis

Energiewende: Zum Anpiepen

Funknetzbetreiber e*Message entwickelt mit der Stromnetz Berlin GmbH einen Schaltkasten für die Energiewende.

Deutsche Stromnetzbetreiber sind im Moment ein bisschen gestresst. Denn wegen der Energiewende speisen mehr und mehr kleine Kraftwerke Wind- und Sonnenstrom in die Netze ein. Trotz ausgeklügelter Vorhersagen zum Stromverbrauch gibt es im Zuge dessen immer wieder Situationen, in denen die Netzbetreiber manche Stromproduzenten am liebsten kurz abschalten würden. Denn die Spannung im Netz darf nur minimal höher oder niedriger sein als 50 Hertz. Das regeln Mitarbeiter in den Leitwarten.

Damit sie mit den Kraftwerken draußen im Land kommunizieren können, gibt es bereits einige technische Lösungen. Doch für eine besonders einfache, preiswerte und sichere wurde dem Berliner Unternehmen e*Message jetzt der Innovationspreis Berlin Brandenburg 2014 verliehen. Ihr Produkt e*Nergy ist genau besehen ein graues Kästchen mit Regelelektronik, universal passend auf jeden modernen Stromzähler. Damit können Netzbetreiber einen Moment für Entspannung im Netz sorgen, indem sie Stromerzeuger abschalten.

Die Innovation setzt auf einem Funknetz auf, das „ Paging Dienste“ bietet und unter dem Namen Cityruf vertrieben werden. „Pieper“ kenne man von Ärzten, Hebammen, Feuerwehrleuten und auch die Fahrer der Berliner S-Bahn kommunizierten damit, sagt Dietmar Gollnick, Geschäftsführer von e*Message.

Das Besondere am Netz sind die niedrigen Frequenzen

Das Unternehmen ist ein „Hidden Champion“, ein heimlicher Gewinner. Kaum jemand kennt es, obwohl es das viertgrößte Kommunikationsnetz Deutschlands betreibt. Gegründet wurde e*Message zur Jahrtausendwende, als in der Telekommunikationsbranche Goldgräberstimmung herrschte und die Telekom „kleine Dienste“ wie das Funkrufnetz verkaufte, auf dem e*Message sendet. Mit eigenen Satellitenschüsseln auf Funkmasten in Deutschland und Frankreich sendet e*Message ins All und von dort mit Satelliten zurück auf die Erde.

Das Besondere an dem Netz sind die niedrigen Frequenzen. Damit werden auch funktechnisch abgeschattete Bereiche in Gebäuden sicher erreicht, schreibt Harald Schwarz von der Brandenburgischen Technischen Universität Cottbus in seinem Gutachten über die Preisträger. Wenn die Netzbetreiber mit den Kraftwerken sprechen, werden sie also ganz sicher gehört.

Paradox aber wahr: Ein weiterer Vorteil von e*Nergy-Geräten ist, dass sie weniger können als die heiß diskutierten Smart Meter. Diese sollen laut einer EU-Verordnung eigentlich schon bald in vielen Haushalten eingebaut werden. Smart Meter lesen den Stromverbrauch in häufigen Abständen ab, was ihren Betrieb teuer macht und Datenschutzprobleme aufwirft. Denn aus dem Stromverbrauch kann man die Lebensgewohnheiten eines Menschen ableiten und ihn ausspähen.

Einer funkt an viele

e*Nergy-Geräte dagegen können nur eins: Schalten. Ausschalten, einschalten sowie 30 und 60 Prozent Leistung durchlassen. Das reicht erst einmal, obwohl auch feinere Abstufungen möglich sind. „Die Netzbetreiber können nicht auf eine Technologie warten, die vielleicht nie kommt“, sagt Dietmar Gollnick mit Blick auf die Smart Meter. „Sie brauchen eine bezahlbare Technik, mit der sie möglich machen können, was man sich mit der Energiewende erträumt hat.“

Entwickelt hat e*Message das Gerät zusammen mit der Stromnetz Berlin GmbH. Die Vattenfalltochter ist in der Hauptstadt verantwortlich für die Netze. Zusammen hätten sie eine Lösung geschaffen, die eine kostengünstige Beeinflussung von Erzeugern und Verbrauchern ermöglicht, schreibt Joachim Rauchfuß von der Beuth Hochschule für Technik in seinem Gutachten. Preiswert ist die Technik deshalb, weil es sich um Broadcast handelt. Das heißt, einer funkt an viele, die aber nicht zurückfunken können. „Ob wir an einen Empfänger senden oder an 100 000 macht keinen Unterschied“, sagt Dieter Gollnick.

Könnten aber die Erzeuger ein Problem damit haben, wenn ihr Strom abgeregelt, also nicht ins Netz gelassen wird? „Das wird nicht oft vorkommen, genauso wie die Feuerwehr nur selten anrückt“, erklärt Dietmar Gollnick. Auch der Bundesverband Erneuerbare Energien hat mit dem Abregeln aus Gründen der Systemsicherheit kein Problem, sagt Netzexperte Holger Loew. Stehe aber ein verzögerter Netzausbau als Grund dahinter, sollte das Abregeln die letzte Option sein, sagt er. „Erneuerbarer Strom ist die einzige kohlendioxidfreie Energiequelle. Ihn nicht zu nutzen, ist eigentlich nicht zielführend.“ Im Fall von Netzengpässen sei es besser, den Strom vor der Engstelle zu verbrauchen. Dann sollte man beispielsweise lieber mit Elektroenergie heizen, als den Strom wegzuschmeißen.

Stromnetz Berlin will mit e*Nergy Wärmepumpen steuern

Heizen mit Strom, das galt früher als „Teufelszeug“, sagt Dietmar Gollnick. Zu Recht gilt die veraltete Technologie als ineffizient. Kommt der Strom aber aus erneuerbaren Quellen, sieht das anders aus. Denn potentiell ist sauberer Grünstrom im Überfluss vorhanden. So gehört die Förderung von Wärmepumpen zum Umbau der Energieversorgung in Deutschland.

Genau solche Wärmepumpen, aber auch die in Verruf geratenen Nachtspeicherheizungen, wird Stromnetz Berlin ab 2015 mit dem e*Nergy-Gerät steuern. Hier geht es also nicht um Erzeuger, sondern um Verbraucher. Sie können mit dem Signal ausgeschaltet, aber auch zum Speichern von Strom in Wärme aufgefordert werden. Projektleiter Thomas Röstel von Stromnetz Berlin freut sich mit e*Message über die Verleihung des Innovationspreises. „Das ist ein großer Erfolg und zeigt, dass wir hier eine wirklich neue technische Lösung geschaffen haben.“

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