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Energiewende: Im Kampf mit dunklen Mächten

Die Energiewirtschaft will sich von staatlicher Regulierung befreien – und sehnt sich zugleich danach.

Berlin - Es war der Versuch, eine komplexe Problematik mit unklaren Fronten möglichst plakativ – und damit einfach – darzustellen. So ließ der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) zum Auftakt seines Jahreskongresses am Mittwoch in Berlin ein Magazin auf jeden Sitzplatz der mehr als 1500 Gäste legen. Cover und mehrere Seiten darin waren im Comicstil gestaltet. Der Titel des Heftes lautete: „Marketman – Im Netz des Dr. Regulus“.

Zur Erläuterung heißt es darin: „Dunkle Mächte bedrohen das freie Spiel der Kräfte und den Markt. Doch Marketman kämpft mit aller Energie für die Freiheit und die wirtschaftliche Vernunft.“ Auf der letzten Seite erfährt der Leser: „Marketman und Liberty Girl haben sich von allen allen Rückschlägen erholt. Die Einsicht in die Notwendigkeit einer neuen Marktordnung hat gesiegt!“ Nun würden alle Verantwortung für das System übernehmen, die Preise würden sich transparent in Markt und im Wettbewerb bilden. Das Bild dazu zeigt den Regulierer am Boden liegend. Er hat sich im Konflikt offenbar eine blutige Nase geholt.

Wie tief die Energiebranche im Netz der Regeln steckt, sich darin aber nicht mehr so wohlfühlt wie vor den Beschlüssen zur Energiewende, wurde auch in den Reden deutlich. BDEW-Hauptgeschäftsführerin Hildegard Müller forderte eine „grundlegende und weitreichende Reform“ des Energiemarktes und mahnte zur Eile: „Eine Schonfrist gibt es nicht für die neue Bundesregierung.“ Sie kritisierte indirekt auch, dass bei der Energiewende so viele Protagonisten, nämlich kleinste Stromerzeuger, mitspielen. „Es geht um Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit und nicht um die Profitmaximierung Einzelner, die über die Dächer und Wiesen verfügen.“ Und: „Wir lehnen Modelle ab, die dauerhaft auf politische Einflussnahme angewiesen sind“, sagte Müller.

Nur wenige politische Tagungsgäste griffen diesen Emanzipationsgedanken auf. Stefan Kapferer (FDP), Staatssekretär im Bundeswirtschaftministerium, sagte, dass man das System möglichst kosteneffizient organisieren müsse. Mehr Europa und mehr Markt forderte auch RWE-Chef Peter Terium. Die Energiewende sei „so komplex, dass sie nicht vom Beamtenstuhl eines Regulierers zu machen ist“. Aber gleich im nächsten Satz kritisierte er die Politik zwischen Berlin und Brüssel fürs Nichtstun – etwa in der Frage des EU-Handelssystems mit Emmissionszertifikaten (ETS): „Man kann das ETS nicht fallen lassen und trotzdem hoffen, dass es funktioniert.“

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich in ihrer Rede nicht mit der philosophischen Frage von Markt und Freiheit auf. Sie kündigte an, eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) liefern zu wollen – nach der Bundestagswahl am 22. September. Das sei das „notwendigste Thema, das es derzeit gibt“.

Inhaltlich enttäuschte sie Hoffnungen einiger Branchenvertreter auf die ganz große Reform, die es wohl nur geben würde, wenn die Erneuerbaren ihren Einspeisevorrang verlieren würden. Den wolle sie nicht aufgeben, sagte Merkel. Er sei ein wesentlicher Anreiz, um in regenerative Energien zu investieren. Allerdings sprach sie sich für eine bessere Koordinierung des Ausbaus erneuerbarer Energien mit dem der Stromnetze aus. Dies alles müsse „unter dem Oberbegriff der Bezahlbarkeit“ geschehen. Die Kanzlerin forderte, die Produzenten grünen Stroms verstärkt an den Kosten des Ausbaus der Netze zu beteiligen, da diese davon profitierten. Merkel versicherte zugleich, es werde keine nachträglichen Förderkürzungen für bestehende Solar- und Windparks geben. Dies hatte Umweltminister Peter Altmaier vorgeschlagen.

Wie sich die Kanzlerin einen Markt vorstellt, in dem vor allem der Bau neuer Gaskraftwerke wirtschaftlich wieder Sinn macht, sagte sie nicht. Um diese Frage dürfte es aber auf einem Spitzentreffen von Bund und Ländern gehen, das am heutigen Donnerstag im Kanzleramt stattfinden soll.

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück kritisierte in seiner Rede die Regierung: „Die Energiewende könnte eine Art deutsche Mondlandung sein. Derzeit steuert sie aber eher auf eine Bruchlandung zu.“ Er forderte wie Merkel, den Bau neuer Wind- und Solarparks mit dem Netzausbau zu synchronisieren. Um kurzfristig die Strompreise zu dämpfen, wolle er die Stromsteuer um 25 Prozent senken. Damit der Höchstspannungsausbau beschleunigt wird, will Steinbrück eine Deutsche Netz AG ins Leben rufen, bestehend aus den vier Übertragungsnetzbetreibern und dem Bund.

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